Stephan Herbert Fuchs
 

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26.08.2023

Umfassendstes Werk des Musiktheaters / „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz bei den „Freunden Bayreuths“

Bayreuth. Die „Ring“-Inszenierung von Valentin Schwarz (34) bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen, für 2020 geplant, 2022 aufgeführt, hat heftige Reaktionen provoziert. Nachdem Valentin Schwarz mit den deutschsprachigen Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth bereits im vergangenen Jahr diskutiert hatte, stellte er sich nun den englischsprachigen Mitgliedern vor. Eingeladen, um über sich und sein Konzept sprechen hatten die Freunde Bayreuths in den Kammermusiksaal der Pianomanufaktur Steingraeber. Dialogpartner in englischer Sprache war Alexander von dem Bottlenberg aus Berlin.

Valentin Schwarz berichtete dabei über seine Arbeit, seine Herangehensweise an Wagner und erläuterte das eine oder andere Detail aus seiner durchaus umstrittenen Inszenierung. Der „Ring“ ist für ihn das umfassendste Werk des gesamten Musiktheaters und Bayreuth ist für Valentin Schwarz ein ganz spezieller Ort. Somit sei nicht nur das Publikum, sondern auch die Atmosphäre etwas ganz Besonderes. Hier sei es ganz normal, dass die Zuhörer total verschiedene Meinungen von allem hätten.

Sehr ernst nehme er den Gedanken der „Werkstatt Bayreuth“. Die Werkstatt sieht Valentin Schwarz als fortwährenden Prozess, in dem sich immer etwas ändere, nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern auch von Zyklus zu Zyklus. Ihm sei es wichtig, dass sich sein „Ring“ weiterentwickle. Der Regisseur hatte Wagners Ring als eine Art Familiensaga interpretiert, in dessen Mittelpunkt Konflikte und Probleme und der Umgang damit stehen. Vielfach war auch zu lesen, dass Valentin Schwarz den „Ring“ als „Netflix-Serie“ interpretiert hat. Widersprechen wollte er da nicht, auch wenn er dieser Interpretation nicht ausdrücklich beipflichtete. Eine große Rolle spielten dabei Symbole. Beispielsweise hatte er den Ring als Kind auf die Bühne gestellt.

Natürlich könne man die Geschichte der zurückliegenden 150 Jahre, gemeint ist die Verbindung Richard Wagner, die Familie Wagner und Hitler, nicht ignorieren. „Das ist ein Riesenrucksack, den man da mit sich schleppt“, sagte Valentin Schwarz. Von einer politischen Interpretation wollte er aber dennoch nicht sprechen. Ihm gehe es da mehr um die Probleme der Gegenwart. Die Leitmotiv-Technik definiert der Regisseur als wichtiges Erzählmedium, wie er überhaupt die Musik als mehrdimensional interpretierbar auffasst.

Valentin Schwarz stammt aus Altmünster in Oberösterreich und hatte in Wien ein Studium der Musiktheaterregie, der Volkswirtschaftslehre und der Philosophie absolviert. Seitdem inszenierte er mehrere Opern und Operetten an zahlreichen deutschen, österreichischen und französischen Theatern. Er war auch bereits Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes.

Bild: Der österreichische Regisseur Valentin Schwarz (rechts) gab bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth Einblicke in seine Arbeit und stellte sich den Fragen von Moderator Alexander von dem Bottlenberg.

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20.08.2023

Wagner-Begeisterung mit AR-Brillen wecken / Parsifal-Regisseur Jay Scheib bei den „Freunden von Bayreuth“

Bayreuth. Er ist in der Theaterwelt nicht nur bekannt für seine zeitgenössischen Projekte, der amerikanische Regisseur Jay Scheib ist auch ein Theatermacher, der in seinen Arbeiten gerne eine Brücke in die Gegenwart und vielleicht auch in die Zukunft schlägt. So ist es auch bei seiner Parsifal-Neuinszenierung bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth in der Pianomanufaktur Steingraeber ließ der Hügel-Debütant einen Blick hinter die Kulissen zu und plauderte ausgiebig aus dem Nähkästchen.

Die als AR-Brillen bekannt gewordenen „Augmented Reality Brillen“, spezielle hochtechnisierte Brillen, die eine „erweiterte Realität“ abbilden, machen es möglich, zusätzlich zu Geschehen auf der Bühne weitere Bilder sichtbar zu machen. Allerdings gibt es nur und 330 Brillen, so dass einem großen Teil des Publikums die zusätzlichen Bilder verborgen bleiben.

Jay Scheib erläuterte deshalb noch einmal, was genau zu sehen ist. Sehr viele frühchristliche Elemente, ein Bild-Symbolismus, wie er aus der Freimaurerei bekannt ist und „viele weitere symbolische Sachen“ würden die Bühne erweitern, so der Regisseur. Um die AR-Brillen zu realisieren sei ein komplexer Software-Entwicklungsprozess notwendig gewesen. Allein ein halbes Jahr habe es gedauert, bis der technische Durchbruch gelang. Alle hätten ihm geraten, es sein zu lassen („don´t do it“), doch er habe auch einmal etwas völlig Neues wagen wollen.

Vielleicht, so Jay Scheib, gebe es in den kommenden Jahren eine günstigere Möglichkeit das Konzept zu verwirklichen. Er brachte dabei auch den Einsatz von Smartphones ins Gespräch. Der Regisseur räumte ein, dass sein ursprünglicher Gedanke schon der gewesen sei, dass jeder Zuschauer eine AR-Brille bekommt.

Doch nicht nur mit Hilfe der Technik will Jay Scheib versuchen, ein neues, junges Publikum für Richard Wagner zu begeistern. Technik sei manchmal ganz gut, denn sie habe viel mit der Welt der jungen Leute zu tun, sagte er. Bei der Entwicklung seiner Inszenierung sei er durch das aktuelle Geschehen angeregt worden. Überall in der Gesellschaft sehe man Wunden, wie sie auch im Parsifal eine große Rolle spielen. Zeitgleich zu seinen ersten Überlegungen im Mai 2020 habe sich beispielsweise die gewaltsame Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd durch die Polizei in Minneapolis ereignet. Ein Geschehen, dass in seiner Heimat Spuren hinterlassen und Wunden aufgerissen habe. Wenn am Schluss seiner Parsifal-Inszenierung eine zerstörte Industrielandschaft zu sehen sei, dann, so Jay Scheib, könne man auch an die durch Brände zerstörten Wälder in Kanada denken.

Ganz dem Charakter der „Werkstatt Bayreuth“ entsprechend kündigte Jay Scheib an, dass es im kommenden Jahr „kleine und große Veränderungen“ an seiner Inszenierung geben würde. „Es gibt viel zu tun“, sagte er. Auf die Frage eines Zuhörers, ob er nicht auch daran interessiert wäre, denn „Ring des Nibelungen“ zu inszenieren, zeigte sich Jay Scheib nicht abgeneigt. Zumal er schon Teile davon am Opernhaus in Wuppertal im Rahmen des Musiktheaterprojektes „Surrogate Cities“ realisiert habe. Aber auch die Kinderoper in Bayreuth würde er gerne inszenieren.

Jay Scheib wurde 1969 im US-Bundesstaat Iowa geboren. Er studierte Literaturwissenschaften sowie Bildende-, Video- und Performance-Kunst unter anderem in New York und entwickelte dort in der Folge eine Art Gegenwartstheater, dessen Bühnenästhetik auf improvisationsreichen Live -Performances basiert. Seitdem inszeniert er weltweit an den verschiedensten Theatern und Festivals. Unter anderem sorgte er 2018 mit der Inszenierung von Jim Steinmans „Bat Out of Hell“ für internationales Aufsehen.

Bilder: Bayreuth-Debütant und Parsifal-Regisseur Jay Scheib bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zusammen mit dem Kulturjournalisten Frank Piontek, der die Gesprächsrunde im Pianohaus Steingraeber moderierte.

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13.08.2023

Wagner, Weber und der Wald / Richard Wagners Ausflüge ins „Studentenwäldchen“: Musikwissenschaftler Georg Högl bei den Freunden Bayreuths

Bayreuth. In den Musikdramen Richard Wagners tritt der Wald gleich mehrfach prominent in Erscheinung. Der Musikwissenschaftler Georg Högl, der sich seit einigen Jahren als Mitarbeiter am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg mit den Schriften Richard Wagners beschäftigt, hat das Verhältnis des Komponisten zum Wald genauer unter die Lupe genommen. Seine Ergebnisse stellte er bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth in der Pianomanufaktur Steingraeber vor.

Waldhorn, Vogelstimmen, Waldesrauschen, Waldesstille: das und vieles mehr weckt Assoziationen. Schaut man einmal genauer hin, findet sich der Wald in all seinen Facetten überdurchschnittlich oft im Schaffen Richard Wagners. Ob der Wartburgwald im Tannhäuser, der Gralswald im Parsifal, ob Stolzings Zitat „Was Winternacht, was Waldespracht, was Buch und Hain mich wiesen, …“ aus den Meistersingern oder das nach den Worten von Georg Högl berühmteste szenische musikalische Beispiel für den Wald, das Waldweben aus de Siegfried: immer seien es Waldszenen und Waldassoziationen, in denen Kunst und Natureindrücke zusammenfinden.

Richard Wagner selbst habe in einem Aufsatz über Carl Maria von Webers Freischütz über den Wald philosophiert und dabei enge Zusammenhänge zwischen Natur und Volkspoesie, zwischen der dem Freischützb zugrunde liegende Sage und der Ursprungslandschaft hergestellt. „Waldflucht und Waldeinsamkeit sind wichtige Schlagworte der Romantik“, sagte Georg Högl und verwies auf die Vorstellung des Waldes als Sagenquelle in den Kinder- und Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm. Egal ob Drachen, Waldfräulein, Gnome oder Hexen, sie alle seien im Wald angesiedelt.

Im Zentrum von Wagners Waldaffinität stehe freilich das Waldweben aus dem zweiten Aufzug des Siegfried. Schon die Wortschöpfung sei eine der bemerkenswertesten Wagners, ein Wort mit ungeheurer poetischer Substanz und ein „Kompositum, das bei Richard Wagner zum ersten Mal auftritt“. Prägnante Holzbläsereinwürfe ahmten den Gesang der Waldvögel nach und der Klang der Streicher stelle das Blätterrauschen dar, während die Handlung praktisch zum Erliegen komme. „Wagners Waldweben ist ein herausragendes Beispiel für die musikalische Walddarstellung“, so der Wissenschaftler.

Nicht zuletzt sei wohl auch der Wald, beziehungsweise die Naturnähe ein wichtiger Standortfaktor gewesen, bei der Entscheidung Wagners für Bayreuth. In zeitgenössischen Darstellungen, in denen die Natur das Stadtbild dominiere, werde dies deutlich. Herauszulesen sei dies aus den Tagebucheinträgen von Cosima, in denen sie etwa im Juni 1878 von Ausflügen ins Studentenwäldchen schwärmt. 1881 preist es Cosima als Ideal, „den ganzen Tag im Walde zu verbringen und abends ein Werk von ihm (also von Richard Wagner) zu hören“. Eine Vorstellung, die der festspielidee sehr nahe kommt.

Am Rande seines Vortrags räumte Georg Högl auch mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf. Trotz aller Romantisierung sei der Waldanteil im Deutschland des 19. Jahrhunderts deutlich geringer gewesen als heute, wo der Anteil an der gesamten Landesfläche bei 30 Prozent liegt. Hintergrund ist, dass es damals keine fossilen Brennstoffe gab und die Wälder somit zu Heizzwecken ausgeräumt worden seien. Das, was man heute als nachhaltige Forstwirtschaft bezeichnet, sei erst danach entstanden. Damit gibt es heute wohl deutlich mehr wildromantische dunkle Wälder als zu Zeiten Wagners, Webers oder der Gebrüder Grimm

Bild: Weltflucht und Waldeinsamkeit auf der Opernbühne: Georg Högl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsprojekt Richard Wagners Schriften am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg bei einer Veranstaltung der Freunde Bayreuths in der Pianomanufaktur Steingraeber.

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06.08.2023

Festspiele suchen Handwerker / Festspielhaus bildet erstmals selbst aus – Technischer Direktor Henning Angebrandt bei den „Freunden von Bayreuth“

Bayreuth. Eigentlich hätte man meinen müssen, die AR-Brillen aus der neuen Parsifal-Inszenierung von Jay Scheib stehen im Mittelpunkt eines Gespräches mit Henning Angebrandt, dem neuen Technischen Direktor der Bayreuther Festspiele. In der Reihe „Freunde treffen Freunde“, bei der die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth alljährlich Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Festspiele zum Gespräch in die Klaviermanufaktur Steingraeber einlädt, spielten die Brillen aber nur eine Nebenrolle. Henning Angebrandt fand die „Augmented-Reality“-Brillen „sehr interessant“ und ging davon aus, dass man mit der neuen Technik wohl auch weiterhin arbeiten werde. „Ich glaube schon, dass wir das ausbauen werden“, sagte der 60-Jährige. Mit den Brillen ist es möglich, zusätzlich zum realen Geschehen auf der Bühne weitere Bilder einzublenden. „Augmented Reality“ steht dabei für „Erweiterte Realität“.

Den „Freunden von Bayreuth“ brannten allerdings ganz andere Fragen auf den Nägeln. Was passiert bei Stromausfall im Festspielhaus? Wie schwer sind die Bühnenbilder? Wie viel Liter Wasser fasst der Teich im zweiten Aufzug der Parsifal-Neuinszenierung? In welchen Berufen bilden die Festspiele künftig aus? Das und vieles mehr wollten die Besucher wissen und Henning Angebrandt erwies als sachkundiger Experte, der nicht nur von Bayreuth, sondern auch von seinen bisherigen Wirkungsstätten in Berlin oder München berichtete.

Einen Stromausfall brauche man in Bayreuth beispielsweise nicht zu fürchten. Nach allerspätestens sieben Sekunden springe der Generator an und der Zuschauer merke fast nichts davon, sagte Henning Angebrandt. Energie sei allerdings auch bei so manchem Wechsel des Bühnenbildes nötig. Um eine rasche Veränderung zu ermöglichen, müsse das Bühnenbild komplett nach oben gezogen werden. Kein leichtes Unterfangen bei Konstruktionen, die in der Regel vier bis fünf Tonnen schwer sind. Der technische Direktor verriet dabei auch, dass der Teich im zweiten Aufzug der Parsifal-Neuinszenierung rund 11.000 Liter Wasser fasst. Beim Ablassen fließe das Wasser zunächst in eine Zisterne unter dem Festspielhaus und werde dann in den kleinen Teich im Festspielpark gepumpt.

Wie in vielen anderen Bereichen, leider auch die Veranstaltungsbranche an eklatantem Nachwuchsmangel, sagte Henning Angebrandt. Offensichtlich hätten sich nach der Pandemie viele Beschäftigte neu orientiert. Die Festspiele würden deshalb nun erstmals selbst ausbilden, und zwar im handwerklichen Bereich. Besonders Schlosser und Elektriker seien gefragt. „Schließlich bauen wir alles selbst und machen alles selbst“, so der Direktor.

Henning Angebrandt ist nach einer Pause wieder auf den Hügel zurückgekehrt, wo er in der Vergangenheit schon 25 Jahre lang in der Technik tätig war. Lange Zeit war er im Nationaltheater in München und am Friedrichstadtpalast in Berlin beschäftigt. Für das Unternehmen Stage Entertainment richtete er auch die technische Ausstattung von Musical-Produktionen wie „Aladdin“ oder „König der Löwen“ ein. Seine berufliche Laufbahn startete er allerdings nicht im Musiktheater, sondern im Schauspiel am Münchner Volkstheater.

Relativ leicht konnte der Experte die Frage nach dem aus technischer Sicht einfachsten und schwierigsten Bühnenbild beantworten. „Die Kinderoper ist am einfachsten“, sagte er. Absolut aufwändig seien dagegen aufgrund ihrer Komplexität die Meistersinger-Inszenierung von Katharina Wagner und die Parsifal-Inszenierung von Stefan Herheim gewesen. „Jedes Stück ist anders“, so Henning Angebrandt. Leicht und schwierig gebe es da nicht. Deshalb seien bei sämtlichen Aufführungen, im Gegensatz zu anderen Opernhäusern, sämtliche Techniker vor Ort.

Auch einen Blick in die Zukunft wagte Henning Angebrandt. Die Entwicklung gehe mit großen Schritten voran. Längst sei auch im Festspielhaus alles auf Computertechnik umgestellt worden. Ein Reißbrett finde man nirgends mehr, längst werde alles, was auf der Bühne zu sehen ist mit entsprechender Konstruktionssoftware entworfen. Derzeit werde die komplette Beleuchtung des Hauses auf LED-Technik umgerüstet. Die AR-Brillen werden wohl nicht das Ende der technischen Entwicklung auf dem Hügel sein.

Bild: Henning Angebrandt ist der neue technische Direktor der Bayreuther Festspiele. In der Klaviermanufaktur Steingraeber gestattete er bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth einen Blick hinter die Kulissen.

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28.08.2022

Bayreuther Festspiele: Aus Mitwirkenden werden Mitbürger auf Zeit / „Eichala“ und Medaillen für Solisten Musiker, Sänger, Techniker und Statisten des Grünen Hügels

Bayreuth. Genau 80 langjährige Mitwirkende der Bayreuther Festspiele hat die Stadt am Sonntag in Haus Wahnfried ausgezeichnet. Statisten waren darunter, Techniker, Masken- und Kostümbildner und viele Orchester- und Chormitglieder. Die große Zahl erklärt die damit, dass die traditionelle Ehrung 2021 ausgefallen war und jetzt nachgeholt wurde.

Mit der Sopranistin Alexandra Steiner und dem Tenor Klaus Florian Vogt waren auch zwei prominente Solisten unter den Geehrten. Sie alle bekamen, je nach Jahren der Zugehörigkeit eine Medaille, einen Glaskubus mit dem eingravierten Festspielhaus oder das legendäre Bayreuther „Eichala“. Der Zinnkrug, dessen Deckel eine Eichel ziert, gilt als echte Rarität, da er heuer zum letzten Mal überreicht wurde. Grund: Das „Eichala“ werde künftig nicht mehr hergestellt, so Gabriele Röhler vom Kulturamt der Stadt.

Normalerweise ehrt die Stadt die langjährigen Mitwirkenden immer nach der Premierenwoche Anfang August. Der späte Termin sei der Infektionsgefahr geschuldet, sagte Kulturreferent Benedikt Stegmayer. Wenn jemand nach der Ehrung krank werde, dann nach den Festspielen, so dass zumindest in Bayreuth kein Termin abgesagt werden müsse. Krankheitsbedingt absagen musste dagegen Oberbürgermeister Thomas Ebersberger. „Sie können sich alle vorstellen, was ihn getroffen hat“, so Kulturreferent Stegmayer, der kurzerhand die Ehrung übernommen hatte.

Er bezeichnete Bayreuth als Kulturweltstadt auf Zeit und als Epizentrum der Wagner-Welt. Zu verdanken habe das die Stadt den Mitwirkenden auf und hinter der Bühne, von denen viele alle Jahre wieder kommen. Zehn Jahre Festspielmitwirkung bedeute immerhin zusammen rund eineinhalb Jahre Leben in der Stadt. So würden die Mitwirkenden zu Mitbürgern auf Zeit. Die Stadt verändere sich, wenn die Mitwirkenden in Bayreuth sind, stellte Stegmayer fest. „Da wird beispielsweise in manchen Wirtshäusern plötzlich über Wagner und Nietzsche diskutiert.“

Stegmayer appellierte an alle Festspielteilnehmer, Bayreuth auch künftig die Treue zu halten und der jeweiligen Heimat als Botschafter der Stadt aufzutreten. Auf dem Grünen Hügel sei jeder einzelne wichtig und trage zum Gelingen des wesentlichsten Ereignisses in der Stadt bei. Deshalb möchte die Stadt allen Geehrten Dank und Anerkennung aussprechen.

„Ohne sie alle wären die Festspiele nicht möglich“, sagte Katharina Wagner. Sie würdigte vor dem Corona-Hintergrund vor allem die Flexibilität aller Mitwirkenden. Viele Orchestermitglieder hätten sich zum Beispiel unglaublich oft untereinander vertreten. Katharina Wagner bedankte sich aber auch bei den Verantwortlichen der Stadt, die durch die Ehrung ihre große Wertschätzung für die Festspiele ausdrückten.

Viele der langjährigen Mitwirkenden konnten an der Ehrung nicht persönlich teilnehmen, weil sie aufgrund des späten Termins entweder bereits abgereist waren. Manche hätten die Ehrung bereits im Vorjahr bekommen sollen und waren heuer gar nicht in der Stadt. Diejenigen aber, die persönlich anwesend waren, wurden bei der Überreichung der Auszeichnung von ihren Kollegen lautstark beklatscht und bejubelt.

Unter den anwesenden Geehrten ragt der Tenor Klaus Florian Vogt ganz besonders heraus. Er bekam die Richard-Wagner-Medaille für 15-jährige Mitwirkung. Vogt war seit 2007 als Stolzing in den „Meistersingern“, als Lohengrin, als Parsifal und als Siegmund in der „Walküre“ zu erleben. Als zweite prominente Solistin wurde die Sopranistin Alexandra Steiner für fünf Jahre Mitwirkung ausgezeichnet. Sie sang seitdem die Woglinde im „Rheingold“ und in der „Götterdämmerung“, einen Knappen und ein Blumenmädchen im „Parsifal“.

Die Geehrten 2021:

Dirigent: Phillippe Jordan.

Solisten: Markus Eiche, Andreas Hörl, Andreas Schager, Alexandra Steiner, Bele Kumberger, Timo Riihonen und Katja Stuber

Chor: Doris Neidig, Ewald Bayerschmidt, Till Schulze, Hyeonjoon Kwon, Roy Mahendratha und Aram Youn.

Orchester: Joachim Ulbrich, Claudia Schönemann, Christoph Spehr, Matthias Müller, Alexander Schmidt-Ries, Michael Salm, Pascal Thery und Christopher Szarke.

Maskenbildnerei:

Cornelia Hörbe, Marina Hofner, Sandra Parschat und Ute Wittig.

Kostüme: Ilona Bühler, Willem Sihasale und Christiane Schmidtbauer.

Technik: Udo Baldauf, Frank Görgen, Thomas Ratzinger, Axel Wackwitz und Ladislav Ban.

Statisterie: Thomas Greiner.

Die Geehrten 2022:

Solisten: Klaus Florian Vogt und Derek Welton.

Musikalische Assistenz: Jobst Schneiderat.

Chor: Brigitte Marly, Kristor Hustad, Volko Neitmann, Alsi Jäckle, Dong-Min Suh, Wojciech Tabis, Kirsi Thum und Karoline Zeinert.

Orchester:

Beate Aanderud, Volker Droysen von Hamilton, Cyrill Gussaroff, Michael Andreas Höfele, Takeshi Kanazawa, Rainhard Lutter, Jan Pas, Jörg Petersen, Hartmut Schill und Katrin Strobelt.

Kostüme: Marion Wagner.

Technik: Nicol Hungsberg, Valentin Galle, Andreas Klier, Roland Mühlnikel, Raik Pape, Sandro von Keller, Uwe Stahl, Ralf Bühler, Mark Gottschald-Wineken, Thomas Koller, Roland Kurz, Lubor Kvacek, Lukas Mathe, Sergej Rabold, Michael Ruppender, Wiglev von Wedel, Christian Förster, Holger Mayer, Martin Scholti, Thorwald Wild, Alexandra Friedl, Nicole Ehret, Katja Krines und Tanja Schaller.

Bild:
1. Rheintochter und Blumenmädchen: Die Sopranistin Alexandra Steiner wurde für fünf Jahre Mitwirkung bei den Bayreuther Festspielen von Kulturreferent Benedikt Stegmayer ausgezeichnet.
2. Seit 15 Jahren auf dem Grünen Hügel: für den Heldentenor Klaus Florian Vogt gab es bei der Festspielehrung eine Richard-Wagner-Medaille.
3. Gruppenbild auf der Wahnfried-Treppe: Langjährige Mitwirkende der Bayreuther Festspiele hat die Stadt am Sonntag ausgezeichnet.

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27.08.2022

Bayreuther Festspiele: „Wahrheit will gemeinsam entdeckt werden“ / „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz gab bei der Gesellschaft der Freunde Einblicke in seine Arbeit

Bayreuth. Er will kein Aufklärer sein, er möchte aber auch nicht verwirren: Valentin Schwarz, Regisseur der aktuellen „Ring“-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth berichtete Valentin Schwarz im Gespräch mit dem Kulturjournalisten Frank Piontek über seine Arbeit, seine Herangehensweise an Wagner und erläuterte das eine oder andere Detail aus seiner durchaus auch umstrittenen Inszenierung.

„Ich glaube an ein wahnsinnig aktives und aufgeklärtes Publikum“, sagte Valentin Schwarz. In Bayreuth treffe dies auch zu, wenn man das „einzigartige Erregungs- und Aufregungspotential“ so verfolge. Der junge österreichische Regisseur sah dies durchaus positiv: „Hier beschäftigen sich die Leute damit“. Sein Ziel sei es, Erfahrungen zu ermöglichen und gemeinsam mit dem Publikum die Wahrheit zu entdecken.

Das gelte ganz besonders für den „Ring“. Gleich mehrfach sprach Valentin Schwarz bei der Veranstaltung von einem „Mammutwerk“. Beim „Ring“ handle es sich um den „Höhepunkt den Musiktheaters“, so der Regisseur, der eigentlich schon 2020 Premiere feiern wollte. Corona-bedingt wurde die Inszenierung auf dieses Jahr verschoben.

Nicht immer waren die Teilnehmer der Veranstaltung einer Meinung mit Valentin Schwarz. Da war die Rede davon, dass man vor dem Werk Richard Wagners auch Respekt haben sollte. Der Regisseur konterte, dass er ja mit seiner Arbeit versuche, die Einfälle des Komponisten an das Publikum von heute heranzuholen. Eingriffe, Schärfungen und manchmal auch Widersprüche seien dabei durchaus legitim. Schließlich blicke man auf den Ring anders als vor 150 Jahren. Was er aber auf keinen Fall beabsichtige, ist es, das Publikum absichtlich zu verwirren.

Für Verwirrung sorgte dagegen die Frage einer Zuhörerin an Valentin Schwarz, ob er mit seinen 33 Jahren denn schon reif genug sei, den „Ring“ zu inszenieren. „Ich werde in den kommenden Jahren auch älter und reife nach“, sagte Valentin Schwarz schmunzelnd. Moderator Frank Piontek erinnerte an Patrice Chereau, dem Regisseur des unvergessenen Jahrhundertrings aus dem Jahr 1976. Chereau war damals auch erst 32 Jahre jung und brachte es in der Folge als Film-, Theater- und Opernregisseur zu weltweiter Berühmtheit.

So wie es Chereau damals tat, kündigte auch Valentin Schwarz an, den Bayreuther Werkstattgedanken ernst zu nehmen und das eine oder andere noch zu verändern. Die „Werkstatt“ sei einer der wesentlichen Punkte Bayreuths. Ihm sei es wichtig, dass sich sein „Ring“ weiterentwickelt: Ohnehin hänge das Musiktheater von so vielen Faktoren ab, dass es praktisch jeden Abend neu entstehe. „Einen Endpunkt gibt es nicht, die ständige Transformation ist ein wesentlicher Teil des Musiktheaters.“

Valentin Schwarz stammt aus Altmünster in Oberösterreich und hatte in Wien ein Studium der Musiktheaterregie, der Volkswirtschaftslehre und der Philosophie absolviert. Seine erste große Inszenierung war Claude Debussys „Le Martyre de Saint Sébastien“ am Max-Reinhardt-Seminar. Seitdem inszenierte er mehrere Opern und Operetten an zahlreichen deutschen, österreichischen und französischen Theatern. Er war auch bereits Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes.

Bild:
„Musik ist das facettenreichste, was wir in der Kunstgeschichte haben“: Der österreichische Regisseur Valentin Schwarz (rechts) gab bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth Einblicke in seine Arbeit und stellte sich den Fragen von Moderator Frank Piontek.

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20.08.2022

Genie. Sängerin, Revolutionärin / Arno Mungen vom Forschungsinstitut für Musiktheater über die Wagner-Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient

Bayreuth. Arno Mungen hat sich großes vorgenommen. Der Leiter des Forschungsinstituts für Musiktheater der Universität in Thurnau möchte die erste umfassende wissenschaftliche Biographie über die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient (1804 – 1860) verfassen. 20 Jahre lang arbeitet er an dem Thema. Wenn das gar nicht so einfach ist, dann unter anderem deshalb, weil es ja nicht einmal Tonaufnahmen von ihr gibt. Allerdings ist Wilhelmine Schröder-Devrient nicht irgendeine Sängerin, sie war Wagners erste Sente im „Fliegenden Holländer“, die erste Venus im „Tannhäuser“ und auch der erste Adriano, eine sogenannte „Hosenrolle“, im „Rienzi“. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth berichtete Arno Mungen unter dem Titel „Genie, Sängerin, Revolutionärin“ über den Stand seiner Forschungsarbeiten.

Für den Musikwissenschaftler ist Wilhelmine Schröder-Devrient „eine der größten Künstlerinnen aller Zeiten“. In seinem Vortrag sprach er von einer besonders spannenden, kreativen, faszinierenden und schillernden Frau. Sein Ziel sei es deshalb, diese starke und ungewöhnliche Künstlerin ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit zu bringen.

Wilhelmine Schröder-Devrient wurde 1804 in Hamburg als Kind berühmter Schauspielereltern geboren. Bereits als Kind ist sie als Ballettstar unter anderem in Prag und Wien aufgetreten. 1821 sang sie als erst 17-Jährige die Leonore in Beethovens „Fidelio“. Mit Richard Wagner war Wilhelmine Schröder-Devrient ab den 1830er Jahren freundschaftlichen verbunden. „Ihre Bedeutung für sein Werk ist nicht hoch genug einzuschätzen“, sagte Arno Mungen. Insgesamt hätten rund 100 Rollen zu ihrem Repertoire gehört, in ihrem ganzen Leben habe sie über 1000 Aufführungen gesungen.

Was war nun das Besondere an Wilhelmine Schröder Devrient? Laut Arno Mungen beispielsweise ihr schauspielerisches Talent. Sie sei eine „unglaubliche Performerin“ gewesen“, so der Referent. Sie habe es geschafft, die Psychologie der jeweiligen Rolle einzufangen, deshalb hätten neben Wagner auch andere Komponisten Rollen für sie geschrieben. Dazu kommt, dass sie nicht als Sopran oder Mezzosopran bezeichnet wurde, sondern als dramatische, heroische, tragische Sängerin oder gleich als „Sängerdarstellerin“.

Wilhelmine Schröder-Devrient, die zwei Mal verheiratet war und vier Kinder hatte, wurde aber auch durch ihre Beteiligung am Dresdner Maiaufstand 1848 bekannt. Mit diesem Engagement habe sie, trotz ihres Titels als sächsische Hofopernsängerin, die Bühne einer, zur damaligen Zeit gerade für eine Frau, verbotenen Öffentlichkeit betreten, sagte Arno Mungen. Die Motivation sei durchaus politischer Natur gewesen, denn Wilhelmine Schröder-Devrient sei auch eine überaus freiheitsliebende Frau gewesen. In der Folge wurde sie kurzzeitig verhaftet und habe, genauso wie Richard Wagner, aus Dresden fliehen müssen.

Von Krankheit gezeichnet starb Wilhelmine Schröder-Devrient am 26. Januar 1860 bei ihrer Schwester in Coburg. Die Schwester war zu dieser Zeit als Schauspielerin am Coburger Theater engagiert, in dem auch Wilhelmine Schröder-Devrient bereits 1847 aufgetreten war. An der Gedenktafel, die das Sterbehaus am Glockenberg ziert, hat der Zahn der Zeit schon ein wenig seine Spuren hinterlassen

Bilder:
1.  „Freunde treffen Freude“: Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth stellte Arno Mungen vom Forschungsinstitut für >Musiktheater an der Universität Bayreuth einen Zwischenstand seiner Arbeiten zur Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient vor.
2. Am Glockenberg 2 in Coburg verstarb Wilhelmine Schröder-Devrient am 26. Januar 1860. Eine nur noch schwer zu lesende Gedenktafel erinnert noch heute an die große Wagner-Sängerin.

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13.08.2022

Gefühl, Schönheit und Ästhetik / Roland Schwab über seine „Tristan“-Neuinszenierung bei den Bayreuther Festspielen – Der prominente Regisseur plauderte bei der Gesellschaft der Freunde aus dem Nähkästchen

Bayreuth. Poesie und Schönheit, das ist es, worauf Roland Schwab, der Regisseur der aktuellen „Tristan“-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen, setzt. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth plauderte der 52-Jährige ein wenig aus dem Nähkästchen, gab Einblicke in seine Arbeit und seine Herangehensweise.

Nachdem ihm erst Mitte Dezember die Anfrage aus Bayreuth erreicht hatte, habe er sämtliche Stätten der „Tristan“-Komposition Richard Wagners besucht und sei danach auf die Idee gekommen, ein „Manifest der Schönheit“ zu schaffen. Nach seinem Aufenthalt in der Villa Wesendonck, in Venedig und im Schweizer Hof am Vierwaldstätter See sei er zu dem Schluss gekommen, dass er in seiner Inszenierung Gefühl, Schönheit und Ästhetik zulassen werde. Damit fügt sich die Inszenierung nach der Auffassung von Roland Schwab zum einen sehr gut in den Kontext der Festspiele 2022 ein, zum anderen sei sein „Tristan“ „am richtigen Platz in dieser hässlichen Zeit“.

Beim Publikum stieß der Regisseur damit ganz offensichtlich auf große Zustimmung. Sie vermisse die Schönheit in vielen Inszenierungen total, sagte einer Besucherin bei der Talkrunde. Sie sei Ronald Schwab überaus dankbar, dass er dies in seiner Inszenierung so zum Ausdruck bringe. Das habe er ganz bewusst so gemacht, bekräftigte Roland Schwab. Er habe ganz bewusst auch eine Gegenwelt zu den vorhergehenden „Tristan“-Inszenierungen von Katharina Wagner und Christoph Marthaler schaffen wollen. Mit dem LED-Feld auf der Bühne sei nicht zuletzt eine Assoziation zur berühmten Scheibe aus den Inszenierungen Wieland Wagners in den 1950er Jahren geschaffen worden. Eher zufällig gebe es im dritten Aufzug auch eine Verbindung zur Bilderwelt Caspar David Friedrichs.

Grund dafür, dass die „Tristan“-Aufführung heuer nur zwei Mal auf dem Spielplan stand, sei es gewesen, dass die Neuinszenierung als eine Art Joker für einen möglichen Corona-bedingten Ausfall einer der großen Chorwerke „Lohengrin“ und „Tannhäuser“ gedacht war. Hätte eine Aufführung dieser beiden Werke abgesagt werden müssen, dann wäre eine „Tristan“-Aufführung kurzfristig in den Spielplan aufgenommen worden. Auch im kommenden Jahr werde es bei den Festspielen nur zwei Aufführungen der Inszenierung von Roland Schwab geben.

Als „ganz komische Situation“ bezeichnete Roland Schwab den Dirigentenwechsel kurz vor der Premiere. Bekanntlich hatte Markus Poschner zehn Tage vor der Premiere die musikalische Leitung von Cornelius Meister übernommen. Meister, der ursprünglich für den „Tristan“ vorgesehen war, übernahm dafür den kompletten „Ring“-Zyklus für den erkrankten Pietari Inkinen. Im Schnelldurchlauf habe er dem neuen Dirigenten seine Sichtweise erklärt, sagte Roland Schwab. Glücklicherweise habe es da nicht nur Schnittmenge, sondern sogar eine gemeinsame Basis gegeben. Irgendwie sei es aber schon so gewesen, „als ob man den K2 hochgeht und der Partner wird kurz vor dem Gipfel mit dem Heli abgesetzt“, so der Regisseur.

Roland Schwab wurde 1969 in Frankereich geboren und wuchs in München auf. In Hamburg studierte er Musiktheater-Regie bei Götz Friedrich. Assistenzen führten ihn unter anderem an die Hamburgische Staatsoper, die Deutsche Oper Berlin und ans Zürcher Opernhaus. Von 1998 bis 2003 war Roland Schwab Regieassistent und Oberspielleiter am Meininger Theater. Seitdem ist er als freischaffender Regisseur tätig und wirkte unter anderem an den Theatern in Münster, Freiburg, Dortmund, Bonn, Innsbruck und Linz. Eine wichtige Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Musiktheaterdramaturgen Christian Baier, mit dem er zum Mozartjahr 2006 das Projekt Mozart-Fragmente an der Deutschen Oper Berlin entwickelte.

Bilder: In den Räumen der Pianofabrik Steingraeber stellte sich Roland Schwab bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth den Fragen des Publikums. Das Bild zeigt den „Tristan“-Regisseur zusammen mit der Geschäftsführerin der Gesellschaft Ina Besser-Eichler.

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06.08.2022

Festspielhaus: „Einmaliger Ort im Universum“ / Stardirigent Christian Thielemann bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Die Radioübertragungen der Festspielaufführungen geben in keiner Weise das wieder, was im Festspielhaus passiert. Diese Auffassung vertritt Christian Thielemann. „Das müsste einmal neu überdacht werden“; sagte der Stardirigent bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth im Kammermusiksaal der Pianofabrik Steingraeber.

Die Übertragungen könnten schon allein deshalb die Akustik nicht annähernd wiedergeben, „weil das Festspielhaus ein einmaliger Ort im Universum ist“, so Thielemann, der nach eigenen Angaben bislang insgesamt 181 Aufführungen in Bayreuth geleitet hatte. Der Klang sei einfach nicht einzufangen, die Grundstimmung erklinge gedämpfter, die Hörner ertönten zu laut, nannte Thielemann zwei Beispiele der Unzulänglichkeiten einer Radioübertragung.

Als genialen Einfall Richard Wagners bezeichnete es Thielemann, dass der Dirigent im verdeckten Orchestergraben nicht zu sehen ist. So sei keinerlei Show möglich, selbst die Kleidung des Dirigenten sei uninteressant und es bringe auch nichts auswendig zu dirigieren, um dem Publikum zu imponieren. Nicht zuletzt könne der Dirigent das Orchester im Sitzen leiten, was aufgrund der Länge der Opern auch dringend geboten sei.

Bei der Veranstaltung unter dem Motto „Freunde treffen Freunde“ ließ Christian Thielemann einige seltene private Einblicke zu. Beispielsweise verriet er, dass er privat kaum Musik höre, und wenn, dann Bach, Orgelmusik, späte Beethoven-Quartette oder Mendelssohn-Trios. Als seine bevorzugten Interpreten nannte er dabei den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau oder den Pianisten Arthur Rubinstein. Ebenso selten sei er als privater Konzert- oder Opernbesucher anzutreffen. Hier nannte er Herbert Blomstedt und den verstorbenen Mariss Jansons als Dirigentenkollegen, die er sehr schätze, beziehungsweise geschätzt habe. Auch die fabelhaften Interpretationen russischer Opern durch Kirill Petrenko habe er kennen und lieben gelernt.

Ansonsten sei er sehr bemüht ein diszipliniertes Leben zu führen. Vor einer Aufführung trinke er beispielsweise nie Alkohol. Sich selbst beschrieb Thielemann als akribischen Arbeiter, der seinen Beruf sehr ernst nehme. Ganz normal ist es nach den Worten des Dirigenten aber auch, dass am Theater auch mal die Emotionen hochkochen. Das sei in jedem Beruf so. „Auch die der Apotheke oder im Steuerbüro knallt es mal.“ Erst recht dann in einem Theater, in dem es wie im Festspielhaus auf der Bühne um Raub, Inzest, Mord und Totschlag gehe.

Christian Thielemann wird im kommenden Jahr nicht in Bayreuth am Dirigentenpult stehen. Stattdessen wird er eine ausgedehnte Geburtstagstournee mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden machen, die 2023 ihr 475-jähriges Bestehen feiert und deren Chefdirigent Thielemann ist. Danach steht eine Produktion der Richard-Strauß-Oper „Die Frau ohne Schatten“ in Wien auf seinem Programm.

Als Geschichte für das Sommerloch bezeichnete Christian Thielemann am Rande der Veranstaltung die Diskussion um eine angebliche Führerversion der Lohengrin-Partie. Wie berichtet soll der Tenor Klaus Florian Vogt in der von Thielemann geleiteten Generalprobe der diesjährigen Lohengrin-Aufführung am Ende das Wort „Führer“ statt der alternativen Version mit dem Wort „Schützer“ gesungen haben. Er habe 70 bis 80-mal den Lohengrin dirigiert, kein einziger Sänger habe dabei „Schützer“ gesungen, sagte Thielemann. „Da müssten sie ja den ganzen Lohengrin umschreiben und hätten auch bei Tannhäuser und den Meistersingern ein weites Feld zu beackern.“ Wer das Wort „Führer“ angeordnet habe, hätten Journalisten am Tag darauf im Pressebüro nachgefragt, Richard Wagner höchstpersönlich sei die einzig richtige Antwort gewesen.

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18.08.2019

Wagner kurioser Klangkosmos / Gesellschaft der Freunde von Bayreuth: Die Pianomanufaktur Steingraeber und das Gralsglockenklavier

Bayreuth. Es ist das wahrscheinlich kurioseste Instrument der Welt: ein Klavier, das nur vier Töne (C-G-A-E) spielt und das Richard Wagner persönlich erfunden hat. Gebaut hat es 1882 die Klaviermanufaktur Steingraeber in Bayreuth. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth berichtete jetzt Firmenchef Udo Schmidt-Steingraeber über die überirdisch fremdartigen Klänge, und wie sie von seinem Unternehmen zum Klingen gebracht wurden.

Im Gegensatz zu anderen Komponisten hatte sich Richard Wagner spezielle Klänge ausgedacht und dann erst jemanden gesucht, der diese Klänge realisieren kann. So gibt es Wagner-Tuben, Lohengrin-Trompeten, das Nibelungen-Schlagwerk und eben die Gralsglocken, die das Leitmotiv für den Gralstempel im Parsifal bilden. Es spielt im tiefsten Bass und soll dem Zuhörer mit einem heiligen Schauer anrühren – gewaltig, glockengleich und eben nahezu unerreichbar tief.

Eine echte Glocke müsste 260 Tonnen schwer sei und benötigte einen Durchmesser von 7 Metern, so Udo Schmidt-Steingraeber, um den gleichen Effekt, wie das Gralsglockenklavier zu erreichen. Steingraebers Vorfahre Eduard Steingraeber war es, der zur Uraufführung 1882 in Bayreuth das allererste Gralsglockenklavier realisiert hatte.

Eine 260 Tonnen schwere Glocke gibt es natürlich nicht. Als tiefste klingende Glocke der Welt gilt die „Pummerin“ im Wiener Stephansdom“, immerhin 23 Tonnen schwer und mit einem Durchmesser von 3,20 Meter. Die Zarenglocke, die im Kreml in Moskau ausgestellt ist, sei mit einer Höhe von 6,14 Metern und einem Gewicht von über 200 Tonnen zwar ungleich größer und schwerer, doch sei sie beim Herausholen aus der Form zerbrochen und kann deshalb nicht erklingen.

Das Steingraeber-Gralsglockenklavier sei bis 1981 im Festspielhaus gespielt worden, zuletzt in Wolfgang Wagners erster Parsifal-Inszenierung unter dem Dirigat von Horst Stein und zwar vom Aufnahmeraum aus der dritten Etage der Ostseite aus. „Das Gralsmotiv im ersten und im dritten Akt des Parsifals soll dem Zuhörer etwas gewaltiges und auch gewaltbereites vermitteln, etwas noch nie gehörtes“, so erklärt es Udo Schmidt-Steingraeber und verweist darauf, dass die Gralsglocken etwa 20 Töne tiefer liegen als die „Pummerin“ im Wiener Stephansdom. Das ursprüngliche Gralglockenklavier aus dem Hause Steingaeber setzte sich aus stark überspannten, 220 Zentimeter langen Saiten zusammen, die von vier, jeweils acht Zentimeter breiten Hämmern angeschlagen wurden. Die Tasten hatten eine Breite von 7 Zentimetern.

Was noch so besonders ist am Glockenton, erklärt Udo Schmidt-Steingraeber, der das Unternehmen in mittlerweile sechster Generation leitet, so: „Ein Glockenton hat keine geordnete Obertonstruktur, sondern parasitäre Obertonketten.“ Soll heißen: Im Gegensatz zum herkömmlichen Klang gibt es immer einen diffusen Nachhall und den zu erzeugen ist die eigentliche Kunst.

Versuche habe es viele gegeben, beispielsweise durch den legendären Wagner-Dirigenten Karl Muck. Er platzierte 1926 vier gigantische Weinfässer aus Holz auf der Hinterbühne des Festspielhauses, in denen riesige Sägeblätter verbaut waren. Sie sollten das Steingraeber-Klavier verstärken. Wie das geklungen hat, kann man heute auf CD nachhören. Nach Muck hatten sogar Arturo Toscanini und Wilhelm Furtwängler dieses wahrscheinlich größte Musikinstrument der Welt genutzt. Auch Röhrenglocken wurden schon eingesetzt oder das längst vergessene Instrument mit dem Namen Trautonium, ein Vorläufer des Synthesizers.

Heute steht das Original Gralsglockenklavier im Festspielhaus. Einen Nachbau bewahrt die Familie eines ehemaligen Festspielmusikers in Stuttgart auf und bringt ihn auch hin und wieder in öffentlichen Konzerten zum Klingen.

Die Gralsglocken der heutigen Parsifal-Aufführungen werden mittlerweile größtenteils elektronisch erzeugt, was aber nie so hundertprozentig zufriedenstellend gewesen sein soll.

Bild: Udo Schmidt-Steingraeber und Cordelia Schmidt-Steingraeber zeigen einen spielbereiten Nachbau der Gralsglocken, der im Pianohaus in Bayreuth ausgestellt wird.

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10.08.2019

„Und am Schluss haben wir uns zusammen verbeugt“ / Tannhäuser-Regisseur Tobias Kratzer über seine Neuinszenierung in Bayreuth

Bayreuth. Venus als Vision, Tannhäuser als Clown und der Dirigent Valery Gergiev: Das Publikum hatte viele Fragen an Tobis Kratzer. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth in der Pianomanufaktur Steingraeber stellte sich der Tannhäuser-Regisseur diesen Fragen und musste dabei feststellen, dass ein großer Redebedarf über seine Neuinszenierung bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth besteht.

Dabei ist es gar nicht so einfach, dem vielfach ausgezeichneten Regisseur eine Frage zu stellen, denn meist antwortet Tobias Kratzer mit einer Gegenfrage. Dafür plaudert er dann auch gerne aus dem Nähkästchen. Von den vielen Aspekten, die in seiner Venus stecken, und von ihrer Vision, eine bessere Welt zu schaffen, „wenn auch nicht mit den moralisch besten Mitteln“.

Warum taucht Tannhäuser als Clown auf, wollte eine Zuhörerin wissen und Tobias Kratzer machte deutlich, dass er diese Frage gar nicht so eindeutig auflösen möchte. Er sprach von Assoziationen zum Straßentheater, zur Avantgarde und zum Kabarett bis hin zum bekannten Roman „Die Ansichten eines Clowns“ des Literatur-Nobelpreisträgers Heinrich Böll. Dann gibt der Regisseur aber doch das Bild des „nicht-d´accord-gehens“ mit der Gesellschaft preis, das ihm dazu gebracht habe. „Dieser Mann möchte ein anderer sein, letztlich ist er aber doch ein Normalo, denn durch Schminke und Kostüm wird er kein anderer“, sagte Tobias Kratzer über seine Tannhäuser-Figur.

Der Regisseur verrät aber auch ganz pragmatische Dinge. Zwei Mal habe er sich mit dem Dirigenten Valery Gergiev getroffen, beim Essen in Berlin zusammen mit Katharina Wagner. Dabei habe er dem Dirigenten sein Regiekonzept ausführlich erläutert. Während der eigentlichen Proben habe es keinem inhaltlichen Kontakte mehr gegeben, Gergiev sei aber immer informiert worden. Später bei den Orchesterproben sei die Inszenierung natürlich längst gestanden, inhaltliche Änderung habe es keine gegeben: „Und am Schluss haben wir uns zusammen verbeugt“, so Tobias Kratzer über sein Verhältnis zu dem nicht unumstrittenen Dirigenten, der im kommenden Jahr von Axel Kober abgelöst wird.

Insgesamt trage der den Tannhäuser bereits seit Frühjahr 2014 mit sich herum. Damals sei die Anfrage aus Bayreuth an ihn herangetragen worden. Konkret habe er dreieinhalb Jahre an der Konzeption gearbeitet, dabei aber auch immer wieder andere Projekte verwirklicht. In Bayreuth gab es dann drei Wochen Vorbereitung und sechs Wochen lang Proben mit den Solisten. Für Tobias Kratzer eine „extrem lange Vorbereitungszeit“, normal sei die Hälfte.

Die Neuinszenierung in Bayreuth ist die zweite Tannhäuser-Deutung von Tobias Kratzer. Bereits in der Spielzeit 2011/2012 hatte der die Oper am Theater Bremen inszeniert.

Bilder: Der Regisseur der Tannhäuser-Neuinszenierung bei den Bayreuther- Festspielen Tobias Kratzer.

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25.07.2019

Tropische Hitze am Hügel / Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele eröffnet

Bayreuth. Auf dem Grünen Hügel haben die 108. Richard-Wagner-Festspiele begonnen. Zur Auffahrt der Ehrengäste gab es Rekordtemperaturen auf dem Roten Teppich. Bei knapp 40 Grad Celsius begann die Auffahrt der prominenten Gäste, heiß erwartet von einer Vielzahl von Journalisten und Kamerateams. Die Zahl der Zaungäste war dagegen deutlich niedriger als in den Vorjahren.

Den Auftakt machte in diesem Jahr allerdings kein Promi aus Politik oder Showgeschäft, sondern die Maus, bekannt aus der gleichnamigen Kinder-Fernsehsendung des WDR. Der Sender produziert in diesem Jahr eine Sondersendung vom Grünen Hügel. Danach ging es dann aber mit menschlichen Prominenten weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel erschien diesmal in einer frischen gelb-grünen Robe. Über den Teppich flanierten unter anderem Altbundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Ehefrau Schröder-Kim So-yeon, Gesundheitsminister Jens Spahn, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Auch andere treue Gäste des Grünen Hügels waren heuer wieder dabei, darunter Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die Schauspieler Michaela May, Udo Wachtveitl und Harald Krassnitzer, die ehemaligen Skirennläufer Rosi Mittermeier-Neureuther und Christian Neureuther sowie die Sängerin Eva Lind.

Auf dem Programm des Eröffnungstages stand eine Neuinszenierung der Oper "Tannhäuser", von Regisseur Tobias Kratzer. Er bringe eine durchaus unterhaltsame, "teilweise witzige" Version der frühen Oper Wagners auf die Bühne, hatte Festspielleiterin Katharina Wagner bereits zuvor verraten. Am Pult stand der russische Star-Dirigent Waleri Gergijew. Die Titelrolle sang Stephen Gould.

Bild: Armin Maiwald, der Erfinder der "Sendung mit der Maus"

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19.04.2019

Sanierung des Festspielhauses wird fortgesetzt / Haushaltspolitiker Alois Rainer in Bayreuth

Bayreuth. Die Sanierung des Richard-Wagner-Festspielhauses in Bayreuth darf nicht ins Stocken geraten. Nicht nur in diesem Punkt waren sich alle Beteiligten einer Gesprächsrunde zur weiteren Finanzierung einig. Mit dem Straubinger Bundestagsabgeordneten Alois Rainer hatte die Bayreuther Abgeordnete Dr. Silke Launert den maßgeblichen CSU-Haushaltspolitiker des Bundes eingeladen, damit der sich ein Bild vor Ort über den Stand der Renovierungsarbeiten machen kann. Der Bund werde seiner Verantwortung gerecht, sagte Rainer. Er werde sich dafür einsetzen, die Finanzierung in trockene Tücher zu bringen.

Fest steht: die Sanierung des Hauses muss weitergehen. Fest steht auch, dass die bisherige Finanzierungsvereinbarung über 30 Millionen Euro aus dem Jahr 2013 wohl bei weitem nicht ausreichen wird. „Deshalb müssen wir bei der Finanzierung der Sanierung weiterkommen“, sagte Launert. Ihr sei es ein wichtiges Anliegen, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Eine genaue Zahl über den tatsächlichen Finanzbedarf konnten die Beteiligten derzeit noch nicht nennen. Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme war jedoch klar, dass in einem weiteren Bauabschnitt vor allem sicherheitsrechtlichen Anforderungen wie Brandschutz oder Fluchtwege Rechnung getragen werden.

Launert ging davon aus, dass die Sanierungsarbeiten wohl noch rund sieben Jahre in Anspruch nehmen werden. Das ist auch das Ziel von Festspielleiterin Katharina Wagner. „Ich werde mir wünschen, bis 2026 fertig zu sein“, sagte sie. Hinte4rgrund ist, dass die Bayreuther Festspiele 2026 ihr 150-jährges Bestehen feiern können.

Dabei gehe es bei weitem nicht um irgendwelche Luxusmaßnahmen, sondern nur um Projekte, die für einen geordneten Ablauf der Festspiele dringend notwendig seien. Als Beispiel nannte sei einen eigenen Proberaum für das Orchester, das seit Jahrzehnten unter schwierigen Bedingungen im Festspielrestaurant Proben muss.

Neben dem Bund ist unter anderem auch der Freistaat Bayern an der bisherigen Finanzierung beteiligt. Wenn die Sanierung auch im aktuellen Doppelhaushalt noch nicht enthalten sei, müsse es dem Freistaat wert sein, die Festspielhaussanierung in den kommenden Nachtragshaushalt oder in den nächsten Doppelhaushalt aufzunehmen, so die Landtagsabgeordnete Gudrun Brendel-Fischer. Sie kündigte einen weiteren Ortstermin mit dem bayerischen Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler an, um die Finanzierung sicherzustellen.

Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz bezeichnete das Bayreuther Festspielhaus als Kulturstätte von internationalem Rang. Deshalb wünsche sie sich, dass die Finanzierung weiter vorankommt. Die Regierung von Oberfranken ist die koordinierende Stelle zwischen der Bayreuther Festspiel GmbH und den Zuschussgebern.

Bilder:
1.
  Von rechts: die Landtagsabgeordnete Gudrun Brendel Fischer, die Bundestagsabgeordneten Alois Rainer und Dr. Silke Launert sowie Festspielleiteri
n Katharina Wagner.
2. Von links: Bundestagsabgeordneter Alois Rainer, Festspielleiterin Katharina Wagner, die Bundestagsabgeordnete Dr. Silke Launert und die Landtagsabgeordnete Gudrun Brendel Fischer.

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19.08.2018

Theater und Technik: Brandschutz und Bühnenbilder / Christoph Bauch bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Schlosser, Schreiner, Elektriker, Maler: alles Berufe, die man nicht unbedingt mit den Richard-Wagner-Festspielen in Verbindung bringt. Und doch beschäftigt das Festspielhaus ganzjährig etwa 30 Handwerker. Deren Chef ist seit 2015 Christoph Bauch, technischer Direktor der Festspiele. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth plauderte der gebürtige Dresdner aus dem Nähkästchen und gewährte einen Blick hinter die Kulissen des Betriebes auf den Grünen Hügel.

„Eigentlich bin ich ein Opernmensch, auch wenn ich ein Techniker bin“, sagt Bauch, der den Theatertechnikjob von der Pike auf gelernt hatte. Nach Stationen in Dresden, Bremen und zuletzt im Theater an der Wien war er nach Bayreuth gekommen, um schnell festzustellen: „Hier tickt die Uhr anders“. Bei rund 800 Beschäftigten im Festspielhaus während der Festspiele werde es schnell sehr eng und da bedürfe es einer ausgefeilten Logistik, damit letztlich alles klappt, wie am Schnürchen.

Wenn dies der Fall ist, dann hat Christoph Bauch großen Anteil daran. Das Aufgabengebiet des technischen Direktors reicht von der Pflege und Wartung sämtlicher Anlagen in allen Gebäuden des Festspielhauses über scheinbar banale Dinge wie Arbeits- und Brandschutz bis hin zur Umsetzung komplexer Bühnenbildtechnik der jeweiligen Produktionsteams. „Meistens können wir das umsetzen, was auf den Tisch kommt“, sagt Christoph Bauch. Sowohl von der Größe her, als auch den Kosten bis hin zur Akustik müsse dabei alles stimmen. Bis es allerdings soweit ist, könne es manchmal schon dauern und so lasse es sich auch erklären, dass bereits jetzt im kommenden Herbst die ersten Bauproben für den Ring 2020 beginnen.

Die meisten Regisseure und Bühnenbildner hätten durchaus Bodenhaftung und wüssten, dass auch für sie die Gesetze der Physik gelten, sagt Bauch. Trotzdem sei es oft seine Aufgabe, das möglich zu machen, was eigentlich unmöglich ist. „Geht nicht, gibt´s nicht“ möchte man sagen, doch der technische Direktor ist überzeugt davon: „Wenn beide Seiten aufeinander zugehen, dann gibt es immer eine Lösung.“

Bayreuth bedeute auch immer absolute Perfektion. Dies beginne schon damit, dass jeder Effekt, egal ob beispielsweise mit Feuer oder mit Wasser, mehrfach kontrolliert wird. „Wir prüfen auch immer, wie man so etwas anders lösen könnte“, sagt er. Ganz profan: Wenn es möglich ist, eine echte Kerze durch ein täuschend ähnlich flackerndes LED-Licht zu ersetzen, dann werde das auch gemacht. Andernfalls benötige man für eine einzige Szene schon einmal eine zusätzliche Brandwache.

Am Rande der „Freunde-treffen-Freunde“-Veranstaltung verriet Christoph Bauch auch, dass eine Übertitelung in Bayreuth wohl eher nicht kommen wird. Nicht nur, dass der technische Aufwand zu groß wäre. Eine Übertitelung widerspreche auch der Philosophie von Bayreuth und dem hiesigen Anspruch auf Authentizität.

Bild: Christoph Bauch ist seit 2015 technischer Direktor der Bayreuther Festspiele.

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11.08.2018

„Jede Menge Feinschliff notwendig“ / Chordirektor Eberhard Friedrich bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Seit 25 Jahren arbeitet er für das Klangwunder von Bayreuth: Eberhard Friedrich, gebürtiger Darmstädter, trat 1993 als Assistent von Norbert Balatsch seinen Dienst auf dem Grünen Hügel an, im Jahr 2000 wurde er dessen Nachfolger als Chordirektor. Wie es ihm gelingt, aus 134 einzelnen Stimmen einen großen Chor zu formen, was ein Chordirektor sonst so macht und wo die größten Herausforderungen liegen, das erzählte Friedrich bei einer Matinee der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.

Singen können ohnehin alle, was braucht es da noch einen Chordirektor, könnte man meinen. Tatsächlich ist der überwiegende Prozentsatz der Sängerinnen und Sänger hauptberuflich an Opernhäusern und Rundfunkchören tätig. Nur einige gingen während des Jahres einem anderen Berufen nach, hätten aber trotzdem ein Gesangsstudium absolviert, berichtete Friedrich. Um aus dem Chor das zu formen, was am Ende das Gesamterlebnis ausmacht sei aber schon noch jede Menge Feinschliff notwendig. Wo muss heller, wo dunkler gesungen werden, an welchen Stellen ist eine besondere Phrasierung notwendig, wann soll lauter, wann leiser gesungen werden, all das sind die Fragen, mit denen sich der Chorleiter beschäftigt. „134 Damen und Herren dazu zu bewegen, das selbe zu tun, das ist meine Arbeit“, sagte er.

Als Beispiel führte Friedrich den Chor der Mannen in der Götterdämmerung an und setzte ihn im Vergleich zum Pilgerchor aus dem Tannhäuser. Während der erste laut, massiv und brachial gesungen wird, müsse der zweite sehr weich, zurückhaltend, demutsvoll aufgeführt werden. „So etwas herauszustellen, das ist meine Arbeit“, sagte Friedrich.

Ein besonderer Reiz der Oper liege für ihn im Umgang mit immer neuen Inszenierungen. Oper, das sei auch immer die Synergie dessen, was der Regisseur, der Dirigent und schließlich auch er möchte. Auch logistische Dinge seien dabei wichtig, beispielsweise wie viele Kostüme jeder einzelne Sänger in einer Aufführung tragen müsse oder wann und in welchem Tempo das Umziehen stattfinden soll.

Groß ist die Fluktuation im Chor der Bayreuther Festspiele nicht. „85 bis 90 Prozent der Sängerinnen und Sänger kommen jedes Jahr wieder“, sagte Friedrich. Dazu fänden pro Jahr zwei Vorsingen, eines in Berlin, das andere in Bayreuth, statt. Wer vorgesungen hat und für gut befunden wurde, der komme in eine Kartei und daraus werde dann der Chor für das kommende Jahr zusammengestellt.

Eberhard Friedrich war Anfang der 1990er Jahre in Wiesbaden engagiert, als er Kontakt zu seinem Vorgänger Norbert Balatsch aufnahm und sich um eine Assistenz in Bayreuth bemühte. 1993 war es dann soweit, schon 1994 wurde er zusammen mit Milan Maly offizieller Stellvertreter von Balatsch. 

Studiert hatte Friedrich Chorleitung und Dirigieren unter anderem bei dem Bach-Spezialisten Helmut Rilling in Frankfurt am Main. Stationen seiner Karriere waren die Theater in Koblenz und Wiesbaden, 15 Jahre lang war er Chordirektor der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, seit 2013 ist er in gleicher Funktion an der Hamburgischen Staatsoper tätig.

Bild: Eberhard Friedrich ist Chordirektor der Bayreuther Festspiele. In der Reihe „Freunde treffen Freunde“ berichtete er bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth über seine Arbeit auf dem Grünen Hügel.

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05.08.2018

Holländer barfuß und in Shorts / Dirigent Axel Kober bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Für Musiker und Dirigenten im mystischen Abgrund des Festspielhauses herrschen derzeit Extrembedingungen. „40 Grad hat es bestimmt und eine gefühlte Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent“, sagt der diesjährige Dirigent des „Fliegenden Holländer“ Axel Kober. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ließ der 48-Jährige in lockerem Plauderton in den Räumen der Klaviermanufaktur Steingraeber die bisherigen Stationen seiner Karriere Revue passieren, sprach über sein Verhältnis zu Richard Wagner und berichtete von der schweißtreibenden Arbeit im Orchestergraben.

Natürlich dirigiere er nicht im Frack, sondern in Jeans und T-Shirt. Der Frack streife er sich nur für den Applaus über. „Auch die Musiker sitzen da alle in zivil, je nach Temperatur mehr oder weniger bekleidet“, sagte Kober und berichtete von der zurückliegenden „Holländer“-Aufführung, als die gesamte Holzbläserreihe barfuß und in Shorts erschienen war. „Es ist aber auch wirklich verdammt heiß“, so der Dirigent, der von extremen Schwierigkeiten besonders für die Bläser sprach. Aber auch Streichinstrumente würden sich viel schneller als sonst verstimmen.

Axel Kober, der wohl der erste Oberfranken am Pult des Festspielorchesters ist, wurde 1970 in Kronach geboren und wuchs in Steinwiesen auf. Er besuchte die Musikschule in Bayreuth, musizierte im Jugendsymphonieorchester Oberfranken. Schon sehr früh habe er Klavier und Geige gelernt und bereits mit zwölf Jahren in der katholischen Kirche seiner Heimatgemeinde Orgel gespielt. Mit 17 besuchte er zwei Jahre lang eine internationale Schule bei Sante Fe im US-Bundesstaat New Mexico und schloss mit dem internationalen Abitur, ehe er ein Dirigierstudium an der Musikhochschule in Würzburg begann.

„Ich war immer in Sachen Musik unterwegs“, so Kober, dessen erste Station die des Korrepetitors am Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin war. „An diesem Haus wurde damals wirklich noch das ganze große Repertoire gespielt“, erinnerte sich der Dirigent. Dazu gehört auch schon bald Richard Wagner. Gleich in seinem ersten Jahr durfte er 1994 die kompletten „Meistersinger“ einstudieren. Am Himmelfahrtstag 2000 sprang er an seiner zweiten Station, der Oper Dortmund, von jetzt auf gleich für einen 3. Aufzug „Tristan“ ein. Nach einem kompletten „Tristan“ und seinem ersten „Tannhäuser“ folgte das Engagement in Mannheim als zweiter Dirigent hinter Adam Fischer und „dem unglaublichen Glück“, nach und nach den gesamten Wagner inklusive einer Wiederaufnahme des „Ring des Nibelungen“ dirigieren zu dürfen.

„Bei mir war immer alles eng mit Wagner verbunden“, so Kober, der von Mannheim aus 2007 nach Leipzig in die Geburtsstadt Richard Wagner wechselte und dort zusammen mit Riccardo Chailliy die Leitung der Oper übernahm. Seit der Spielzeit 2009/2010 ist Kober nun Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg. In Bayreuth debütierte er 2013 mit dem „Tannhäuser“ in der umstrittenen Inszenierung von Sebastian Baumgarten, 2015 mit dem „Fliegenden Holländer“ in der Inszenierung von Jan Philipp Gloger.

„Mit dem Festspielorchester ist es schon ein ganz besonderes Musizieren“, sagte Kober. Er sprach von der „Creme de la Creme“ der Musiker, die sämtliche Stücke auswendig kennt und Jahr für Jahr freiwillig nach Bayreuth kommt. Das alles sei schon sehr inspirierend und spannend, so Kober. „Man ist bemüht, jede Stelle so aufregend wie möglich zu gestalten.“

Bild: „Freunde treffen Freunde“ heißt eine Vortragsreihe der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth in den Räumen der Pianomanufaktur Steingraeber. Im Bild von links: der Dirigent Axel Kober, Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler und Gastgeber Udo Schmidt-Steingraeber.

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25.07.2018

Auftakt der Richard-Wagner-Festspiele mit Neuinszenierung des „Lohengrin“

Bayreuth. Auftakt zur Festspielsaison 2018: Zum Start konnten die Festspielleitung und Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe wieder zahlreiche prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur vor dem Königsportal begrüßen. Auf die Besucher der Premierenvorstellung wartete die Wagner-Oper „Lohengrin“ in der Regie von Yuval Sharon unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann.

Die Liste der Premierengäste wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeführt. Die Kanzlerin gehört bereits seit vielen Jahren zu den treuen Festspielgästen. Die Bundesregierung war in Bayreuth mit mehreren Ministern vertreten: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen war ebenso dabei wie ihre Kabinettskollegen Jens Spahn (Gesundheit), Anja Karliczek (Bildung und Forschung), Gerd Müller (Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Kanzleramts-Chef Helge Braun, Monika Grütters (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) und Dorothee Bär (Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung).

Die bayerische Landespolitik zeigte in Person von Ministerpräsident Markus Söder sowie mehrerer Staatsminister und Staatssekretäre Flagge. Auch die Schar der weiteren Premierengäste wies wieder viele prominente Namen auf: Neben Herzog Franz von Bayern wurden die einem Millionenpublikum bekannten Schauspieler Udo Wachtveitl, Francis Fulton-Smith und Günter Maria Halmer sowie die TV-Journalistin Dunja Hayali gesichtet. Zaungäste durften sich außerdem auf die beiden ehemaligen Skirennläufer Rosi Mittermeier-Neureuther und Christian Neureuther, Kabarettist Michl Müller, TV-Entertainer Thomas Gottschalk sowie den Erzbischof des Erzbistums Bamberg Ludwig Schick freuen.

Bild: Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit Ehefrau Karin, Thomas Erbe, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, Joachim Sauer und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (von links).

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26.08.2017

„Vielleicht soll man es gar nicht verstehen“ / Regisseur Uwe Eric Laufenberg erlaubte einen Blick hinter die Kulissen seiner Parsifal-Inszenierung

Bayreuth. „Du kannst alles machen, nur nicht das, was in der Regieanweisung steht“. So lannst alles machen, nur nicht das, was in der regieanweisung steht"utete der Tipp eines befreundeten Regisseurs an Uwe Eric Laufenberg, dem Regisseur des aktuellen Parsifal bei den Bayreuther Festspielen. Für den Parsifal gilt die Regel freilich nur bedingt. Allegorische Musik, religiöse Mystik, Weihrauch, das unsagbare Leiden von Jesus Christus als Grundmythos: das alles macht das Bühnenweihfestspiel so außergewöhnlich. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth sprach Laufenberg über seine Parsifal-Inszenierung, die von Anfang an mit einigen Missverständnissen zu kämpfen hatte.

Als völliges Missverständnis bezeichnete es Laufenberg, wenn es im Vorfeld geheißen habe, dass er eine Islam-Inszenierung machen würde. Davon könne keine Rede sein. Auch habe er die Inszenierung nicht etwa in der Schublade gehabt, wie es immer hieß, als er im vergangenen Jahr den Einspringer für den umstrittenen Jonathan Meese gab.

Laufenberg hat seine Inszenierung mit jeder Menge religiöser Symbolik aufgeladen. Dabei riskierte er auch einen Blick auf den Tempelberg von Jerusalem. Wie hier um jeden Zentimeter an Symbolik gekämpft wird, da würden die Irrsinnigkeiten und der Wahnsinn von Religion für jeden sichtbar. „Vielleicht ist es der Grundmythos des Stückes, dass man es gar nicht verstehen soll“, sagte Laufenberg dazu, der sich selbst als Katholik outete.

Zum Werkstattgedanken merkte Laufenberg an, dass man immer wieder neue Details finde, gerade wenn es in der Besetzung Veränderungen gebe. Eine Verpflichtung zur Veränderung gebe es allerdings nicht, so der Regisseur, der dabei auch an Wieland Wagner erinnerte. Für Wieland sei der Parsifal dessen einzige Inszenierung gewesen, an der er nichts verändert habe. Freilich könne der Werkstattgedanke manchmal auch nur eine Ausrede bei heftig umstrittenen Inszenierungen sein.

Vielleicht sei der Karfreitagszauber das Größte, was Richard Wagner jemals komponiert hatte, so Laufenberg, auch wenn andere Dinge, wie der Walkürenritt spektakulärer sein mögen. In seiner Musik sei Richard Wagner seiner Zeit weit voraus gewesen, eine adäquate bildnerische Umsetzung habe Wagner zu seiner Zeit dagegen nicht gefunden.

Nachdem der „Ring des Nibelungen“ bei seiner Uraufführung in Bayreuth ein komplettes Fiasko war, sei der Parsifal die letzte Karte für Richard Wagner gewesen. Dem Komponisten sei es gelungen, sich damit zu sanieren, der Schott-Verlag als Inhaber der Verlagsrechte und als Herausgeber der Klavierauszüge habe damit Millionen verdient. Als Alleinstellungsmerkmal für den unglaublichen Erfolg wertete es Laufenberg, dass der Parsifal bis zum Auslaufen der Rechte 1913 nur in Bayreuth aufgeführt werden durfte. „Der ganze Nimbus des Parsifal hat mit Bayreuth zu tun“, sagte der Regisseur, der noch in den 1980er Jahren verkündete, mit dem Parsifal so gar nichts anfangen zu können.

Ein wenig plauderte Laufenberg aus dem Nähkästchen, als er verriet, dass es gar nicht so einfach gewesen sei, am Ende seiner Parsifal-Inszenierung die Türen des Zuschauerraums zu öffnen. „Manche Türen haben gequietscht, die hätte man ölen müssen“, sagte er, der bewusst auch eine Öffnung des Heiligtums erreichen wollte. Insgesamt sei es aber ein „toller Effekt“ gewesen.

Ein wenig Bedauern war aus den Worten Laufenbergs schon herauszuhören, dass Dirigent Hartmut Haenchen den Parsifal im kommenden Jahr nicht mehr leiten und stattdessen an Semyon Bychkov abgeben werde. Haenchen habe sich die Partitur wie kaum ein anderer Dirigent vorgenommen und sei dabei auf zahlreiche Veränderungen eingegangen, die Uraufführungsassistent Felix Mottl für den Uraufführungsdirigenten Hermann Levi im Namen Richard Wagners vorgenommen hatte.

Bilder:
- Uwe Eric Laufenberg ist nicht nur Regisseur der aktuellen Parsifal-Inszenierung, sondern seit 2014 auch Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.

- Uwe Eric Laufenberg mit Ina Bessler
-Eichler, der Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.

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13.08.2017

„Blut ist unsere Baustelle“ / Blick hinter die Kulissen von Katharina Wagners „Tristan“-Inszenierung mit Regieassistent Christian Stadlhofer

Bayreuth. Auch wenn es nach einer Bagatelle klingen mag: Blut ist im Theater von entscheidender Bedeutung. Theaterblut freilich, kein echtes. Doch genau darin liegt das Problem. „Das Blut ist unsere Baustelle“, sagte, Christian Stadlhofer, Regieassistent von Katharina Wagner in deren aktueller „Tristan“-Inszenierung. Seit 2015 sei das Team bereits auf der Suche nach dem richtigen Blut für den zweiten Aufzug. Mal ist es zu dick, dann wieder zu dünn, mal zu dunkel, mal zu hell. „Ortstermin Blut“ sei für alle schon ein echtes Reizwort. „Die Sänger sollen ja schließlich auch nicht in einer Blutlache ausrutschen“, so Stadlhofer bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.

Was die wenigsten wissen, der 37-Jährige Regisseur ist auch als Musicaldarsteller erfolgreich. So war er in Oberhausen und Stattgart bereits im „Tanz der Vampire“ zu sehen, in Cole Porters „Anything goes“ war er in Graz, St. Gallen und Klagenfurt engagiert. Auch in der Region hat Christian Stadlhofer bereits seine Spuren hinterlassen. So war er bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel zuletzt als Co-Regisseur für die Realisierung von Andrew Lloyd Webbers Musical „Cats“ mitverantwortlich.

Theater lebe vor allem davon, dass es kurzfristige Änderungen interessant und spannend machen. In Bayreuth hatte Christian Stadlhofer dabei vor allem mit den Besetzungen der Isolde schon einiges erlebt. Erst am Wochenende war Isolde Petra Lang stimmlich indisponiert. Man entschied sich, sie trotzdem die Rolle spielen zu lassen, während Ricarda Merbeth vom Bühnenrand die Partie sang. „Ansonsten hätten wir absagen müssen, das wäre absolut verheerend gewesen“, sagte der Regieassistenten dazu. Ein wenig gewöhnungsbedürftig sei es schon, die akustischen Eindrücke von der einen, das optische von der anderen Seite zu erfahren. Doch mit der Zeit gewöhne man sich daran. Im Gegenteil: an der Darstellung habe man viele neue Dinge erkennen können, die man so bislang noch nie gesehen hatte.

Überhaupt reagiere die Regisseurin Katharina Wagner in ganz besonderer Art und Weise auf das, was Sänger mitbringen. Deshalb habe es auch in den ersten beiden Jahren der Inszenierung so viele Veränderungen gegeben. Ein Riesenkompliment gab es von Christian Stadlhofer auch für den Dirigenten Christian Thielemann, der es schaffe, Einspringer wirklich zu begleiten. Und das bei zuletzt 36 Grad Celsius und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit im Orchestergraben. Stadlhofer: „Für den Dirigenten ist das wirklich körperliche Schwerstarbeit.“

Christian Stadlhofer räumte auch ein, dass Katharina Wagner in ihrer Inszenierung sehr stark polarisiere. Ihre relativ radikale Auslegung des König Marke als Bösewicht werde nicht jeden gefallen, sagte er. Die einen würden von einer großartigen Idee sprechen, die anderen würden diese Sichtweise kategorisch ablehnen. „Dazwischen gibt es nichts“, so der Regieassistent.

Bild: Der Österreicher Christian Stadlhofer ist nicht nur Regieassistent von Katharina Wagner in deren aktueller „Tristan“-Inszenierung, sondern auch Schauspieler und Musicaldarsteller.

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06.08.2017

Echte Gefühle: Ring als Free Jazz/ Regieassistent Patric Seibert zog bei den „Freunden“ seine persönliche „Ring“-Bilanz

Bayreuth. Es ist die Aufgabe der Bayreuther Festspiele, das Werk Richard Wagner immer wieder neu zu interpretieren. Einer der dies mit Bravour geschafft hat, ist Frank Castorf, Intendant der Berliner Volksbühne, mit seiner Inszenierung des „Ring des Nibelungen“. 2013, zum 200. Geburtstag von Richard Wagner, war Premiere, in ihrer Gesamtheit wird die Castorf-Inszenierung heuer zum letzten Mal zu sehen sein.

Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth im Kammermusiksaal der Klaviermanufaktur Steingraber zog jetzt Patric Seibert eine erste Bilanz. Seibert ist Dramaturg, Schauspieler und Regieassistent und kommt aus Berlin. Er ist nicht nur ein wichtiger Mitarbeiter des Ring-Regisseurs, er tritt auch als stummer Schauspieler auf, etwa im „Rheingold“ als Barkeeper oder in der „Walküre“ als Arbeiter.

Einen Vorwurf lässt Seibert nicht gelten. Castorf habe keine Achtung vor der sängerischen und musikalischen Leistung, ihm komme es nur auf ein faszinierendes Volksbühnenspektakel an. Frank Castorf wisse die Leistung der Sängerinnen und Sänger, sowie der Musiker im Orchester sehr wohl zu schätzen, sagte Seibert. Der Regie- und Produktionsassistenten gab aber auch zu bedenken, dass  Richard Wagner eben nicht nur Komponist war, sondern immer das gesamte Theater im Blick hatte.

Den Inszenierungsstil Castorf beschrieb Seibert als eine Art Free Jazz. Castorf möchte kein Spiel im klassischen Sinne, ihm komme es auf echte Wut und echte Gefühle an. Für die Sänger wie für das Haus könne dies „die Hölle“ sein. Doch wenn vieles aus dem Moment heraus geboren sei, dass ist es auch immer sehr ehrlich. Allerdings funktioniere das Konzept nur dann, wenn sich die Sänger auch darauf einlassen. Aufgrund der großen Bilderflut, sei manchmal aber nicht nur das Haus, sondern auch das Publikum überfordert.

„Im Mittelpunkt der Inszenierung steht das Öl als verfluchtes Gold, das wir alle brauchen, das uns glücklich aber auch total kaputt macht“, so Seibert. Deshalb beginne der Castorf-„Ring“ in Russland, und zwar in Baku, das als Keimzelle der russischen Revolution und als Zentrum der Ölförderung galt. Als „Ort zum Fürchten lernen“ habe Castorf den Berliner Alexanderplatz als sozialistische Realität im „Land der Plaste“ gegenübergestellt. Die marxistisch-leninistische Theorie machte Seibert an einem Mount-Rushmore-Felsen, mit den Köpfen von Lenin, Stalin, Marx und Mao statt der vier US-Präsidenten fest. Die Route 66 deutete er als Symbol der Freiheit.

Warum gerade das Öl eine derart herausragende Rolle einnimmt, erläuterte Seibert mit der Tatsache, dass das Öl das einzige war, was Russland auf dem Weltmarkt gegen Dollars verkaufen konnte. Die Folgen dieser Ölabhängigkeit würden im Siegfried thematisiert.

Bild: Plaudern bei „Freunden“ (von links): Udo Schmidt-Steingraeber vom gleichnamigen Pianohaus, Regieassistent Patric Seibert, Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler und Wolfgang Wagner vom Kuratorium der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.

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21.08.2016

„Wir sind die ausführende Abteilung“ / Material wie in Hollywood: Alexander Gehs ist Chefmaskenbildner der Bayreuther Festspiele

Bayreuth. Alexander Gehs reagiert schon mal gereizt, wenn er als Visagist oder gar als Kosmetiker bezeichnet wird. „Wir sind Maskenbildner“, sagte er. Wie vielfältig der Beruf wirklich ist, das zeigte der Chefmaskenbildner der Richard-Wagner-Festspiele bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth auf. Vom Friseur über den Perückenhersteller bis hin zum Bildhauer gehört irgendwie alles dazu. „Wir beschäftigen uns mit allem, was an einem Körper verändert werden kann“, so der 44-Jährige, der seine Ausbildung am Theater in Bremen erhalten hatte und danach 14 Jahre lang an der Bayerischen Staatsoper in München tätig war.

Maskenbildner, das ist tatsächlich ein eigener Beruf, seit 2002 staatlich anerkannt mit Berufsschule und richtiger Prüfung. Freilich hätten die meisten Theater immer weniger Geld und auch Zeit zur Ausbildung, so dass sich fast alles auf die beiden Studiengänge in München und Dresden konzentriert. Ganz klar ordnet Alexander Gehs seinen Beruf auch als Handwerk ein. „Wir sind die ausführende Abteilung“, sagt er und weiter: „Ich bin der Umsetzer, nicht der Künstler.“

Weil 90 Prozent seiner Arbeit immer irgendwie mit Haaren zu tun haben, ist für Alexander Gehs eine Friseurausbildung unabdingbar, wenn auch nicht zwingend vorgeschrieben. In Bayreuth werde von jedem Sänger und Statisten ein Kopfabdruck angefertigt. Über den Haaransatz werde anschließend ein Netz gezogen in das die Haare, ähnlich wie bei der Teppichherstellung einzeln eingeknüpft werden. Das könne pro Kopf schon mal bis zu 60 Stunden ohne Frisieren und Nachbearbeiten dauern, verrät der Chefmaskenbildner. „Wenn etwas wirklich sitzen soll, dann muss es auf Maß gearbeitet werden“, so Alexander Gehs.

Er verrät auch, dass zumindest in Bayreuth in der Regel mit Echthaar gearbeitet wird, weil man damit alles machen kann. Das wesentlich billigere Kunsthaar beginne dagegen schon bei 70 Grad Celsius zu schmelzen. Einmal zu heiß geföhnt, und schon ist die Perücke dahin. Echthaar koste allerdings schon mal bis zu 8000 Euro pro Kilogramm. Grund dafür ist, dass jeder Friseur mittlerweile Haarverlängerungen (Extensions) anbiete und die Nachfrage damit sehr groß geworden ist. Für eine Perücke würden in etwa 200 Gramm Haar benötigt.

Stark verändert habe sich der Beruf des Maskenbildners dadurch, dass die hochauflösende Kameratechnik (HD) von Film und Fernsehen auf der Bühne Einzug gehalten hat. „Wir müssen viel feiner als früher arbeiten und kommen dadurch immer wieder an unsere Grenzen“. Die Ansprüche seien immens gestiegen, mittlerweile würden ausschließlich film- und fernsehtaugliche Arbeiten verlangt. Es sei aber auch ein Unterschied, ob man „nur“ für die Bühne oder für eine Premiere, die in 100 Kinos live übertragen wird, arbeitet. Das typische Opern-Make-Up gebe es gar nicht mehr, sagt Alexander Gehs. Heute werde auf allen großen Bühnen mit den gleichen Materialen gearbeitet, die auch Hollywood benutzt.

Alles verlangt habe von ihm und seiner Abteilung mit 35 freien Maskenbildnern, von denen einige sogar aus Wien, London oder Paris nach Bayreuth gekommen sind, die aktuelle „Parsifal“-Neuinszenierung.  Vor allem der Alterungsprozess der Kundry benötige nicht nur in jedem Aufzug ein anderes Make-Up, sondern im dritten Aufzug sogar einen plastischen Eingriff. Soll heißen: „Wir kleben der Darstellerin Elena Pankratova Silikon ins Gesicht.“

Das Besondere an Bayreuth ist für Alexander Gehs die lange Vorlaufzeit. Für die „Parsifal“-Neuinszenierung hätten die Arbeiten schon über ein Jahr zuvor begonnen. An der Staatsoper in München seien dagegen sechs Wochen üblich gewesen. Schon jetzt arbeiten er und seine Abteilung für die Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ 2017.

Bild: Alexander Gehs war 14 Jahre lang an der Bayerischen Staatsoper in München tätig. Jetzt ist er Chefmaskenbildner der Bayreuther Festspiele.

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13.08.2016

Szenen in Licht und Farbe / Josef Lienhart erinnerte an den 50. Todestag von Wieland Wagner

Bayreuth. Fast wäre der 50. Todestag von Wieland Wagner heuer am 17. Oktober ein wenig in Vergessenheit geraten. Wäre da nicht Josef Lienhart, früherer Präsident des internationalen Richard-Wagner-Verbandes. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth erinnerte der profunde Wagner-Kenner, der Neu-Bayreuth von Beginn an erlebt hatte, an den genialen Opernregisseur und Enkel Richard Wagners.

Er zeigte dabei zahlreiche Fotografien, die der einstige Festspielfotograf Siegfried Lauterwasser angefertigt hatte. Wieland habe nur Schwarz-Weiß-Aufnahmen zugelassen, berichtete Lienhart. Doch Siegfried Lauterwasser habe immer auch Farbbilder angefertigt, von denen die meisten bis vor kurzem unveröffentlicht waren. Jetzt sind sie in der neuen Geschichte der Festspiele zu sehen, die der Theaterwissenschaftler Oswald Georg Bauer vor wenigen Tagen vorgelegt hat.

Im Vortrag von Josef Lienhart wurde vor allem deutlich, was es mit „Neu-Bayreuth“ und mit der „Werkstatt Bayreuth“ auf sich hatte. Für beide Begriffe steht der Name Wieland Wagner, beides hatte Wieland ausgefüllt, wie kein zweiter. Das begann bereits 1951, bei den ersten Festspielen nach dem Zweiten Weltkrieg, für die Wieland alle vier „Ring“-Opern und den „Parsifal“ inszeniert hatte. „Wieland Wagner wählte dazu die Grundlagen der griechischen Antike aus“, sagte Lienhart. Beispielsweise habe er Wotan in Gestalt des unvergessenen Hans Hotter als den Gott Zeus dargestellt.

Ganz konsequent und ganz entschieden habe Wieland auch im „Parsifal“ seine neue Art der Inszenierung umgesetzt. Für ihn sei Licht das gewesen, was bei Richard Wagner die Malerei war. Sein Stil habe sich auf Andeutungen erstreckt, auf imaginäre Lichtsäulen beispielsweise, aber auch auf Farbe, etwa in der Darstellung der Hofgesellschaft seines „Tannhäusers“ in rot, der Farbe der Gotik.  Wieland setzte seinen Stil fast bis zu seinem Tod 1967 fort. 1959 in seiner Bayreuther „Holländer“-Inszenierung etwa, in der 1960 die erst 20 Jahre junge Anja Silja für Leonie Rysanek eingesprungen war und ihr Debüt auf der Bühne des Festspielhauses gab. Die Inszenierung lief bis 1965, Josef Greindl als Daland habe dabei ausgesehen, als ob er einem Roman von Charles Dickens entsprungen wäre.

Immer wieder werde deutlich, dass Wieland Wagner eine sehr enge Beziehung zur Kunstgeschichte hatte, sagte Josef Lienhart. Weitere Anklänge an die griechische Tragödie machte Josef Lienhart in Wieland Wagners Bayreuther „Lohengrin“-Inszenierung aus, die er als silberne Ritterlegende mit statuarisch aufgestelltem Chor zeigte. Anja Silja als Elsa habe dabei viel weniger leidend und passiv agiert als die Elsa in allen früheren Inszenierungen.

Über Wielands Tod im Jahr 1966 hinaus seien, realisiert durch seinen langjährigen Assistenten Hans-Peter Lehmann, noch bis 1970 seine „Tristan“- und bis 1973 seine „Parsifal“-Inszenierung gezeigt worden. Doch schon 1963 habe sich Wieland in seiner „Meistersinger“-Inszenierung und später auch in seiner Stuttgarter „Lulu“-Deutung dem Neuen Realismus zugewandt. Die Festwiese sei plötzlich eine Shakespeare-Bühne gewesen, Vorbilder habe er unter anderem in Darstellungen des italienischen Renaissance-Malers Raffael gefunden. „Plötzlich fährt Wieland Wagner alles das auf, was er 15 Jahre vorher verbannt hatte“, sagte Lienhart.

Der Referent hatte 1942 als neunjähriger Bub im Freiburger Theater mit der „Walküre“ seine erste Wagner-Oper erlebt und seitdem nicht mehr von der Musik des Komponisten lassen können. 1951 besuchte der gelernte Bäcker die ersten Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon 1952 hielt er seinen ersten Vortrag über die damalige „Parsifal“-Inszenierung Wieland Wagners. Seine Vortragstätigkeit weitete Lienhart ab 1960 auf ganz Deutschland aus, ehe er 1962 zum ersten Vorsitzenden des Freiburger Richard-Wagner-Verbandes gewählt wurde.

Sein weiterer Weg in die zentrale Mitte der Wagner-Freunde führte Lienhart 1982 zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden und 1988 zum ersten Bundesvorsitzenden des Richard-Wagner-Verbandes. 1991 wurde er schließlich in Lyon zum ersten Präsidenten des Richard-Wagner-Verbandes International gewählt. Der RWVI vereinigt an die 150 Wagner-Verbände mit weltweit zusammen knapp 40000 Mitgliedern in rund 40 Ländern der Erde.

Bild: Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler konnte zu der Veranstaltung „Freunde treffen Freunde“ der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth den ehemaligen Vorsitzenden des Richard-Wagner-Verbandes International Josef Lienhart im Pianohaus Steingraeber begrüßen.

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07.08.2016

Das ist nicht jedermanns Sache / Gesellschaft der Freunde von Bayreuth: Statistenchef Martin Scholti über Nacktrollen, Castings im Fitnessstudio und Auftritte im Blaumann

Bayreuth. Hautfarbene String Tangas für Herren, Beethoven-Büsten auf Motorradhelmen und ein 56er Mercedes, der einmal Janis Joplin gehört haben soll: Die Bayreuther Festspiele sind nicht nur das Mekka aller Richard-Wagner-Fans, sondern auch eine Ansammlung an sonderbaren Begebenheiten und Kuriositäten. Einer, der dies seit vielen Jahren hautnah mitbekommt ist Martin Scholti, Leiter der Statisterie auf dem Grünen Hügel. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth berichtete der 39-jährige nicht nur aus seinem Alltag sondern gab vor allem auch zu verstehen, dass sich das Verständnis eines Statisten grundlegend verändert hat.

"Früher war ein Statist jemand, der etwas rein-, und später wieder hinausgetragen hat", sagt Scholti. Heute seien grundlegende Kenntnisse des Werks unabdingbar. Während der Statist früher auch schon mal etwas abwertend betrachtet worden sei, müsse er heute eine richtige Rolle ausfüllen. Dafür könne man Wagner auch mal von einer ganz anderen Seit kennen lernen. "Das ist absolut genial", schwärmt Scholti, der seit 2002 auf dem Grünen Hügel dabei ist und seit 2013 die Leitung der Statisterie übernommen hat. Der Statist, so sagt er, sei zwar das kleinste Rädchen, aber auch ohne das würden die Festspiele nicht laufen.

Bedarf nach Statisten haben die Festspiele immer, denn die Aufgabe sei absolut zeitaufwändig. Scholti, der bei Stäubli tätig ist, wird dazu eigens von seinem Betrieb freigestellt. Mehreren Unternehmen in Bayreuth sei die Bedeutung der Festspiele für die Region bewusst, so dass sie ihren Beschäftigten  gerne mal frei geben, wenn sie sich derart engagieren. Trotzdem sei der Kreis der infrage kommenden Personen schon sehr begrenzt. Sie kommen in der Regel alle aus Bayreuth und Umgebung. Alles andere würde sich gar nicht rechnen, sagt Scholti.

70 Statisten sind aktuell im Einsatz, davon drei Kinder für die aktuelle Parsifal-Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg. Insgesamt gebe es einen Pool von knapp 100 Leuten, aus denen Scholti im Auftrag des Regisseurs ein halbes Jahr vor Beginn der Proben die Richtigen heraussucht. Einfach sei dies nicht immer. Christoph Schlingensief habe für seine Parsifal-Inszenierung dunkelhäutige Afrikaner gewollt. Man sei daraufhin sogar in Asylbewerberunterkünfte gegangen, um sie zu finden. Auch ein Kind mit Down Syndrom habe damals mitgewirkt. Für Scholti eine gute Idee, ganz im Sinne Richard Wagners, auch "Randgruppen" zu integrieren und sie aktiv an den Festspielen teilhaben zu lassen.

Besonders schwierig sei es, Statisten für Nacktrollen zu finden. "Das ist nicht jedermanns Sache", so Scholti. Da gehe man auch schon mal, wie heuer geschehen, in die Fitnessstudios, um Ausschau nach geeigneten Bewerbern zu finden. Danach fänden nicht selten richtige Castings statt, bei denen die Bewerber auf ihre schauspielerischen Fähigkeiten getestet würden.

Viele kuriose Begebenheiten hatte Scholti schon erlebt, etwa als er in der Rheingold-Inszenierung von Tankred Dorst einen Elektriker im echten Blaumann gab. Dirigent Christian Thielemann, der nichts wusste, dass dies zur Inszenierung gehörte, habe entnervt die Probe unterbrochen und lautstark auf die Bühne gerufen: "Was willst denn du jetzt da?".

Als sich ein Kinderstatist in einer "Lohengrin"-Aufführung in der Regie von Hans Neuenfels einmal übergeben musste, hätten kurzerhand die Statisten die Regie übernommen und einen aus ihren Reihen mit Wischmob auf die Bühne geschickt. "Wir haben einfach so getan, als würde das jetzt dazugehören", sagte Scholti. Im Publikum hatte es niemand gemerkt. Überhaupt ist für Scholti Hans Neuenfels "einer der coolsten Regisseure". Seine Aussprüche füllten bereits ganze Notizbücher, unvergessen, als sich Neuenfels selbst das Rattenkostüm überwarf und über die Bühne sprang.

Die hautfarbenen Stringtangas für Herren gab es in der "Walküre"-Inszenierung von Tankred Dorst. Die Büsten berühmter Persönlichkeiten aus der Kunstgeschichte kamen in der "Meistersinger"-Inszenierung von Katharina Wagner vor. Für Martin Scholti eine der größten Herausforderungen, fast eine Stunde lang bei sengender Hitze regungslos zu stehen, nicht nur mit dem Motorradhelm auf dem Kopf, sondern auch die riesige Büste Beethovens. Aktuell ist Scholti unter anderem damit beschäftigt, in der aktuellen "Rheingold"-Inszenierung von Frank Castorf den 56er Mercedes Benz auf die Bühne zu fahren. "Ich zittere auch heute Abend wieder, dass dieses Auto anspringt", sagt er. Der amerikanische Mercedes gehört einem Gönner der Bayreuther Festspiele. Erstbesitzerin soll die 1970 verstorbene Rocklegende Janis Joplin gewesen sein.

Viele bekannte Bayreuther Persönlichkeiten sind immer wieder auch als Statisten tätig geworden. Stadtführerin Elfriede Tittlbach beispielsweise mimte eine dekadente Dame in Tankred Dorsts "Götterdämmerung", Stadtrat Stefan Müller war vor Scholti Leiter der Statisterie und Eishockey-Legende Anton Doll war der Richard Wagner in Katharinas Meistersingern.

Bild: Der Leiter der Statisterie bei den Bayreuther Festspielen Martin Scholti berichtete bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth aus seinem Festspielalltag. Mit auf dem Bild die Geschäftsführerin der Gesellschaft Ina Besser-Eichler.

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24.05.2016

4500 Ziegeln für die Fassade des weltberühmten Opernhauses / Festspielhaus: Erster Bauabschnitt der Generalsanierung ist pünktlich zum Probenbeginn auf dem Grünen Hügel fertig

Bayreuth. Fast vier Jahre lang war die Frontfassade des weltberühmten Festspielhauses in Bayreuth eingerüstet, zuletzt geschickt kaschiert durch eine riesige Plane mit einer fotorealistischen Wiedergabe. Seit wenigen Wochen ist das Haus wieder in seinem ursprünglichen Zustand sichtbar. Der erste Bauabschnitt der insgesamt rund 30 Millionen Euro teuren Generalsanierung ist punktgenau zum Probenbeginn auf dem Grünen Hügel fertig. Der letzte Feinschliff wird gerade noch vorgenommen, Fenster werden geputzt, Lampen installiert.

„Wir sind im Zeitplan und wir sind im Finanzplan“, freut sich Heinz-Dieter Sense, Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele, gleich doppelt. Ganz wichtig für die Festspielleitung: „Wir sind von Horrorszenarien verschont geblieben“. Ein Jahr lang hat der erste Bauabschnitt in Anspruch genommen, 2,5 Millionen hat die Fassade gekostet. Nun steht einer repräsentativen Auffahrt zum Festspielauftakt am 25. Juli nichts mehr im Wege. Der Betrieb auf dem Hügel läuft aber schon in diesen Tagen an. Immer mehr Mitwirkende treffen zu den Proben ein. Da wäre eine Großbaustelle ein Hindernis.

Den Auftrag für die Generalsanierung hatte Detlef Stephan vom gleichnamigen Architekturbüro in Köln bekommen. Bereits am ersten Tag nach den Festspielen 2015 sei das bisherige Schutzgerüst, das Passanten vor herab stürzenden Mauerwerk schützen sollte, abgebaut worden. Dann hätten  Begutachtungen und Bemusterungen mit Spezialisten des Denkmalschutzes und mit der Festspielleitung stattgefunden.

„Der Sandstein an dem historischen Gebäude war schon erheblich beschädigt“, sagt Stephan. Er spricht von großen Fehlstellen in den charakteristischen Ziegeln, von Nässeschäden und von Putzbrocken, die einfach herausgebrochen und herabgefallen waren und die für Spaziergänger nicht ganz ungefährlich waren. Das alles ist jetzt behoben. Sowohl Geschäftsführer Sense als auch Architekt Stephan machen keinen Hehl daraus, dass ihnen der relativ milde Winter durchaus gelegen gekommen sei. „Wir hatten gerade mal drei Ausfalltage wegen Frostes“, so der Architekt. Teilweise sei die Baustelle hinter der Fassade sogar beheizt worden.

Seit September des vergangenen Jahres seien beispielsweise sämtliche Fehlstellen herausgenommen worden, alle Fugen neu verfugt und mit Blei, statt mit Silikon ausgeschlagen worden. Ein Großteil der Putzflächen musste neu aufgebaut werden, Stahlanker in den beiden Treppentürmen seien gesetzt worden.

Um zu verdeutlichen, wie kompliziert die Arbeiten sind, erläuterte Detlef Stephan, dass sämtliche Ziegeln nummeriert und katalogisiert werden mussten. Schließlich gibt es Ziegeln für das Bayreuther Festspielhaus als eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt nicht im Baumarkt um die Ecke. Insgesamt seien rund 4500 Ziegeln neu gebrannt und ausgetauscht worden. Eine gigantische Zahl, wenn man bedenkt, dass es sich ja erst um den ersten Bauabschnitt handelt, weitere Bauabschnitte werden bis 2020, vielleicht 2021 oder gar 2022 folgen.

Nach der Südfassade stehen ab dem 29. August, einen Tag zuvor findet die letzte Aufführung der Festspiele 2016 statt, der West- und der Ostflügel des Theaters auf dem Programm. Dazu muss beispielsweise das große Bühnenhaus komplett eingerüstet werden, ehe der Zuschauerraum und die übrigen Innenräume an der Reihe sind. Wenn das alles so lange dauert, dann auch deshalb, weil für die einzelnen Gewerke europaweite Ausschreibungen notwendig sind. Europaweit bedeute auch immer Fristen, Prüfungen, Einspruchszeiten. Finanziert werden die Arbeiten durch ein Geldgeberkonsortium mit Bund und Land an der Spitze.

Bilder:
1. Die Fassade des Bayreuther Festspielhauses erstrahlt in neuem Glanz.
2. Architekt Detlef Stephan aus Köln (links) und Festspiel-Geschäftsführer Heinz Dieter Sense.
3. Der letzte Feinschliff wird noch vorgenommen, während im Inneren gerade die Proben für die Festspiele 2016 beginnen.

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22.08.2015

Festspielhaus: 30 Millionen Euro und mindestens fünf Jahre Bauzeit / Die Generalsanierung beginnt – Architekt Detlef Stephan bei Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Seit fast drei Jahren sind Teile der Fassade des Bayreuther Festspielhauses eingerüstet, geschickt kaschiert durch eine fotorealistische Wiedergabe der Originalfassade. Doch Bauarbeiter hat man bislang auf den Gerüsten noch nicht gesehen. Wann wird endlich gebaut, fragen sich viele. Antworten auf diese und viele weitere Fragen hat Detlef Stephan von dem auf historische Gebäude spezialisierten Kölner Büro „Stephan Architekten“ den Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth gegeben. Bei einer Veranstaltung in der Reihe „Freunde treffen Freunde“ relativierte der Architekt so manche Horrorszenarien, von denen man bisher ausgegangen ist. Das Haus sei in einem guten Zustand, man merke schon, dass es immer gepflegt wurde. Trotzdem komme eben auch ein Festspielhaus in die Jahre. „Wir gehen von einem Gesamtbudget von rund 30 Millionen Euro aus“, sagte die Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde Ina Besser-Eichler.

Stephans Kölner Büro hat den Auftrag für die Generalsanierung bekommen, die Schäden wurden bereits aufgenommen und dokumentiert, die Planungen laufen. Anfang September gehe es endlich los, sagte der Architekt. Das bisherige Schutzgerüst, das Passanten vor herab stürzenden Mauerwerk schützen sollte, werde abgebaut. Dann fänden Begutachtungen und Bemusterungen mit Spezialisten des Denkmalschutzes und mit der Festspielleitung statt. „Wir wollen möglichst wenig Steine austauschen“, sagt Stephan und erklärt, dass ein Teil der originalen Handstrichziegeln bereits in den 1930er und 1950er Jahren gegen Industrieziegeln ausgetauscht wurde. Auch die Fragen, was mit dem Sandsteinsockel passiert, wie mit dem markanten Fachwerk umgegangen wird und wie der Mörtel zwischen den Ziegeln wieder auf Vordermann gebracht wird, sollen möglichst schnell beantwortet werden.

„Da müssen wir ganz sensibel rangehen“, sagt der Fachmann und gibt das Ziel aus, das gewohnte Bild zu erhalten, gleichzeitig aber der Fassade und den Steinen ihren Schutz wiederzugeben. Während man bei zurückliegenden Sanierung stets das gemacht habe, was pragmatisch war und damit die Funktionalität aufrechterhalten habe, möchte man diesmal das fachlich richtige tun, auch aus Sicht des Denkmalschutzes. Mindestens 50 Jahre soll es halten.

Problem ist, dass während der Sanierung Jahr für Jahr die Festspielzeit samt Probezeit acht Wochen davor, von den Arbeiten komplett ausgespart werden muss. Deshalb setzt Stephan die Fertigstellung auch erst für das Jahr 2020 oder 2021 an. Auch 2022 habe schon irgendwo gestanden. Deshalb soll der Winter auch bei den Außenarbeiten komplett genutzt werden. Konkret sieht der Architekt ein beheizbares Baugerüst mit Plane vor, das selbst bei großem Frost die Fassade in eine konstante Temperatur von plus fünf Grad Celsius hüllt. Ansonsten würden wir vielleicht im September anfangen und müssten im schlimmsten Fall Ende Oktober schon wieder aufhören“, so der Architekt.

Bislang habe sein Büro zusammen mit der Universität Bayreuth schon aufwändige Messungen durchgeführt, um Feuchtigkeit und Temperaturen über einen längeren Zeitraum zu ermitteln. Schließlich seien außerhalb der Festspielzeit höchstens 56 Menschen in dem Haus tätig, während der Festspiele steige diese Zahl auf bis zu 860 an. Das alles habe natürlich Auswirkungen auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Auch Pläne seien bereits angefertigt worden in einer Detailgetreue, wie es sie noch nie gab.

Konkret möchte das Kölner Architekturbüro mit der Restaurierung der Südfassade beginnen, dann den West- und den Ostflügel des Theaters herrichten, ehe der Zuschauerraum und die übrigen Innenräume an der Reihe sind. Wenn das alles so lange dauert, dann auch deshalb, weil für die einzelnen Gewerke europaweite Ausschreibungen notwendig sind. Europaweit bedeute auch immer Fristen, Prüfungen, Einspruchszeiten. Trotzdem sei bereits im Herbst 2013 mit dem Geldgeberkonsortium mit Bund und Land an der Spitze eine Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet worden, die einen vorgezogenen Baubeginn ab September zulässt.

Bild: Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth und Detlef Stephan vom Kölner Architekturbüro „Stephan Architekten“.

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18.08.2015

Fanclub für Wagner und die Festspiele / Früherer HWK-Hauptgeschäftsführer ist Präsident des Richard-Wagner-Verbandes International – Problem ist der fehlende Nachwuchs

Bayreuth. Es ist der größte Fanclub der Welt mit fast 21000 Mitgliedern in 131 regionalen Verbänden: der Richard–Wagner-Verband International (RWVI), Dachverband der Wagner-Verbände von Augsburg bis Würzburg, von Montevideo bis Moskau, von Auckland bis Los Angeles und von Cape Town bis Jerusalem. An der Spitze steht von einer breiten Öffentlichkeit unbeachtet seit Mai dieses Jahres ein Mann aus Bayreuth. Horst Eggers, bis 2011 Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Oberfranken und zuletzt Schatzmeister des erst 1991 in Lyon gegründeten Dachverbandes.

„Wir sind mehr eine Holding und nicht groß operativ tätig“, sagt Eggers, der 1964 zum ersten Mal eine Aufführung im Bayreuther Festspielhaus gesehen hatte. Seine Ehefrau war damals im Festspielhaus als blaues Mädchen tätig. Obwohl die Türsteherinnen längst nicht mehr blaue Kleidung tragen, hat sich der Begriff „blaues Mädchen“ in Bayreuth eingebürgert. „Ich bin aber auch musikalisch“, sagt Eggers, der bereits mit sechs Jahren Geigenunterricht bekam und dessen Großvater Musiklehrer war.

Zweck der Wagner-Verbände ist es, für Richard Wagners Werk Interesse zu wecken und das Verständnis zu vertiefen, den künstlerischen Nachwuchs zu fördern, die auf Anregung Richard Wagners gegründete Richard-Wagner-Stipendienstiftung zu unterstützen, sich für den Erhalt der Bayreuther Festspiele einzusetzen und die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Freilich ist das alles nicht mehr ganz so einfach, denn wie viele gleichgelagerte Zusammenschlüsse leiden auch die Wagner-Verbände an Überalterung. „Unser Problem ist der Nachwuchs“, sagt Eggers und setzt deshalb verstärkt auf neue Medien. Als allererstes konnte eine neue, professionelle Website in Auftrag gegeben worden, um junge Leute überhaupt erst einmal zu erreichen.

Horst Eggers selbst war dabei völlig überraschend zu dem neuen Amt gekommen. Vorgänger Thomas Krakow aus Leipzig hatte aufgrund verschiedener Differenzen bereits nach einem Jahr das Handtuch geworfen. Eggers sei daraufhin von zehn Mitgliedern des 15-köpfigen Präsidiums gebeten worden zur Neuwahl anzutreten. „Mir ging es um eine harmonische Vereinsführung“, sagt Eggers und so erreichte er bei der außerplanmäßigen Neuwahl im Mai in Dessau als einziger Kandidat gleich zwei Drittel der Stimmen.

Als wichtigster Grundpfeiler in der Verbandsarbeit gilt die Stipendienstiftung. Diana Damrau und Jonas Kaufmann, Hildegard Behrens und Peter Hofmann, Gerd Albrecht und Christian Thielemann, sie alle und noch viele weitere international renommierte Künstler der Musikwelt haben eines gemeinsam: Sie waren alle irgendwann einmal Stipendiaten der Stipendienstiftung.

„Das ist weltweit einmalig, so etwas gibt es kein zweites Mal“, sagt Eggers. Das Geld für die angehenden Künstler kommt in erster Linie von den Richard-Wagner-Verbänden. Sie schlagen der Stiftung alljährlich geeignete Bewerber vor, die dann kostenlos die Aufführungen besuchen können und deren Reise und Unterkunftskosten bei Bedarf bezahlt werden. 250 junge Musiker und Sänger, die Hälfte davon aus Deutschland, kommen so heute alljährlich mit dem Werk Wagners in Kontakt. 30 Prozent der Solisten der aktuellen Festspiele waren früher Stipendiaten der Stipendienstiftung. Weltweit einmalig sei es auch, dass die Gründung der Richard-Wagner-Verbände auf eine Anregung des Komponisten zurückgeht. Jungen, förderungswürdigen Musikstudenten, Sängern und Instrumentalisten sollte ein Besuch der Festspiele durch die Bereitstellung der dazu erforderlichen Mittel ermöglicht werden. Wagners Idealvorstellung des kostenlosen Festspielbesuches für Jedermann hatte sich ja bekanntlich nie verwirklichen lassen.

Gegründet wurde der Richard-Wagner-Verband 1909 von der Leipziger Lehrerin Anna Held. Trotz Weltwirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit und einer schlechten wirtschaftlichen Lage hatte sich die Idee schnell durchgesetzt und der Verband wuchs ständig. Sogar während des Zweiten Weltkrieges ging die Arbeit weiter. Nach kurzzeitiger Auflösung 1945 war es schon zwei Jahre später gelungen, die Arbeit wieder aufzunehmen.

Im Gegensatz zur Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, die durch jährliche Geldspenden in Millionenhöhe die Bayreuther Festspiele direkt mitfinanzieren, sammelt der Richard Wagner-Verband Geld, um es an die Stipendienstiftung weiterzuleiten. Diese Mittel werden zum Ankauf von Festspielkarten, in Ausnahmefällen auch für Reise- und Aufenthaltskosten verwendet. Hauptkriterium für die Auswahl ist heute eine überdurchschnittliche künstlerische  Begabung (Sänger, Musiker oder sonstige Bühnenschaffende). Seit der Gründung der Stipendienstiftung sind bis heute rund 19000 Stipendiaten nach Bayreuth eingeladen worden. Weitere Aktivitäten der Verbände sind Vorträge, Symposien, Liederabend, Konzerte, Opernbesuche, ein eigener Gesangswettbewerb, ein weiterer Wettbewerb für Regie und Bühnenbild sowie der jährliche Kongress.

Bleibt noch die Frage nach Festspielkarten, deren Vergabe an die Verbände zuletzt vom Bundesrechnungshof in Frage gestellt worden war. „Unsere Mitglieder haben doch einen Anspruch darauf, schließlich setzen sie sich ehrenamtlich für Richard Wagner und sein Werk ein“, sagt Eggers. Genau aus diesem Grund hatte Wolfgang Wagner den Verbänden auch ein Kontingent in Höhe von rund zehn Prozent bereitgestellt. Zusammen mit den Geldern der Gesellschaft der Freunde erwirtschafteten die Festspiele außerdem rund 70 Prozent ihres Etats selbst, auch das dürfte weltweit einmalig sein. Nicht zuletzt deshalb rechnet Eggers damit, dass es bald wieder ein Kartenkontingent für die Richard-Wagner-Verbände geben wird. Natürlich müssen die Mitglieder die Karten bezahlen.

Zur Person:

Horst Eggers war 1967 als Referent zur Handwerkskammer gekommen. Zwei Jahre später war er bereits als Leiter der Abteilung für Finanzen, Personal und innere Verwaltung tätig. 1977, im Alter von erst 33 Jahren, wurde er von der Vollversammlung zum Geschäftsführer gewählt. Seit 1999 war er Hauptgeschäftsführer. In seine Amtszeit bei der Kammer fiel unter anderem die Fusion mit der Handwerkskammer zu Coburg.

Bild: Der frühere Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Oberfranken Horst Eggers ist Präsident des Richard-Wagner-Verbandes International.

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14.08.2015

Schon der junge Wagner konnte Ohrwürmer produzieren / Gesellschaft der Freunde von Bayreuth: Musikwissenschaftler Frank Piontek über Richard Wagners Früh- und Nebenwerke

Bayreuth. Festspielbesucher kommen in der Regel wegen der zehn großen Musikdramen Richard Wagners nach Bayreuth. Die Wesendonck-Lieder kennt man gerade noch, aber wer kennt Wagners Konzertouvertüre d-Moll, die Klaviersonaten, das Opernfragment „Die Hochzeit“, die Nicolai-Hymne, den Amerikanische Marsch oder gar die Pariser Lieder? Der Bayreuther Musikwissenschaftler und Kulturpublizist Frank Piontek hat die Früh- und Nebenwerk Richard Wagners aufgespürt. Bei einer Veranstaltung der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ stellte er seine Ergebnisse der Öffentlichkeit vor und so mancher Wagnerianer wurde dabei mit Kompositionen konfrontiert, von denen er bis dato gar nichts wusste.

Grund dafür ist: Vieles ist nie auf Schallplatte oder CD erschienen. Es gebe im Gegensatz zu fast allen anderen Komponisten nicht einmal eine Richard-Wagner-Gesamteinspielung und selbst in neueren Büchern fehlten die Hinweise auf Nebenwerke völlig, sagt Piontek. 108 Kompositionen enthalte das Wagnersche Werksverzeichnis (WWV). Insgesamt seien davon 13 verlorengegangen, zwölf unvertont geblieben, 13 seien Bearbeitungen anderer Komponisten und sieben lediglich als Fragment überliefert. Bleiben aber immer noch rund 60 Nummern, Kompositionen, die es durchaus lohnen, sich damit zu beschäftigen. Denn so Piontek, jedes Stück sei interessant und erhellend. Wenn auch nicht jede Komposition zu den stärksten gehöre, so blitze das Genie Wagner auch in den Früh- und Nebenwerken auf.

Was für Piontek aber das Entscheidende ist: In jeder Komposition Wagner klingen bereits Motive der großen Musikdramen an. Die wesentlichen Grundmotive seien vorhanden, selbst im Opernfragment „Die Hochzeit“, das Wagner als 17-Jähriger begonnen hatte. Die Tristan-Anklänge in den Wesendonck-Lieder sind bekannt, doch auch die Nicolai-Hymne als politisches Gebrauchsstück, wie es Piontek nannte, enthalte bereits ein Meistersinger-Motiv. In den Klarinetten- und Oboen der  Sinfonie C-Dur, die über weite Strecken ein einziger Beethoven-Hymnus sei, könne man schon die Sente aus dem Fliegenden Holländer hören oder in der Faust-Symphonie  Motive aus der Walküre.

Öfter gespielt würden mittlerweile die Opern, die nicht zum Bayreuther Aufführungszyklus gehören. Der Rienzi beispielsweise, oder auch die Feen und das Liebesverbot seien angekommen. Auch das überaus bedeutende Chorwerk „Das Liebesmahl der Aposteln“ werde aufgrund des engen Bezuges zur Dresdner Frauenkirche wieder gespielt.

Kaum aufgeführt würden dagegen wohl aufgrund ihrer Länge Wagners Klaviersonaten. Weil sie keinen guten Ruf haben, so Piontek. Doch stellten sie eindrucksvoll unter Beweis, dass schon der junge Wagner in der Lage war, Ohrwürmer zu produzieren. Außerdem komme man nicht an der Tatsache vorbei, dass Wagner als Instrumentalkomponist begonnen hatte und nicht etwa als Opernkomponist auf die Welt kam. Trotzdem würden viele dieser Kompositionen einfach nie gespielt. „Ich frage mich warum“, sagte Piontek und nannte beispielsweise die sorgfältig komponierter, und trotzdem nur gut eine Minute dauernde Klavierkomposition „Notenbriefchen für Mathilde Wesendonck“, die sich für viele Pianisten optimal als Zugabe eigenen würde.

Bleiben noch die Bearbeitungen, unter anderem eine Instrumentation von Gioacchino Rossini oder die umfangreiche Neueinrichtung von Christoph Willibald Glucks Meisterwerk der Reformoper „Iphigenie in Aulis“. Natürlich sei es eine Gluck-Komposition geblieben, wenn auch mit Lohengrin-Anklängen, die vieles über den Dresdner Kapellmeister Richard Wagner verrät.

Unter dem Motto „Freunde treffen Freunde“ veranstaltet die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth am Samstag, 22. August um 10.30 Uhr eine weitere Gesprächsmatinee, Gast ist Detlef Stephan vom Kölner Planungsbüro Stephan-Architekten sein, der über die Generalsanierung des Festspielhauses sprechen wird.

Bild: Der Bayreuther Musikwissenschaftler Frank Piontek und Ina Besser-Eichler, die Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.

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07.08.2015

Beruf und Berufung zwischen Schein und Sein / Tristan-Bühnenbildner Matthias Lippert bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Zwei Namen stehen für das Bühnenbild auf dem Programmzettel der diesjährigen Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ durch Festspielleiterin Katharina Wagner: der von Frank Philipp Schlößmann und der von Matthias Lippert. Letzterer wurde in Hof geboren und ist in der Region aufgewachsen. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freund von Bayreuth in der Pianomanufaktur Steingraeber plauderte Lippert über das Bühnenbild, gewährte einen Blick hinter die Kulissen und erzählte von seinem Werdegang und seinem Bezug zum Werk Richard Wagners.

Das Schlüsselerlebnis datiert Matthias Lippert auf das Jahr 1985. Damals habe er in Bayreuth den Fliegenden Holländer in der Inszenierung von Harry Kupfer gesehen, seitdem hätten ihn Richard Wagner und Bayreuth nicht mehr losgelassen. „Es gab einfach nur mehr Bayreuth, Bayreuth, Bayreuth“, sagt Lippert.

Zunächst studierte er Opernregie bei August Everding in München, arbeitete an zahlreichen Produktionen im Münchner Nationaltheater mit und lernte so die gesamte Bühnenmaschinerie kennen. Nach zwei Jahren brach er das Münchner Studium ab und machte mit dem Fach Theatertechnik an der Technischen Fachhochschule Berlin weiter. Nach seinem Abschluss war er von 1998 bis 2001 als technischer Produktionsleiter am Nationaltheater in Mannheim tätig und betreute dort zunächst eine „Lohengrin“-Inszenierung, im Jahr 2000 den „Ring des Nibelungen“.

2001 habe sich dann die Chance ergeben, bei den Festspielen in Bayreuth zu arbeiten. Sein Einstieg sei die Mitarbeit am „Tannhäuser“ in der Inszenierung von Philippe Arlaud gewesen, es folgten unter anderem der „Ring“ in der Produktion von Tankred Dorst, der „Parsifal“ in der Inszenierung von Stefan Herheim, „Tristan und Isolde“ von Christoph Marthaler sowie der umstrittene „Parsifal“ von Christoph Schlingensief. Seit 2008 ist Matthias Lippert als freiberuflicher Konstrukteur sowie als Videokünstler und Bühnenbildner tätig, ein „Beruf und eine Berufung im Spannungsfeld zwischen Schein und Sein“, wie es ein Besucher der Veranstaltung später formuliert.

Im Wagnerjahr 2013 hatte er unter anderem im Auftrag der Festspiele das Bühnenbild zu Rienzi in der Bayreuther Oberfrankenhalle entworfen. „Katharina Wagner hat einfach jemand gesucht, der aus der Turnhalle ein Opernhaus macht“, so Lippert, der zusätzlich die gesamte Projektplanung bei den Aufführungen der Frühwerke Wagners in der Oberfrankenhalle übernahm. Schon damals sei klar gewesen, dass er am Bühnenbild für den Tristan 2015 entscheidend mitwirken werde. „Man habe jemanden gebraucht, der weiß, was realisierbar ist, und was nicht.“

Lippert spricht von einem „unglaublichen baulichen Aufwand“, bereits im Herbst 2013 hätten die Werkstätten des Festspielhauses mit der Umsetzung seiner Pläne begonnen. Allein die Realisierung des Bühnenbildes für den ersten Akt habe aufgrund der hohen technischen Anforderungen fast ein Jahr gedauert, ebenso der dritte Akt, bei dem hinter den Kulissen ständig gebaut wird, während der Zuschauer von vorne nur „Standbilder“ sieht. Bescheiden nimmt sich Lippert dabei zurück und bezeichnete Frank Philipp Schlößmann als den gestaltenden Kopf

Im Gespräch wird aber auch deutlich, dass die entscheidenden Impulse für das gesamte Bild des dritten Aktes von Matthias Lippert ausgegangen waren. Er spricht von Tristans Trugbildern, die verschwinden und doch immer wieder auftauchen, was technisch eine ungemeine Herausforderung ist. Nicht weniger kompliziert ist das Treppengewirr des ersten Aufzugs, das Lippert als gesteuerten Irrgarten bezeichnet. Noch immer ist er beeindruckt, wozu die Bühnenmaschinerie fähig war und er schwärmt von den Sängern, die das unglaubliche Talent hätten, sich Bühne und Raum anzueignen.

Matthias Lippert hat noch einen ganz anderen Bezug zu Bayreuth. Sein um fünf Jahre älterer Bruder Michael Lippert, ebenfalls in Hof geboren, ist seit 2006 Dekanatskantor und Kirchenmusiker an der Ordenskirche St. Georgen. Michael Lippert hat sich auch als Komponist einen Namen gemacht, seine kirchenmusikalischen Werke (unter anderem „Der 4. König“ und „Der Mönch am Meer““) wurde alle in der Ordenskirche aufgeführt. Bruder Matthias hatte dazu  aufwendige Lichtstimmungen visualisiert und Videosequenzen beigesteuert.

Unter dem Motto „Freunde treffen Freunde“ veranstaltet die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth am 14. August einen Vortrag mit dem Musikwissenschaftler und Publizisten Frank Piontek zu Richard Wagners Nebenwerken sowie am Samstag 22. August eine Gesprächsmatinee mit Detlef Stephan zur Generalsanierung des Festspielhauses.

Bild: Im Umfeld des Pianomanufaktur Steingraeber sprach Bühnenbildner Matthias Lippert über seine Arbeit im Festspielhaus. Mit dabei Vorstand Wolfgang Wagner von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth (links) und Udo Schmidt-Steingraeber.

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25.07.2015

Premierenfeier ohne Katharina Wagner, Horst Seehofer und ohne das Ensemble / Promi-Auflauf startete Wagner-Sommer in Bayreuth

Bayreuth. Mit einer Neuinszenierung der Oper „Tristan und Isolde“ von Komponisten-Urenkelin und Festspielchefin Katharina  Wagner sind am Samstag in Bayreuth die 104. Richard-Wagner-Festspiele eröffnet worden. Dirigent ist in diesem Jahr der neu ernannte Musikdirektor Christian Thielemann, die beiden Titelfiguren des Liebesdramas werden von Stephan Gould und Evelyn Herlitzius verkörpert. Bühnenbildner sind Frank Philipp Schlössmann und der gebürtige Hofer Matthias Lippert.

Irritationen gab es beim abendlichen Staatsempfang im markgräflichen Neuen Schloss. Ministerpräsident Horst Seehofer fehlte zum ersten Mal während seiner Amtszeit. Angeblich soll er das Festspielhaus bereits während des dritten Aktes aus gesundheitlichen Gründen verlassen haben. Was genau dahinter steckt, wusste niemand, schon in den Pausen war er nicht zu sehen. Eine offizielle Stellungnahme war nicht zu bekommen. Eine kurze Begrüßung nahm lediglich Staatskanzleichef Marcel Huber vor.

Doch nicht nur Ministerpräsident Seehofer fehlte bei der Premierenfeier auf das gesamte Ensemble samt Festspielleiterin und Tristan-Regisseurin Katharina Wagner blieb dem Empfang fern. Angeblich musste noch für eine TV-Aufzeichnung nachgearbeitet werden. Statt Katharina kam Co-Festspielleiterin und Halbschwester Eva Wagner-Pasquier mit ihrem Mann, dem Filmproduzenten Yves Pasquier und Sohn Antoine Amadeus Pasquier, um sich kurz bei allen zu bedanken und einen Blumenstrauß aus den Händen des Staatskanzleichefs entgegen zu nehmen. Für Eva Wagner-Pasquier ist es die letzte Spielzeit, sie steigt im September als Festspieleiterin aus

Noch bevor am Nachmittag die ersten Töne im Innern des Festspielhauses erklangen, gab es das traditionelle Schaulaufen auf dem Roten Teppich vor dem Festspielhaus und auch hier ließ sich Festspielleiterin Katharina nicht blicken. Immerhin Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm sich wieder eine politische Auszeit, um zusammen mit ihrem Mann Joachim Sauer der Tristan zu erleben. Die Kanzlerin gehört bereits seit vielen Jahren zu den treuen Festspielgästen. Diesmal kam sie mit einem VW-Bus. Merkel trug einen hellblauen Zweiteiler.

Was Merkel wahrscheinlich nicht sah, ist, dass das Festspielhaus noch immer eingerüstet ist, denn großformatige Planen, die den Originalzustand des Theaters abbilden, kaschieren das bereits im dritten Jahr aufgebaute Gerüst, auf dem wegen ungeklärter Finanzierungspläne noch immer kein einziger Bauarbeiter zu sehen war.

Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und ihr Mann Thomas Erbe konnten vor dem (nicht eingerüsteten) Königsportal die mehr oder weniger prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur begrüßen. Merk-Erbe trug ein schwarzes Kleid mit silbernen Glitzerpailletten, dazu die Amtskette der Stadt. Unter den Gästen waren unter anderem Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Präsident der Slowakischen Republik, Andrej Kiska, die Bundeskulturbeauftragte Monika Grütters, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Auch der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher kam wieder auf den Grünen Hügel.

Die bayerische Landespolitik zeigt bei der Festspielpremiere Flagge: Neben Ministerpräsident Seehofer und seinem Vorgänger Günther Beckstein kamen Staatskanzleichef Huber, Justizminister  Winfried Bausback, Kulturminister Ludwig Spaenle, Finanzminister Markus Söder und Umweltministerin Ulrike Scharf. Während Söder am meisten Applaus bekam gab es für Seehofer sogar vereinzelte Buhrufe. Söder wusste sich dagegen einmal mehr geschickt zu inszenieren, machte zunächst ein Selfie von sich und seiner Frau Karin mit Publikum, dann mit dem Festspielhaus im Hintergrund, später schreibt er vergnügt Autogramme.

Auch die Schar der sonstigen Premierengäste wies einige prominente Namen auf: Fürstin Gloria von Thurn und Taxis sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler Michaela May, Andrea Kathrin Loewig, Harald Krassnitzer mit seiner Ehefrau Ann-Kathrin Kramer sowie Thomas Gottschalk, die Sopranistin Eva Lind sowie die beiden ehemaligen Skirennläufer Rosi Mittermeier und Christian Neureuther.

Neben Tristan und Isolde stehen in diesem Jahr die Opern „Lohengrin“, „Der fliegende Holländer“ und „Der Ring des Nibelungen“ mit den vier Bühnenwerken „Rheingold“, „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ in der umstrittenen Inszenierung von Frank Castorf aus dem Jahr 2013 auf dem Programm. Dirigenten sind heuer neben Christian Thielemann der Franzose Alain Altinoglu („Lohengrin“), Kirill Petrenko („Ring“) und Axel Kober („Holländer“).

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24./26.07.2015

Wo mein Wähnen Frieden fand … / Drei Jahre Bauzeit, 20 Millionen Euro Kosten und jede Menge Ärger: Wagner Künstlervilla erstrahlt wieder in neuem Glanz

Bayreuth. Nach einer rund drei Jahre andauernden Generalsanierung wird am Sonntag Richard Wagners ehemalige Künstlervilla „Wahnfried“ wiedereröffnet. Mit einer Investition von 20 Millionen Euro präsentiert sich das seit 1976 bestehende Museum mit einem Erweiterungsbau und drei thematisch unterschiedlichen Dauerausstellungen vollständig neu, wobei sich die Ausstellungsfläche verdoppelt hat.

Die Finanzierung des ehrgeizigen Projekts stelle während der vergangenen Jahre das größte Problem dar. Tatsächlich mussten die Gesamtkosten der Renovierung, des Umbaus, teilweisen Neubaus und der kompletten Neugestaltung innen wie außen mehrfach korrigiert werden, und zwar nach oben. Noch im April 2012 war man bei knapp 15 Millionen Euro, bei der Grundsteinlegung im Juli 2013 war dann von 17 Millionen die Rede, nun werden die Kosten mit 20 Millionen angegeben. Dazu kommt, dass die Frage der Finanzierung der nach Sanierung und Neubau zwangsläufig höheren Betriebs- und Folgekosten lange Zeit ungeklärt war.

Was mit dem Geld alles gemacht wurde, das erläuterte der Berliner Architekt Volker Stab vorab bei einem Presserundgang. Beispielsweise wurde ein schicker gläserner Neubau an der Grundstücksgrenze errichtet, der jede Menge Platz für Sonderausstellungen bietet und in einem unterirdischen Geschoss die Geschichte der Festspiele aufzeigt. Mit rund 60 historischen Bühnenbildmodellen, vielen Original-Kostümen vergangener Inszenierungen, mehreren Hörstationen und einem Medienraum ist das Museum auf den modernsten Stand gebracht worden. Das von Richard Wagner selbst konzipierte Haupthaus wurde während der Bauarbeiten praktisch komplett entkernt.

So richtig original war dort ohnehin nichts mehr, sagt Museumschef Sven Friedrich. Spätestens seit dem 5. April 1945 als das Haus durch einen Bombentreffer nahezu vollständig zerstört wurde. Aber auch Einrichtung und Ausstattung des Museums sind seit seiner Eröffnung 1976 unverändert geblieben, neue museumsdidaktische Ansätze fanden keinerlei Berücksichtigung. Das soll sich jetzt alles ändern. Wie das gelingen kann, wissen die Museumsgestalter. Da gibt es Original-Partituren, ein Handschriftenkabinett, Original-Hüte und Stiefel von Richard und einen Fächer von Cosima.

Das Erdgeschoss eröffnet dabei einen vollständigen Einblick in die Zeit um 1880 und die Lebenswelt Richard Wagners. Viele Freunde und berühmte Persönlichkeiten waren hier zu Gast. Dokumente aus der Handschriften- und Grafiksammlung des Nationalarchivs werden im Zwischengeschoss in wechselnden Ausstellungen präsentiert. Der Erweiterungsbau widmet sich indes ganz der Aufführungsgeschichte der Bayreuther Festspiele.

Im benachbarten Siegfried-Wagner-Haus, der Wohnstätte von Richards Sohn Siegfried und dessen Frau Winifred steht schließlich Hitlers Bayreuth im Mittelpunkt. Im Original-Interieur soll es dabei auf multimediafähigen Bildschirmen unter anderem um Wagners Antisemitismus, um Friedrich Nietzsche, Thomas Mann, Theodor W. Adorno und nicht zuletzt um die heutige Auseinandersetzung mit dem Werk Richard Wagners, etwa in Israel, gehen.

Zum ersten Mal werden die Räume nahezu komplett für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sagte Museumsleiter Friedrich. Hier wird dargestellt, welche Beziehungen die Familie Wagner zu den Nationalsozialisten und zu Adolf Hitler persönlich unterhielt. Das gesamte Museumsensemble erstreckt sich von der Richard-Wagner-Straße über die Allee zum Haus Wahnfried, links das Siegfried-Wagner-Haus und rechts der Museumsneubau mit unterirdischem Depot, Kino, Sonderausstellungsfläche, Museumsshop und Cafeteria.

Am Ende des Gartens zum Hofgarten befindet sich außerdem das Grab von Richard und Cosima Wagner. In unmittelbarer Nachbarschaft steht an der Wahnfriedstraße auch das Sterbehaus von Richard Wagners Schwiegervater Franz Liszt, das ebenfalls ein Museum beherbergt.

Von einem zeitgemäßen, attraktiven Museum sprach der oberfränkische Regierungspräsident Wilhelm Wenning. Er ist Vorstandsvorsitzender der Richard-Wagner-Stiftung, die das Museum betreibt. Eigentümer ist die Stadt Bayreuth. Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe sprach von einem Projekt mit internationaler Bedeutung. Ihren Worten zufolge hat die Stadt zu den 20 Millionen sieben Millionen beigesteuert. Museumsleiter Sven Friedrich zufolge gleicht das Museum einem Eisberg, denn sieben Achtel des gesamten Museums seien künftig unterirdisch angelegt, nur ein Achtel sei oberirdisch zu sehen. Auch von der Technik schwärmte Friedrich, die sei durchaus mit der von Raumschiff Enterprise zu vergleichen.

Der Saal des Hauses Wahnfried wird während der Festspielzeit für Konzerte genutzt, wobei unter anderem am Steinway-Flügel Richard Wagners musiziert wird. Termine: 3., 6., 8., 13., 17., 19., 21., 23. und 25. August.

Bilder:
1. Ein Modell des Festspielhauses aus dem Privatbesitz von Wolfgang Wagner begrüßt den Besucher im Untergeschoss des Museumsneubaus.
2. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten präsentiert sich das Haus Wahnfried wieder freigestellt, so wie es Richard Wagner konzipiert hatte. Links versteckt sich der gläserne einstöckige Neubau.
 

3. Zahlreiche Kostüme aus längst vergangenen Inszenierungen sind im Museumsneubau zu sehen.
4. Mit einer Sonderausstellung über die Geschichte des Hauses Wahnfried wurde das Richard-Wagner-Museum wieder eröffnet.
5. Richard Wagner Kompositionsklavier ist im Rahmen einer Sonderausstellung zu sehen.
6. Im und um das Haus Wahnfried herum haben auch zwei Tage vor der Eröffnung noch immer die Bauarbeiter das Sagen.
 

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23.08.2014

Öl als Fanal der Freiheit / Regieassistent Patric Seibert spricht bei den „Freunden“ über Frank Castorf, Rock´n Roll und den Ring

Bayreuth. „Das Öl und das verfluchte Gold haben etwas miteinander zu tun: jeder möchte es haben, aber es macht unsere Welt kaputt.“ So erklärt Patric Seibert, Dramaturg, Schauspieler und Regieassistent aus Berlin, Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ und die aktuelle Inszenierung durch den Intendanten der Berliner Volksbühne Franz Castorf.

Der Mann , der in Novosibirsk Musiktheaterregie studiert hat und ab der kommenden Spielzeit leitender Dramaturg in Meiningen wird, ist nicht nur ein wichtiger Mitarbeiter des Ring-Regisseurs, er tritt auch als stummer Schauspieler auf, etwa im „Rheingold“ als Barkeeper oder in der „Walküre“ als Arbeiter. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth sprach er über die Inszenierung, über seine Arbeit in Bayreuth und über Frank Castorf. Der sei eher „Rock n Roller“, als regelmäßiger Opern-Gänger. Was den Ring angeht, so habe Castorf stets engen Kontakt zum Dirigenten Kirill Petrenko gesucht und vieles mit ihm gemeinsam gelöst. Spannungen zwischen den beiden gebe es nicht, versicherte Seibert.

Seine Rolle als stummer Schauspieler sei nicht geplant gewesen und habe sich so ergeben. Die Rolle passe aber genau in den Ansatz von Frank Castorf, keine festgelegte lineare Erzählung zu zeigen, sondern eine Art Collage. Wichtig seien dem Regisseur Binnenhandlungen und so stelle er eben einen Normalbürger dar, eine Figur, die immer mit dabei ist und in der sich alles immer auch ein wenig spiegelt. „Unser privates Leben geht ja weiter, auch dann, wenn Putin und Obama Weltgeschichte verhandeln“, sagt Seibert und so spiele er einen ganz normalen Menschen, in dem sich die gesellschaftlichen Verhältnisse spiegeln.

Dazu gehört auch das blutige Ende dieses Normalbürgers. Trotzdem lässt Patric Seibert keine Kritik gelten, in der es heißt, die Castorf-Inszenierung sei zu brutal. „Der Ring ist eben ein relativ grausames Märchen mit sehr viel Gewalt“, ist er überzeugt. Auch Frauenfeindlichkeit will Seibert in der Castorf-Inszenierung nicht erkennen. „Die Frauen sehen alle sehr gut aus“, sagt er. Außerdem sei Frank Castorf doch ein großer Frauenfreund.

Einzelne Bilder aus der Inszenierung Castorfs zu deuten, das überließ Patric Seibert lieber der Fantasie eines jeden Zuschauers. Lediglich die große Linie machte er an einigen Punkten fest, etwa an den Zeiten während der 1960er und 1970er Jahre, in denen Öl tatsächlich Freiheit bedeutet hat. Vor allem für DDR-Bürger. „Man wollte nicht nach Castrop-Rauxel, man wollte auf die Route 66“, so Seibert. Öl sei dabei das „Fanal der Freiheit“ gewesen.

Ein anderes Symbol der Freiheit sei der Mount-Rushmore-Felsen, mit den Köpfen von Lenin, Stalin, Marx und Mao statt der vier US-Präsidenten. Hier soll die marxistisch-leninistische Theorie dem Alexanderplatz als sozialistische Realität im „Land der Plaste“ gegenübergestellt werden. Am Schluss sei dann die New Yorker Börse zu sehen, in der nicht mehr das Produkt zählt, sondern der Aktienkurs als Kurve auf dem Papier.

Patric Seibert verrät am Ende auch, dass man gerne mehr mit Tieren auf der Bühne gearbeitet hätte, Pferde, Widder, Raben, eben alles was so bei Wagner vorkommt. Dabei sei man allerdings an den strengen veterinärrechtlichen Vorschriften gescheitert. „Tiere auf der Bühne, das ist tatsächlich nicht mehr zu machen“, sagt Seibert. Und auch den ursprünglichen Plan, den „Ring“ mit der „Götterdämmerung“ zu beginnen, habe man sehr früh wieder fallen lassen müssen. „Es gibt Dinge, die man mit dem Haus machen kann und einige, die man nicht machen kann. Die Einbeziehung des Festspielparks in die Aufführung oder der Beginn mit der Götterdämmerung gehörten zur zweiten Kategorie. Trotzdem schwärmt Patric Seibert in höchsten Tönen von Bayreuth und seinen Möglichkeiten: Hier gebe es einen Etat und hier gebe es die Möglichkeit, beispielsweise Bühnenbilder zu realisieren, wie nirgendwo anders. Seibert: „Hier ist es noch möglich, aus dem Vollen zu schöpfen.“

Bild: Plaudern bei Freunden: Regieassistent Patric Seibert und Ina Besser-Eichler, die Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde Bayreuths.

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17.08.2014

Vom Papier auf die Bühne: Magneten statt Knöpfe und Jersey statt Neopren / Monika Gora ist seit fünf Jahren Ausstattungsleiterin der Bayreuther Festspiele

Bayreuth. Sie ist eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen auf dem Grünen Hügel, eine, die das ganze Jahr über im Festspielhaus tätig ist, und die dafür sorgt, dass es jede Produktion vom Papier auf die Bühne schafft: Monika Gora, Ausstattungsleiterin und damit für Kostüm, Maske und Requisite zuständig. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth plauderte die gebürtige Landshuterin aus dem Nähkästchen und verriet, dass das Waldvogelkostüm über 13 Kilogramm schwer ist, und dass Stöckelschuhe auf der Bühne kein Thema sind. Grund dafür ist die Sorge, dass Sängerinnen irgendwo im Bühnenboden oder im Bühnenbild stecken bleiben könnten. „Sänger und Sängerinnen benötigen generell Bodenhaftung“, so die Chefin der Ausstattung.  

„Man lernt stets was Neues dazu, deshalb ist der Beruf so interessant“, sagt Monika Gora. Sie mag es, mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert zu sein, und deren gibt es auf dem Grünen Hügel wahrlich genug. Die Ratten-Kostümen aus der aktuellen Lohengrin-Inszenierung von Hans Neuenfels waren so eine Herausforderung. Man habe zwei lang Jahre getüftelt, ehe die neoprenartigen Kostüme, die in Wirklichkeit aus einem ganz besonders feinen Jersey-Stoff sind, mit viel Liebe zum Detail realisiert wurden. Was viele nicht wissen, die leuchtenden Augen sind eine Spezialanfertigung aus China, die mit Batterien betrieben werden. Weil die Batterien aber nur jeweils einen Aufzug halten, müssen sie in den Pausen komplett ausgetauscht werden.

Als Ausstattungsleiterin steht die studierte Kostüm- und Bühnenbildnerin einem Heer von 30 Schneidern aus dem In- und Ausland, vier Gewandmeistern, Garderobieren, Maskenbildnern und sechs Leuten in der Requisite vor. Sie hat es freilich nicht nur mit der schönen Kunst zu tun, sondern auch mit dem Schreiben von Dienstplänen oder mit der Verwaltung eines bestimmten Budgets, das jede Produktion hat. Manchmal aber auch mit ganz praktischen Dingen: So sind die Knöpfe der meisten Kostüme nur Attrappen. Auch Reißverschlüsse sind selten und nur bei Solisten  mit viel Aktion im Einsatz. Weil Klettverschlüsse nicht immer lautlos sind, schließen die meisten Kostüme mit eingebauten Magneten. So ist es dann auch möglich, 76 „Herrenratten“  in nur zehn Minuten umzukleiden.

Eine der größten Herausforderungen auf jeder Theaterbühne ist es nach den Worten von Monika Gora immer dann, wenn der Regisseur Blut sehen will. „Es gibt nur eine einzige Firma, die Rote-Beete-Saft produziert, der auch wieder rausgeht“, sagt sie. Je nachdem, wie lange das „Blut“ an Kostümen oder Bühnenbildern anhaften muss, wird der Rote-Beete-Saft verdickt oder verdünnt. Die eigentliche Arbeit hat dann eine Bayreuther Wäscherei, die den Großteil der Kostüme reinigt. Bis auf wenige Ausnahmen: Die Kostüme der Nornen im ersten Aufzug der Götterdämmerung werden sofort nach dem Auftritt wieder gewaschen, so dass die Nornen nach dem Aufzug bereits in gesäuberten Kostümen vor dem Vorhang kommen können.

Am meisten beschäftigt ist regelmäßig auch die Abteilung Requisite: Aus Brandschutzgründen müssen Strohballen auf der Bühne imprägniert sein, echtes Glas darf wegen der hohen Verletzungsgefahr nicht verwendet werden und Messer müssen deshalb auch immer stumpf sein.

Größte Herausforderung in ihrer mittlerweile fünfjährigen Tätigkeit war die Lohengrin-Inszenierung von Hans Neuenfels, die Inszenierung, in der die Rattenkostüme eine tragende Rolle spielten. „Der Lohengrin ist schon ein Wahnsinnsprojekt, sagt sie. Die Inszenierung habe die gesamte Kostümabteilung zusammengeschweißt. Aber auch mit der aktuellen Ring-Produktion des Regisseurs Franz Castorf  sei die Abteilung gut beschäftigt und gleich nach der Veranstaltung geht es für Monika Gora wieder ins Festspielhaus, wo bereits über die Neuproduktion des Tristan 2015 diskutiert wird, ehe wieder der Lohengrin auf dem Spielplan steht.

Zur Person:

Die gebürtige Landshuterin Monika Gora studierte von 1989 bis 1993 am Mozarteum in Salzburg Bühnen- und Kostümbild. Zwischen 1993-95 war sie Bühnenbildassistentin am Schauspiel Essen, von 1995 bis 2007 arbeitet sie als freie Bühnen- und Kostümbildnerin unter anderem an den Theatern in Lübeck, Oldenburg, Braunschweig, Mainz, Darmstadt, Bielefeld, Konstanz, Gießen, Oberhausen, Kaiserslautern, der Oper in Erfurt, dem Schauspiel in Essen, den Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach und den Freilichtspielen Schwäbisch-Hall. Insgesamt zeichnet sie für rund 150 Bühnen-, beziehungsweise Kostümbilder verantwortlich. Von 2007 – 2010 war Monika Gora Ausstattungsleiterin am Theater Bremen, seit 2010 ist sie Ausstattungsleiterin bei den Bayreuther Festspielen.

Bilder:
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„Es gibt ständig neue Herausforderungen“: Monika Gora, Ausstattungsleiterin der Bayreuther Festspiele.
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 Die Ausstattungsleiterin der Bayreuther Festspiele Monika Gora und Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V. mit einem Rattenkostüm aus der aktuellen Lohengrin-Produktion.

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03.08.2014

Großes Kino mit Richard Wagner / Von “Apocalypse now” bis zum Radeberger Pilsener: Wagners Musik in Film und Fernsehen – Kulturwissenschaftlerin Stephanie Großmann bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Charlie Chaplins “Der große Diktator”, Francis Ford Coppolas „Apocalypse now“ oder Lars von Triers “Melancholia”: All diese Spielfilme nutzen die Musik Richard Wagners. „Vor allem die Amerikaner bemächtigen sich seit den 1940er Jahren kontinuierlich der Kompositionen Wagners“, sagt Stephanie Großmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Passau. Die Kulturwirtin hatte „Richard Wagner als Filmkomponist“ genauer unter die Lupe genommen und stellte die Ergebnisse bei einer Veranstaltung der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ in der Klaviermanufaktur Steingraeber vor. Die Wissenschaftlerin war dabei unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass fast alle Filmregisseure, die sich Richard Wagners bedienen, ganz gezielt auf die Wirkung seiner Musik setzen und dabei nichts dem Zufall überlassen.

Im Gegensatz zu Mozarts Zauberflöte etwa enden Wagners Musikdramen immer in der Apocalypse. Genauso wie die Filme, in denen sich Wagners Musik wiederfindet: Das sei bereits 1915 so gewesen, als der US-Amerikanische Regisseur David Wark Griffith seinen Historienfilm „The Birth of a nation“ mit dem Walkürenritt unterlegte. Der Stummfilm gilt in Amerika noch heute als Kultfilm. Viele Jahre später war es Francis Ford Coppola, der in seinen Antikriegsfilm „Apocalypse now“ einen Hubschrauberangriff der Luftkavallerie auf ein vietnamesisches Dorf zu den Klängen des Walkürenritts inszenierte.

Selbst wer Wagner „Walküre“ nie gesehen hart, wird den Walkürenritt aus dem Film kennen. Stephanie Großmann sprach von einer paradox anmutenden Verbindung zwischen den leichten, flirrenden Holzbläserklängen auf der einen Seite und den schweren Tönen der Blechblasinstrumente auf der anderen Seite. Musik, und ganz besonders die Richard Wagners, habe die Fähigkeit, Gefühle innerhalb kürzester Zeit zu beeinflussen, sagte die Referentin. So auch in der extrem brutalen und menschenverachtenden Szene von Apocalypse now“, in der die Musik verhindere, dass man sich wirklich vom Geschehen auf der Leinwand distanzieren könne.

Ähnlich ist es in Lars von Triers Endzeitfilm „Melancholia“ aus dem Jahr 2011, in dem das Filmende aufgrund einer Kollision zwischen der Erde und einem anderem Planeten gleichzeitig das Ende der Welt ist. Als Musik dazu hatte Lars von Trier den Liebestod aus „Tristan und Isolde“ ausgewählt. Als weiteres Beispiel hatte Stephanie Großmann das deutsch-amerikanische Filmdrama „Ein Leben für ein Leben“ ausgewählt, indem die Traumatisierung durch  den Holocaust zum Thema gemacht und mit der Tannhäuser-Ouvertüre unterlegt wird. Bekanntestes Beispiel für die Verwendung der Musik Richard Wagners im Spielfilm ist sicher der US-amerikanische Fantasy-Film „Excalibur“ von John Boormann, der die König-Artus-Legende zum Inhalt hat. Hier hatte sich der Regisseur gleich aus drei verschiedenen Wagner-Opern bedient. So erklingen der Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“, das Tristan-Motiv aus „Tristan und Isolde“ sowie das Abendmahlsmotiv aus „Parsifal“. Der soghaften Wirkung der Musik Richard Wagners könne man sich in keinem der Filme entziehen, so die Referentin.

Freilich muss die Musik Richard Wagners nicht immer gleich ein Missbrauch des Zuschauers sein. Als das am häufigsten verwendete Zitat Richard Wagners bezeichnete Stephanie Großmann den Hochzeitsmarsch, beziehungsweise den Brautchor aus der Oper „Lohengrin“. Etwa in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ hatte sich Hollywood zuletzt 1994 daran bedient. Den meisten Rezipienten werde es gar nicht bewusst sein, dass sie da gerade Richard Wagner hören. Genauso wie in einem überaus kuriosen, aber dennoch sinnigem Beispiel: einem Werbespot für Radeberger Pilsener. Unterlegt vom Chor aus dem 2. Aufzug „Tannhäuser“, in dem der Thüringer Landgraf gerühmt wird, sind der sächsische Gerstensaft und die Dresdner Semperoper zu sehen. Einen echten Sinnzusammenhang zwischen Bild und Musik gebe es doch, denn die Uraufführung des „Tannhäuser“ fand tatsächlich 1845 in der heutigen Semperoper statt.

Weitere Vortragsveranstaltungen der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth finden am 17. August und am 23. August jeweils um 10.30 Uhr im Kammermusiksaal der Pianomanufaktur Steingraeber in Bayreuth, Friedrichstraße 2, statt. Am 17. August wird Monika Gora, Ausstattungsleiterin der Festspiele über Kostüm, Maske und Requisite sprechen und am 23. August referiert der Dramaturg, Schauspieler und Regieassistent Patric Seibert über Frank Castorfs aktuelle „Ring“-Inszenierung. Der Eintritt ist (auch für Nichtmitglieder) frei.

Bild: Vorstandsmitglied Wolfgang Wagner von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Stephanie Großmann von der Universität Passau und Udo Schmidt-Steingraeber von der Pianomanufaktur Steingraeber und Söhne (von links).

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26.07.2014

Kultur als Zeichen von Humanität / Plädoyer für Bayreuth: Staatsministerin Monika Grütters beim 11. Bayreuther Kulturgespräch

Bayreuth/Eckersdorf. Der Bund steht zu Bayreuth und seinen Festspielen. Das hat die Bundeskulturbeauftragte Monika Grütters beim Bayreuther Kulturgespräch im Schloss Fantaisie in Eckersdorf  bekräftigt. So würden die Festspiele in diesem Jahr mit 2,3 Millionen Euro bezuschusst, rund zehn Millionen Euro seien für die Sanierung des Festspielhauses bereitgestellt und mit weiteren 3,5 Millionen fördere der Bund die grundlegende Renovierung von Richard Wagners ehemaliger Künstlervilla Haus Wahnfried.

„Die Bayreuther Festspiele sind ein Aushängeschild für die Kulturnation Deutschland“, sagte Grütters. Und das sei auch gut so, denn durch Kultur zeigt ein Land Größe. Deshalb seien die Freiheit von Kultur und Wissenschaft in keinem anderen Land der Erde so prominent in der Verfassung platziert worden, wie in Deutschland.

Deutschland sei auch das Land mit den meisten Bühnen (fast 900) und den meisten Opernhäusern (fast 100). Das sei das kulturelle Erbe der Nation, das aus der Zersplitterung Deutschlands in viele Kleinstaaten während der zurückliegenden Jahrhunderte hervorgegangen war. Deshalb habe es dieses Erbe auch verdient, gepflegt zu werden. Dazu gehöre auch, dass pro Jahr über 90000 Bücher neu veröffentlicht werden und dass 110 Millionen Menschen die deutschen Museum im Jahr besuchen, immerhin zehnmal so viel wie alle Bundesligaspieler zusammen pro Jahr verzeichnen können.

Damit sei die Kultur auch ein ganz wichtiger Standortfaktor. Und nicht nur das: Länder, die ihre Kultur pflegen und hochhalten, zeichneten sich in der Regel auch durch Humanität aus, damit sei die Kultur auch Ausdruck von Humanität. Monika Grütters: „Nicht nur deshalb seien Kulturausgaben keine Subventionen sondern Investitionen in die Zukunft.“

„Bayreuth ist dem Bund lieb und teuer“, hatte zuvor der Bundestagsabgeordnete und Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, festgestellt. Er sprach von einer stabilen Förderung der Festspiele und von verlässlichen Zusagen, was die Sanierung des Festspielhauses und die Renovierung von Haus Wahnfried angeht. „Wir wissen Bayreuth bei der Bundeskulturbeauftragten Monika Grütters in besten Händen“, sagte Koschyk, zumal die Staatsministerin auch eine ausgewiesene Expertin für das Werk Wagners, aber auch das Werk des Dichters Jean Paul sei, über den sie promoviert hatte.

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14.05.2014

Wagners Hut und Hitlers Bayreuth / Nicht alle Finanzierungsfragen sind geklärt - Richard Wagners ehemalige Künstlervilla Wahnfried wird derzeit für 20 Millionen Euro neu gestaltet – Kritik bei Infoveranstaltung

Bayreuth. Wie hoch sollten Schauvitrinen im Museum sein? 90 Zentimeter, wegen der besseren Lesbarkeit der Texte oder doch nur 70 Zentimeter wegen Rollstuhlfahrern. Die Macher  des neuen Richard-Wagner-Museum im Haus Wahnfried, der ehemaligen Künstlervilla des Komponisten, haben sich für letzteres entschieden und riefen damit bei einer Informationsveranstaltung über das Projekt jede Menge Widerspruch hervor. Große Personen könnten die kleine Schrift nicht lesen und müssten sich fortwährend bücken. Während Ausstellungsgestalter Markus Betz vom dem namhaften Architektenbüro HG Merz auf Barrierefreiheit größten Wert legte, widersprach Michael Henker, Präsident des Internationalen Museumsrates ICOM Deutschland. Von Barrierefreiheit könne keine Rede sein, schließlich hätten die Vitrinen ja nicht einmal eine Unterfahrt, so Henker. Für Rollstuhlfahrer seien sie deshalb von vornherein nicht geeignet.

Wenn die Barrierefreiheit nur das einzige Problem wäre. Echte Sorgen bereiten andere Dinge, die Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe gleich ganz offen ansprach: Leider sei die Frage der Finanzierung der nach Sanierung und Neubau zwangsläufig höheren Betriebs- und Folgekosten nicht frühzeitig geklärt worden, sagte die Oberbürgermeisterin. Viele Gespräche habe es seitdem gegeben, aber keine konkreten Ergebnisse. Alle Beteiligten seien sich ihrer hohen Verantwortung bewusst, versicherte Merk-Erbe und weiter: „Wir werden daher eine Lösung finden, wir werden sie finden müssen.“ Noch deutlicher wurde Museumsleiter Sven Friedrich: „Die ungesicherte Betriebskostenfinanzierung bedrückt uns sehr“, sagte Friedrich. Er sprach von einer „kulturpolitischen Katastrophe ersten Ranges“, wenn es nicht gelingen sollte, eine Lösung zu finden.

Tatsächlich ist es so, dass die Gesamtkosten der Renovierung, des Umbaus, teilweisen Neubaus und der kompletten Neugestaltung innen wie außen bereits mehrfach korrigiert werden mussten. Nach oben. Noch im April 2012 war man bei knapp 15 Millionen Euro, bei der Grundsteinlegung im Juli 2013 war dann von 17 Millionen die Rede, jetzt wurden bereits 20 Millionen in den Raum gestellt. Keiner weiß, was noch kommt, denn die Fertigstellung ist erst für Sommer 2015 geplant. Heißt im Umkehrschluss: auch in der kommenden Festspielsaison können die Festspielgäste allenfalls an einem Baustellenrundgang teilnehmen, eine Tatsache, die schon im zurückliegenden Jahr weltweit Negativschlagzeilen brachte und für Hohn und Spott sorgte, zumal auch das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel auf Jahre hinaus eingerüstet ist und das Markgräfliche Opernhaus noch viele Jahre geschlossen bleibt. Ebenfalls wegen einer Generalsanierung.

Was mit dem Geld alles gemacht wird, das erläuterte Architekt Per Pedersen vom Berliner Architekturbüro Stab. Beispielsweise wird ein schicker gläserner Neubau an der Grundstücksgrenze errichtet, der jede Menge Platz für Sonderausstellungen bietet und in einem unterirdischen Geschoss die Geschichte der Festspiele aufzeigen soll. Mit rund 60 historischen Bühnenbildmodellen, mehreren Hörstationen und einem Medienraum. Unterirdisch geht es dann auch weiter ins Haupthaus, das praktisch in den vergangenen Monaten komplett entkernt wurde.

So richtig original war dort ohnehin nichts mehr, sagt Museumschef Sven Friedrich. Spätestens seit dem 5. April 1945 als das Haus durch einen Bombentreffer praktisch vollständig zerstört wurde. Aber auch Einrichtung und Ausstattung des Museums sind seit seiner Eröffnung 1976 praktisch unverändert geblieben, neue museumsdidaktische Ansätze fanden keinerlei Berücksichtigung. Das soll sich jetzt alles ändern.

„Wir wollen den touristisch interessierten Häkelclub aus Hildesheim genauso erreichen, wie den eingefleischten Wagnerianer, der den kompletten Tristan rückwärts aufsagen kann“, so Sven Friedrich in seiner unnachahmlichen Art. Wie das gelingen kann, wissen Museumsgestalter Markus Betz und Mediengestalter Thomas Hundt. Da gibt es Original-Partituren im Keller, ein Handschriftenkabinett im Erdgeschoss, Original-Hüte und Stiefel von Richard, einen Fächer von Cosima im Zwischengeschoss, Figurinen und Kostüme im Neubau. Im benachbarten Siegfried-Wagner-Haus, der Wohnstätte von Richards Sohn Siegfried und dessen Frau Winifred soll es schließlich um Hitlers Bayreuth gehen, eine, wie es Sven Friedrich formuliert „hochgradig ideologisch aufgeladene Geschichte“. Im Original-Interieur soll es dabei auf multimediafähigen Bildschirmen unter anderem um Wagners Antisemitismus, um Friedrich Nietzsche, Thomas Mann, Theodor W. Adorno und nicht zuletzt um die heutige Auseinandersetzung mit dem Werk Richard Wagners, etwa in Israel, gehen.

Ob es ein Museumscafe im ehemaligen Gärtnerhaus geben wird ist dagegen noch nicht sicher. Als Architekt Pedersen bei der Infoveranstaltung von der Aufstellung einiger Automaten sprach, ging ein ungläubiges Raunen durch das Auditorium. OB Merk-Erbe versicherte umgehend, dass es das erklärtes Ziel sei, zumindest in den Sommermonaten einen Kaffeeausschank zu organisieren.

Bild: Baustelle Wahnfried: Richard-Wagners-ehemalige Künstlervilla wird derzeit für 20 Millionen Euro renoviert, umgebaut, neu gestaltet und  mit Neubauten erweitert.

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11.09.2013

Bund hält an der Finanzierung von Bayreuth fest / 30 Millionen Euro: Finanzierungsvereinbarung zur Generalsanierung des Festspielhauses unterzeichnet

Bayreuth. Es war ein historischer Augenblick im Foyer des Bayreuther Festspielhauses: Genau 141 Jahre nach der Grundsteinlegung durch Richard Wagner wurde der Startschuss für die erste umfassende Sanierung und Renovierung des Theaters auf dem Grünen Hügel in Bayreuth gegeben. Prominente Vertreter des Bundes, der Freistaates Bayern, der Regierung und des Bezirks Oberfranken, der Stadt Bayreuth und der Mäzenatenvereinigung Gesellschaft der Freunde von Bayreuth unterzeichneten am Nachmittag kurz nach 16 Uhr ein Papier, das sie alle zusammen verpflichtet, bis zu 30 Millionen Euro für die Sanierung des Hauses aufzubringen.

Damit ist die Sicherheit gegeben, dass dieses Gebäude nachhaltig erhalten bleibt, freute sich Festspielchefin und Wagner Urenkelin Katharina Wagner. Für die Geschäftsführung der Festspiele sagte der neue geschäftsführende Direktor Heinz-Dieter Sense zu, schnellstmöglich einen Architekten zu organisieren, um mit der notwendigen europaweiten Ausschreibung starten zu können. „Wir haben ja hier die Besonderheit, dass wir in den Sommermonaten nicht bauen können, denn die Festspiele werden auch in den kommenden Jahren uneingeschränkt stattfinden“, so Sense.

Den Löwenanteil des Betrages wird mit bis zu zehn Millionen Euro der Bund übernehmen. Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der eigens für die historische Vertragsunterzeichnung nach Bayreuth geflogen war, sagte noch einmal ausdrücklich zu, dass der Bund auch in Zukunft fest zu Bayreuth und zur Mitfinanzierung der Festspiele stehen wird. Einem Ausstieg aus der Finanzierung, wie von SPD-Politikern im Bundestagswahlkampf gefordert, erteilte Neumann eine klare Absage. Kultur sei zwar grundsätzlich Ländersache, doch die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele hätten eine derart weltweite Bedeutung, dass es die Pflicht des Bundes sei, sich zu beteiligen.

Auch der bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch bezeichnete die Bayreuther Festspiele als die bedeutendste Marke Deutschlands in der internationalen Opernwelt. Regierungspräsident Wilhelm Wenning, gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Richard-Wagner-Stiftung und Vorsitzender des Stiftungsrates der Oberfrankenstiftung, sprach von einem wichtigen Meilenstein für den langfristigen Erhalt des Festspielhauses. Als Besonderheit der Finanzierungsvereinbarung wird die Oberfrankenstiftung jeweils 50 Prozent aus dem Anteil der Stadt Bayreuth und des Bezirks Oberfranken übernehmen.

Der Bezirk bekenne sich ausdrücklich zur Mitfinanzierung, sagte Bezirkstagspräsident Günther Denzler. Er stellte allerdings auch die klare Forderung auf, die Bayreuther Festspiele aufgrund ihrer nationalen und internationalen Bedeutung zu einer staatlichen Einrichtung weiterzuentwickeln. Bereits vor einigen Tagen wurde bekannt, dass der Anteil des Bezirks höchstens 2,22 Millionen Euro ausmachen soll. Die Oberfrankenstiftung würde davon bis zu 1,1 Millionen Euro übernehmen.

Mit der Finanzierungsvereinbarung sei die wesentliche Grundlage für die Sanierung geschaffen worden, so Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe. Die Mäzenatenvereinigung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth mit weltweit rund 5000 Mitgliedern habe bereits in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten unglaubliches für die Festspiele geleistet und werde sich auch diesmal nicht der Verpflichtung entziehen, so Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Wagner. Er sprach von einer öffentlich-privaten Partnerschaft ganz besonderer Art, denn im Gegensatz zu sonstigen privaten Finanzierungen öffentlicher Infrastrukturmaßnahmen erwarte kein Mitglied der Vereinigung je eine Rendite. „Uns geht es einzig und allein um das Werk Richard Wagners“, so Vorstandsmitglied Wagner.

Bild Vertragsunterzeichnung (oben):
Von links: der geschäftsführende Direktor der Festspiele Heinz-Dieter Sense, Katharina Wagner, der bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Bayreuths Oberbürgermeisterin Briigitte Merk-Erbe. Dahinter stehend: der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bayreuther Landtag Thomas Hacker und der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk.

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26.08.2013

Wagner-Virus: „Wer einmal Blut geleckt hat, kommt immer wieder“ /
Der Geiger Daniel Draganov gehört seit 16 Jahren dem Festspielorchester an

Bayreuth. Die Musik Richard Wagners macht entweder süchtig oder man kann sie nicht ausstehen.“ Der Hamburger Geiger Daniel Draganov kam 1996 erstmals zu den Bayreuther Festspielen. Mit einem einzigen Jahr Unterbrechung hat er hier jeden Sommer verbracht. Mittlerweile gehört er dem Orchestervorstand an. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth berichtete er über seine Zeit auf dem Grünen Hügel, seine Liebe zu Wagners Werk und der drangvollen Enge im Orchestergraben des Festspielhauses.

Als Kind eines Orchestermusikers hatte Daniel Draganov im Alter von sechs Jahren begonnen, Geige zu lernen. Richard Wagner sei zuhause allerdings kein Thema gewesen. Über einen Musikerkollegen des Vaters erfuhr Daniel Draganov von Bayreuth, den Festspielen und hörte auf einem kleinen Radio-Wecker erstmals eine „Siegfried“-Übertragung. „Da hat es mich gepackt“, sagt er heute, Der Wagner-Virus sei gesetzt und das Schmiedelied aus dem ersten Aufzug sei sein erster echter Hit gewesen.

Sein erstes festes Engagement als Orchestermusiker führte Daniel Draganov 1994 an die Deutsche Oper am Rhein. Gleich im ersten Jahr standen dort der „Holländer“, „Tannhäuser“, „Lohengrin“ und der komplette „Ring“ auf dem Spielplan. „Das war schon die richtige Wagner-Dröhnung“, sagt der Hamburger heute, zumal mit Hans Wallat bei sämtlichen Aufführungen ein Wagner-Experte am Pult stand.

1995 bewarb er sich dann für Bayreuth, schon 1996 klappte es und Daniel Draganov sollte fortan dem Festspielorchester angehören. Fest in Erinnerung ist ihm die erste persönliche Begegnung mit Wolfgang Wagner geblieben, der ihn trotz der stolzen Zahl von rund 200 Orchestermusikern aus mehreren Ländern bereits nach wenigen Tagen namentlich begrüßte.

„Bayreuth ist unser Sommerurlaub“, sagt Daniel Draganov. Immerhin hat er auch heuer, in seiner 17. Spielzeit wieder fast 70 Tage in der Stadt verbracht. Diese Freiwilligkeit, mit der sämtliche Musiker in Bayreuth sind, ist es auch, von der die besondere Atmosphäre ausgeht.  Daniel Draganov hatte sogar seine Ehefrau ebenfalls eine Geigerin hier kennengelernt, als er mit ihr am gleichen Pult den „Lohengrin“ musizierte.

Daniel Draganov, der mittlerweile den Berliner Philharmonikern angehört, schwärmt vom ganz besonderen Publikum, von Menschen, die sich auskennen, die gezielt hierher kommen und viele Strapazen auf sich nehmen, um eine Aufführung im Festspielhaus erleben zu dürfen. Deshalb erstarre das Orchester auch niemals in Routine. Im Gegenteil, die Freiwilligkeit, die Liebe zum Werk Richard Wagners und die Perfektion von derzeit allein elf Konzertmeistern und zwölf Stimmführern bei den ersten und zweiten Geigen, das ist es, was das Orchester immer wieder an die Leistungsgrenze führt.

Selbst die heißen Tage dieses Sommers hat Daniel Draganov bestens überstanden. „Im Orchestergraben ist es eng, heiß und der Sauerstoff fehlt“, sagt er. Dazu komme, dass man fast auf dem Schoss des Nachbarn sitzen muss, so extrem sei der Platzmangel. Doch wenn es auch körperlich sehr anstrengend sei, ist es geistig immer erfrischend, schließlich mache man das Ganze ja immer auch für Richard Wagner und da sei die Begeisterung auch nach so vielen Jahren immer noch vorhanden: „Wenn man einmal Blut geleckt hat, dann kommt man immer wieder“, so Draganov, der allen Ernstes schon die Tage bis zum Probenbeginn 2014 zählt.

Bild: Unter dem Motto „Freunde treffen Freunde“ konnte Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler  von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth den Geiger Daniel Draganov aus dem Festspielorchester begrüßen.

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12.08.2013

Richard Wagner als Mozart des 21. Jahrhunderts / Wissenschaftler und Buchautor Sven Oliver Müller über die emotionale Wirkung des Komponisten

Bayreuth. Der 200. Geburtstag Richard Wagners im laufenden Jahr wird gleichzeitig auch der letzte große Hype um den Komponisten sein. „Richard Wagner ist auf dem besten Weg, ein ganz normaler Komponist zu werden“, das jedenfalls glaubt Dr. Sven Oliver Müller vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

Der Wissenschaftler hat aktuell ein Buch über Richard Wagners emotionale Wirkung in Deutschland herausgegeben. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth nahm er die Rezeptionsgeschichte der Wagner-Opern unter die Lupe. Dabei kam er unter anderem zu dem Schluss, dass Wagner in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten immer häufiger aufgeführt, aber gleichzeitig auch immer häufiger akzeptiert wird. „Wagner wird der Mozart des 21. Jahrhunderts“, so Müller. Als sichtbare Zeichen dafür nannte er die Vermarktung Richard Wagners als Pappfigur, auf Briefmarken und Münzen, auf Tellern und Tassen oder als CD mit dem Titel: „Walking mit Wagner“.

Der Referent rief auch dazu auf, Richard Wagner nicht zu überschätzen. In großen Teilen der Welt sei Wagner nur einer verschwindenden Minderheit bekannt, in Afrika, China oder Indien beispielsweise. In Deutschland selbst sei die Musik Wagners auch nur etwa fünf Prozent wirklich bekannt. Alle anderen setzten Wagner mit dem Walkürenritt oder den Brautmarsch aus dem Lohengrin gleich, weil  beide Kompositionen immer wieder als Bestandteil von Hollywoodstreifen auftauchen.

Das alles sei freilich nicht immer so gewesen. Bisher habe Richard Wagner unter anderem auch die Widersprüchlichkeit seiner Rezeption am Leben gehalten. Müller nannte beispielsweise die Bayreuther Meistersinger-Inszenierung des Jahres 1925, mit der sich gezielt die wachsende Menge rechtskonservativer Besucher angesprochen sah, in der Bayreuth als „die deutsche Waffenschmiede“ dargestellt wurde und in der das Publikum nach der Ansprache des Hans Sachs das Deutschland-Lied anstimmte.

Der Wissenschaftler erinnerte auch an die Wiederaufnahme der Festspiele 1951, bei denen Wieland und Wolfgang Wagner dafür sorgten, dass keine traditionellen und realistischen Inszenierungen mehr zu sehen waren, sondern expressive. Der berühmte Aufruf „Hier gilt´ s der Kunst“ habe vieles Verraten, weil er vieles verschwieg, so Müller. Gerade der Verzicht auf eine politische Sicht, sei eben auch politisch. Dann schließlich der Jahrhundert-Ring von Patrice Chereau 1976.Die Proteste dagegen seien bis heute einzigartig. Müller erinnerte an tumultartige Szenen und Krawalle im Zuschauerraum, an Flugblätter und Schmähschriften selbsternannter Wagner-Kritiker bis hin zu übelsten Drohungen gegen die Verantwortlichen.

Das alles zeige, so Müller, dass Emotionen zu allen Zeiten den Streit um Richard Wagner bestimmt haben. Als Grund dafür vermutete der Sprecher, dass sich in Wagners Figuren alles hineininterpretieren lässt. „Wagner ist deutungsoffen“, so Müller. Bester Beweis dafür ist die Entdeckung Wagners durch die damalige DDR, die den Komponisten ab der 1960er Jahren allen Ernstes als linken Komponisten präsentiert hatte.

Bild: "Es gibt keine Deutung Richard Wagners, der man nicht auch widersprechen könnte“: der Buchautor und Wissenschaftler Dr. Sven Oliver Müller.

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08.08.2013

Der Beruf, der eigentlich keiner ist / Udo Metzner arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Inspizient im Bayreuther Festspielhaus

Bayreuth. Musiker, Künstler, Psychologe und Techniker: alle diese Berufe sind in einem einzigen vereint, in dem des Inspizienten. Einer, der diesen Beruf seit 37 Jahren, davon 32 Jahre bei den Bayreuther Festspielen, ausübt, ist Udo Metzner. Er hatte ein Musikstudium in Aachen absolviert und war im Sommer 1982 zum ersten Mal nach Bayreuth gekommen. Für die Mitglieder der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ließ Metzner jetzt erstmals in einem Vortrag einen Blick hinter die Kulissen des Festspielbetriebs zu.

Eigentlich ist es gar kein Beruf, denn es gibt weder eine Ausbildung, noch einen Abschluss oder ein Examen. Trotzdem ist der Inspizient einer der wichtigsten Beteiligten einer jeden Aufführung, denn ohne ihn geht kein Vorhang auf und auch keiner zu. Im Ernstfall ist der Inspizient derjenige, der über den Abbruch einer Aufführung entscheidet. Doch das passiert eigentlich ganz selten. Udo Metzner erinnert sich an eine Aufführung der Zauberflöte an seiner Hauptwirkungsstätte, der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Dort blieb eine Versenkung stecken und Metzner entschied auf eine Unterbrechung, anders hätte die Aufführung nicht fortgesetzt werden können.

Für Udo Metzner sind es eher die Ideen mancher Regisseure, die er und seine Mannschaft als echte Herausforderungen betrachten. Etwa wenn sich die Rheintöchter, wie 1983 in der „Ring“-Inszenierung von Peter Hall geschehen, im echten, 60 Tonnen fassenden Schwimmbecken bewegen und das Wasser während der Verwandlung binnen 20 Sekunden vollständig in eine Zisterne unterhalb des Festspielhauses abgelassen werden muss. Sogar Spezialisten der Berufsfeuerwehr hätten mitgearbeitet, um diese Herausforderung zu realisieren. Wenn dann während der Aufführung alles klappt, ist es auch der Verdienst von Udo Metzner. Und wenn während einer Probe im Becken echte Frösche auftauchen, dann muss ein Spaßvogel seine Finger im Spiel haben.

Trotzdem, ein Inspizient sollte Nerven wie Drahtseile haben, sagt Udo Metzner. Lampenfieber oder Nervosität, das seien echte Fremdworte. Psychologie sei wichtig für den Umgang mit so manchem Solisten. „Es gibt kaum einen Ort, an dem man einen Künstler so nackt sehen kann, wie hinter Bühne kurz vor seinem Auftritt.“. Zu den Tätigkeiten des Inspizienten gehört es auch, Sänger Statisten, Tänzer oder den Chor zu ihren Auftritten zu rufen, Bühnentechnikern und Beleuchtern die Zeichen für Umbauten zu geben. Vom Inspizienten kommen außerdem die Befehle zum Öffnen und Schließen des Vorhangs, der in Bayreuth übrigens per Joystick „gefahren“ wird, sowie zum Pausenzeichen für die Zuschauer.

Erst seit drei Jahren gebe es in Bayreuth die Möglichkeit zum Durchruf, etwa an die Solisten, wenn deren Auftritt kurz bevor steht. Was an anderen Theatern seit Jahrzehnten längst üblich, habe Wolfgang Wagner, der technischen Neuerungen ansonsten stets offen stand, aus traditionellen Gründen zu verhindern gewusst. Als Udo Metzner und die Technik eigenmächtig einen solchen Durchruf eingebauten, hatte ihn Wolfgang Wagner höchstpersönlich persönlich wieder durchtrennt, erinnert sich Udo Metzner noch ganz genau.

Top-Thema in diesem Sommer ist für Udo Metzner sowie für alle Beteiligten die große Hitze. Die Musiker sitzen in T-Shirt und Shorts im unsichtbaren Orchestergraben, denn eine Klimaanlage gibt es ja nicht. Trotz neuer LED-Scheinwerfer, die keine zusätzliche Hitze mehr erzeugen, sei es aber auch auf der Bühne nicht unbedingt kühler als im Zuschauerraum, wo weniger die hohe Temperatur, als die hohe Luftfeuchtigkeit für Probleme sorgt. Den absoluten Wärmerekord machte Udo Metzner übrigens für den Sommer des Jahres 1986 aus. Bei der TV-Übertragung des Gedenkkonzertes zum 100. Todestag von Franz Liszt stellte Udo Metzner auf der Bühne eine Temperatur von 44 Grad Celsius fest. Das sei bislang nicht mehr übertroffen worden.

Bild: Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Wagner (links) und Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth konnten den langjährigen Inspizienten des Festspielhauses Udo Metzner zu dessen erstem Vortrag über seine Tätigkeit gewinnen.

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07.08.2013

Feste Finanzierungszusage für Bayreuth
Kulturstaatsminister Neumann bestätigt millionenschwere Beteiligung des Bundes an Festspielhaus- und Wahnfried-Sanierung

Donndorf. Der Bund steht uneingeschränkt zu den Bayreuther Festspielen. Beim 10. Bayreuther Kulturgespräch im Weißen Saal des markgräflichen Schlosses Fantaisie in Donndorf gab Kulturstaatsminister Bernd Neumann am Mittwochabend ein klares Bekenntnis für Bayreuth ab.

„Die Mitbeteiligung des Bundes gilt uneingeschränkt“, sagte der Minister. Die Richard-Wagner-Festspiele bezeichnete er als eines der bedeutendsten Aushängeschilder der Kultur in Deutschland. „Wir wären töricht, wenn wir durch einen Rückzug des Bundes in der Finanzierung unser kulturelles Erbe vernachlässigen würden“, so Neumann. Die Politik sei dieser großen kulturellen Tradition verpflichtet, egal ob man die Musik Richard Wagner mag oder nicht. Neumann bekräftigte auch, dass seine Zusage nicht nur für den laufenden Betrieb der Festspiele gelte, sondern auch für zusätzliche Investitionen im Zuge der Festspielhaussanierung und der Generalsanierung von Wagners ehemaliger Künstlervilla Wahnfried.

„Die Festspiele sind der Leuchtturm“, sagte Staatsminister Neumann und lobte nicht nur die Intendanz der beiden Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner sowie ausdrücklich auch den aktuellen Holländer-Dirigenten Christian Thielemann. Bayreuth sei allerdings viel mehr als Wagner, so Neumann, der unter anderem an das UNESCO-Weltkulturerbe des Markgräflichen Opernhauses und an die Wirkungsstätten des Dichters Jean Paul erinnerte. Was Deutschland so faszinierend macht, sei seine Einzigartigkeit und Vielfalt, eine derartige Vielfalt gebe es weltweit nirgends und gerade Stadt und Landkreis stünden dafür beispielhaft.

Neumann gab auch zu bedenken, dass die primäre Verantwortung für die Kultur in Deutschland nicht beim Bund, sondern bei den Ländern liegt. Der Bund könne lediglich Pilotprojekte fördern und sich bei Objekten mit nationaler Bedeutung engagieren. Musikfestivals wie die Bayreuther Festspiele gehörten natürlich dazu. Staatsminister Neumann verteidigte auch die deutsche Sichtweise, dass Kultur eine öffentliche Aufgabe ist. 90 Prozent der Mittel für die Kultur würden hierzulande vom Staat erbracht, zehn Prozent von privaten Förderern und Sponsoren. In den USA sei das Verhältnis umgekehrt. Das könne nicht unsere Philosophie sein, so Neumann.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann habe die Belange Bayreuths seit seinem Amtsantritt 2005 zur Chefsache gemacht, sagte der Parlamentarische Finanzstaatssekretär und Bayreuther Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk. Dazu gehöre nicht nur die Stabilisierung der Bundeszuschüsse zu den Festspielen, eine Zusage über 3,5 Millionen Euro zur Sanierung von Haus Wahnfried sowie eine Zusage von bis zu zehn Millionen Euro für die Sanierung des Festspielhauses. Der Bund habe sich auch bei der aktuellen Generalsanierung der Bayreuther Synagoge und bei der Einrichtung des in Bayreuth beheimatete Bundesarchivs (Lastenausgleichsarchiv), das dem Kulturstaatsminister direkt unterstellt ist, stark gemacht. Mit all diesen Finanzierungsbeteiligungen habe der Bund sein Engagement in die kulturelle Infrastruktur Bayreuth eindrucksvoll unter Beweis gestellt, so Koschyk.

Das 10. Bayreuther Kulturgespräch wurde von dem Pegnitzer Recyclingunternehmen Belland Vision und des Bayreuther Dienstleisters für kartengestützte Kundenbindungssysteme VVS Holding ermöglicht. Für die musikalische Ausgestaltung sorgte ein Bläserquintett mit Ramona Schwarzer, Johannes Potzel, Pankraz Schrenker, Eckhard Bosch und Klaus Hammer mit Werken unter anderem von Georg Friedrich Händel und George Gershwin.

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04.08.2013

Wagner trainiert das Gehirn / Psychologie-Professor: Mit Musik Depressionen verhindern –
Helmut Reuter bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Richard Wagners Musik hält das Gehirn auf Trab. Zu diesem Schluss kommt der Psychologie-Professor Helmut Reuter vom Institut für Bildung und Kultur in Köln. Allein durch Begeisterung könne man bestimmte Dinge im Gehirn steuern, zum Beispiel um Depressionen zu verhindern, sagte Reuter bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.

Als vollkommenste Form der Begeisterung bezeichnete Reuter die Musik. Man könne sein Gehirn nicht vollkommener und intensiver beschäftigten als mit Musik, so Reuter, zu dessen vorrangigen Forschungsgebieten die Musikpsychologie gehört. Gesteigert werden könne diese Form der Begeisterung lediglich noch durch die Musik Richard Wagners, die der Psychologie-Professor als „Ekstase des Musik-Erlebens“ bezeichnete.

Reuter verglich das menschliche Gehirn mit einem Muskel, der ständig trainiert werden will. Das könne kaum besser geschehen, als mit der Musik Wagner.  Denn dabei werde das Gehirn auf die denkbar günstigste Weise bemüht, Emotion, Verstand und Motorik würden in gleicher Weise beansprucht. Hinzu komme im Werk Richard Wagners, dass der Komponist unbewusste Sehnsüchte gestaltet hat, die manchmal auch voller Widersprüche seien. Richard Wagner stehe damit auch für die Sehnsüchte seiner Zeit, die damals durch die Industrialisierung schon eine ganz andere geworden war.

Wie Musik wirkt, das demonstrierte Professor Helmut Reuters Ehefrau, die kroatische Pianistin Ana-Marija Markovina bei dem Gesprächskonzert im Kammermusiksaal der Klaviermanufaktur Steingraeber mit zwei Wagner Paraphrasen von Hugo Wolf, der Meistersinger- und der Walküre-Paraphrase. Beide hatte die Pianistin unlängst am gleichen Ort auf CD eingespielt.

Bild: „Freunde treffen Freunde“: unter diesem Motto referierte der Psychologie-Professor Helmut Reuter und die kroatische Pianistin Ana-Marija Markovina bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, rechts im Bild Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Wagner.

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03.08.2013

Wagner in Schwarz-Weiß:
Mit dem Lohengrin schließt der Bayreuther Premierenzyklus

Bayreuth. Vielen Wagner-Freunden ist dieser Lohengrin mit den vielen Rattenkostümen auch im vierten Jahr noch immer fremd. Aber eines muss auch der Kritiker Regisseur Hans Neuenfels und seinem Bühnen und Kostümbildner Reinhard von der Thannen lassen: Ihre unkonventionelle Lohengrin-Deutung ist konsequent, professionell umgesetzt, nicht immer logisch aber überaus wirkungsvoll. Das hebt diesen Lohengrin von anderen aktuellen Inszenierungen auf dem Grünen Hügel ab, auch wenn dieser Lohengrin für Wagner-Einsteiger besser nicht geeignet ist.

Wie nah Zweifel, Angst, Hoffnung, Erwartung, Sehnsucht und vielleicht auch Enttäuschung beieinander liegen, all das führt Neuenfels in seinem Lohengrin schlüssig vor. Nicht wirklich schön, aber faszinierend und mit einer Ästhetik, die fast allen anderen Inszenierungen abgeht. Da ist zum Beispiel die Schwarz-Weiß-Zeichnung der Räume und der handelnden Personen, die für ganz starke Bilder sorgt. Genauso wie der Schwan oder das Brautbett im dritten Aufzug, alles ist ganz real da in dieser fast schon ein wenig surrealen Inszenierung und doch hat man es so noch nicht gesehen. Ganz nebenbei beweist Neuenfels auch Humor, zum Beispiel dann, wenn sich die beiden Ratten mit den Nummern 62 und 63 im zweiten Aufzug trotz der Beruhigungsspritzen des Laborpersonals befreien und sie sich danach an den Händen abklatschen.

Alles in allem aber ist es das Scheitern einer Utopie, das Neuenfels zeigt. Das funktioniert auch dann noch, wenn man sich als Zuschauer die Rattenkostümierung einfach einmal wegdenken würde. Vor allem das Ende erschüttert dann doch, wenn sich der verheißungsvolle Thronfolger Gottfried von Brabant als verhexte Missgeburt, vielleicht auch dämonischer Homunculus, entpuppt, können Menschen wie Ratten wohl wenig optimistisch in die Zukunft blicken, obwohl sie sich den neuen Herrscher doch so herbeigesehnt hatten.

Sängerische Klasse und in weiten Teilen auch gute Textverständlichkeit machen die solistischen Leistungen aus. Makel- und mühelos singt Klaus Florian Vogt die Titelpartie im mittlerweile dritten Jahr und er wird am Ende dafür auch diesmal wieder mit stehenden Ovationen minutenlang bejubelt. Mit kaum zu übertreffender darstellerischer Präsenz und stimmlich sowieso auf der Höhe ist dieser Lohengrin das Beste, was Bayreuth im Moment zu bieten hat. Ebenso hat Annette Dasch als Elsa den Jubel verdient. Sie singt einfach nur schön, strahlend, klar, kräftig und immer auf den Punkt genau, selbst im Liegen noch.

Schnörkellos und routiniert agiert auch das übrige Ensemble, durchwegs mit Spitzenleuten besetzt: Thomas J. Mayer ist wieder als finsterer Telramund mit überaus präsentem Bass zu erleben, Petra Lang hat die Partie der Ortrud heuer wieder übernommen und setzt sich dabei machtvoll und stimmgewaltig in Szene und schließlich Wilhelm Schwinghammer, der einen verwirrten König Heinrich spielt und dazu mit kraftvoller Stimme singt. Gefeiert wird auch Samuel Youn als markanter Heerrufer. Es ist schon erstaunlich, dass er trotz der Titelpartie im Holländer auch noch den Heerrufer derart überzeugend Präsenz und Stimme verleiht. Die vier Edlen sind Stefan Heibach, Willem Van der Heyden, Rainer Zaun, Christian Tschelebiew.

Der lettische Dirigent Andris Nelsons leitet das Festspielorchester auf höchstem Niveau, weniger auf knallige Effekte zielend, als vielmehr auf die großen Spannungsbögen der Partitur. Alles klingt sehr transparent, Nelsons reizt die Partitur gerne auch mal dynamisch aus und lässt das Orchester noch eine Spur opulenter erklingen, als in den Vorjahren.

Eberhard Friedrich hat wieder den im Lohengrin naturgemäß stark geforderten Chor hervorragend einstudiert, er klingt ausgewogen und überaus stimmig im Ausdruck. Der Gesang ist nicht die einzige Leistung des Chores, auch die Kostüme und deren Wechsel wollen bewältigt sein und den Sängerinnen und Sängern wird spätestens jetzt klar, dass auch Fechthelme, Tauchflossen und Gummihandschuhe manchmal zum Beruf gehören.

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26.07.2013

Museumsprojekt  von Weltrang /
Grundstein für Erweiterungsbau des Richard-Wagner-Museums gelegt

Bayreuth. Im Park der einstigen Komponistenvilla Wahnfried ist am Freitag der Grundstein für den Erweiterungsbau des Richard-Wagner-Museums gelegt worden. Für einen Kostenaufwand von insgesamt 17 Millionen Euro soll das Projekt bis zum Jahr 2015 fertig gestellt sein.

Mit insgesamt 3,5 Millionen Euro beteiligt sich der Bund an der Finanzierung. Der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk konnte bei der Grundsteinlegung einen entsprechenden Zuwendungsbescheid über diese Summe an Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe überreichen. Dieser Gedenk- und Forschungsort müsse sich mit den besten Einrichtungen seiner Art weltweit messen lassen, sagte Koschyk. Mit der Übergabe des Förderbescheides sei die Mitfinanzierung des Bundes auch ganz formal und offiziell abgesegnet. „Neubau und Sanierung von Haus Wahnfried sind eine Investition in die Zukunft Bayreuths, sagte Koschyk.

Bayerns Kulturminister Wolfgang Heubisch sprach von einem einzigartigen Museumsprojekt, der nach der Fertigstellung Weltrang einnehmen werde. Mit dem Neubau setze Bayreuth im Jubiläumsjahr ein gutes Signal für die Zukunft. Der Freistaat sei der Stadt Bayreuth von Anfang an als wichtiger Zuschussgeber zur Seite gestanden. „Ich bin überzeugt: das Geld ist gut angelegt, denn wir investieren damit in ein einzigartiges Museumsprojekt“, so Heubisch. Die vier Millionen, die der Freistaat zur Verfügung stellt, kommen aus Mitteln des Kulturfonds, der Landesstelle für nichtstaatliche Museen und des Entschädigungsfonds. Eine weitere Million steuert die Bayerische Landesstiftung, weitere drei Millionen die Oberfrankenstiftung bei.

Oberbürgermeisterin Merk-Erbe bezeichnete die laufende Sanierung und Neugestaltung des Richard Wagner Museums als das derzeit wichtigste Kulturprojekt der Stadt. „Die Sanierung von Haus Wahnfried und der Museumsneubau haben erhebliche Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Stadt." Das Projekt mit einem Gesamtvolumen von 16 bis 17 Millionen Euro sei von der Stadt alleine nicht zu schultern. Möglich werde es letztlich erst durch die Zuschüsse von Bund, Freistaat Bayern sowie weiteren öffentlichen Zuschussgebern wie der Oberfrankenstiftung, der Bayerischen Landesstiftung und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern.

Dem Museum und dem Neubau stünden nach Fertigstellung neue, moderne und zeitgemäße Möglichkeiten der Vermittlungsarbeit zur Verfügung. Mit der Sanierung und dem Museumsneubau habe Bayreuth die Chance, die Position als die Wagnerstadt nicht nur dauerhaft zu sichern, sondern auch auszubauen, so Merk-Erbe.  Die Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau setze nicht zuletzt einen Schlusspunkt hinter den bisherigen Schwierigkeiten bei Planung und Finanzierung.

Die Sanierung, Neugestaltung und Erweiterung des Hauses Wahnfried ist das derzeit wichtigste Museumsprojekt der Stadt Bayreuth. Im Zuge der Neugestaltung des Museums wird es zukünftig in Haus Wahnfried eine Dauerausstellung zu Leben und Werk Richard Wagners geben, im Siegfriedhaus werden das Erbe Wagners, der Umgang seiner Nachkommen damit und die komplexe Rückschau auf Mensch und Werk thematisiert. Der neue Erweiterungsbau bietet Platz für die Dauerausstellung, eine Präsentation zur Geschichte der Festspiele und einen Veranstaltungssaal. Seine Architektur ist das Ergebnis eines europaweiten Wettbewerbs, den das renommierte Berliner Architekturbüro Staab für sich entscheiden konnte.

Das Richard-Wagner-Museum in Haus Wahnfried wurde 1976 eröffnet. Erster Überlegungen zur Neukonzeption durch die Museumsleitung bei der Richard-Wagner-Stiftung gehen bis auf das Jahr 2003 zurück. 2005 beschloss der Stadtrat die städtische Trägerschaft der Umbaumaßnahmen. 2008 lehnte der Richard-Wagner-Stiftungsrat dieses Umbau- und Neugestaltungskonzept ab und beauftragt eine Machbarkeitsstudie zu einer „Großen Lösung“ mit Neubau. Im Jahr darauf legten sich der Richard-Wagner-Stiftungsrat und unter Finanzierungsvorbehalt auch der Stadtrat auf diese Lösung fest. Seit 2010 ist die Dauerausstellung ausgelagert und das Museum geschlossen.

Bild oben:
Grundsteinlegung für den Museumsneubau (von links): Per Pedersen vom Architekturbüro Staab, Kulturminister Wolfgang Heubisch, Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk, Regierungspräsident Wilhelm Wenning und Museumsdirektor Sven Friedrich.

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25.07.2013 (erschienen)

„Ring symphonisch“: „Die Partitur selbst ist der Ring“ - Auf der Suche nach Richard Wagners großer „Ring“-Symphonie

Es ist wie ein Film des Lebens der wie alles Leben im Wasser beginnt und mit dem Tod endet. Die Musik dazu beginnt in der Dämmerung des Rheins, die Bilder treiben flussaufwärts zur Burg der Götter. Der Zuhörer erlebt das Liebespaar Sieglinde und Siegmund, deren vergebliche Flucht vor Wotans furchtbarer Wut, dessen schmerzlichen Abschied von seiner Lieblingstochter Brünnhilde. Zu erleben ist, wie Siegfried das magische Schwert schmiedet, den Drachen erschlägt und schließlich wie Hagen auf dem Stierhorn blasend seine Mannen herbeiruft, Siegfried den Tod und die Götter im Feuerschein ihr Ende finden. An die 16 Stunden dauert das alles. „Viel zu lang“, sagen manche. Und genau deshalb gibt es immer wieder Versuche der Verkürzung, der Entrümpelung, der Entschlackung, weg von der Opernbühne und  hin zu einem rein symphonischen Werk. Die große „Ring“-Symphonie von Richard Wagner eben, vergleichbar vielleicht mit Schuberts Großer C-Dur, auf jeden Fall aber mit Beethovens Neunter, Bruckners Neunter oder Mahlers Achter.

Zusammenstellung, Arrangement oder Bearbeitung: Schon in der Bezeichnung  beginnen die Probleme. Ist es möglich, die Musik aus Richard Wagners Opus Magnum, dem „Ring des Nibelungen“ wirklich  auf eine Stunde zu verdichten, auf ein Konzentrat von wirkungsvollen Szenen reduzieren und als die große, späte „Ring“-Symphonie aufführen? Immer wieder haben es Musiker und Dirigenten im Konzertsaal oder auf Platte versucht, meist sogar mit Erfolg. Doch wirklich durchgesetzt hat sich das alles nie, so eindrucksvoll die Aufführungen auch waren. Egal ob Lorin Maazel, Karl-Anton Rickenbacher, Henk de Vlieger, Jun Märkl, Friedmann Dreßler und die anderen, von denen es keine Aufnahmen gibt.

Kein Wunder: Für Richard Wagner war der Text Ausgangspunkt seiner Werke. Die Dichtung war bei ihm zuerst da. Die erste Rheingoldaufführung war eigentlich eine Lesung im Freundeskreis. Deshalb ist es ja auch so fragwürdig, auf den Text zu verzichten. Dabei soll es Richard Wagner selbst gewesen sein, der einzelnen Szenen losgelöst aus jeglichem Kontext aufgeführt hat. Heute würde man sagen, es geschah zu Marketing-Zwecken, als Vorschau auf das Kommende, als Trailer auf das Gesamtwerk. Andere sagen, Wagner selbst soll gar nicht so sehr erbaut darüber gewesen sein, Szenen des Rings für den Konzertsaal auszukoppeln. Wagner sei es stets um die Oper als Ganzes gegangen, um das Gesamtkunstwerk eben. Doch wichtig scheint es bei fast allen „Bearbeitungen“ auch zu sein dass die Übergänge der verschiedenen Szenen ausschließlich mit Noten aus Wagners Original-Partitur erfolgen.

Jede Note sollte also möglichst original von Wagner sein. Doch wie soll das gehen, an die 16 Stunden auf 45 bis 80 Minuten (so lange dauern die vorhandenen Einspielungen) zu verkürzen, ohne etwas Substantielles wegzulassen? Zumindest die Singstimmen sind ja weggelassenen, wenn überhaupt, werden sie instrumental ersetzt. Auf der Strecke bleiben natürlich auch die „Zwischenmusiken“, musikalische Einfälle, in denen es um das Abstrahieren geht, um das Verschweigen, Kommentieren, Erinnern oder Verfremden.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass es sich keiner der Wagner-Symphoniker zugetraut hat, die Chronologie der Bühnenwerke zu verändern. Die Abfolge bleibt also so, wie sie ursprünglich erdacht wurde. Voraussetzung für eine in sich schlüssige Fassung, die Szenen aus der gesamten Tetralogie übergangslos miteinander verbindet, ist natürlich auch die gigantische Orchesterbesetzung, möglichst mit vierfachen Bläsergruppen, acht Hörnern, vier Wagner-Tuben, drei Harfen und ein riesiger Streicherapparat. So gibt es am Wagner-typischen Klang keine Abstriche.

Was ganz klar für den „Ring symphonisch“ spricht ist, dass gerade bei großen „Hits“, wie  Siegfrieds Rheinfahrt oder dem Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“ ohnehin niemand singt. Bei den anderen Passagen herrscht über weite Strecken ein eher rezitativischer Gesangstil vor. Die eigentliche Thematik, das Material, die Motive liegen also im Orchester.

1988 war es der amerikanische Dirigent Lorin Maazel, er dirigierte 1968 und 1969 den „Ring“ in Bayreuth, der erstmals eine durchgängige Version der wichtigsten Szenen als ein rund 70 Minuten dauerndes Orchesterstück mit dem Namen „Ring ohne Worte“ zusammengestellt hat. Er selbst dirigierte seine „Konzertfassung instrumentaler Teile“ im Februar 2003 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Philharmonie im Münchner Gasteig. 2008 zog Maazel seine „Ring-ohne-Worte“-Partitur noch einmal hervor und leitete das Den Norske Operas Orkester bei der Eröffnung des neuen Opernhauses von Oslo. Große Ereignisse bedürfen eben großer Musik.

Als Kronzeugen benennt Lorin Maazel Wagner-Enkel Wieland: „Im Orchester, da liegt doch das Wesentliche,  das ist der Text unterm Text, das ist das universale Unterbewusstsein, welches die Wagnerschen Figuren untereinander verbindet und mit dem Proto-Ego der Sage verknüpft ...", soll Wieland Wagner zu Maazel schon 1960 gesagt haben, als der Dirigent gerade mit dem „Lohengrin“ sein Debüt auf dem Grünen Hügel gab. Wieland Wagner habe auch später immer wieder auf seine „Theorie vom Wagner-Orchester als dem Urquell“ verwiesen, so Maazel.

Und was sagt der Maestro: „Die Orchesterpartitur selbst ist der Ring, verschlüsselt in einen Klang-Code. Entziffert man diesen Code, so entpuppt er sich als eine Geschichte, eine Sage, ein Lied, eine Philosophie - in zahllosen kosmischen Obertönen und menschlichen Untertönen.“ Maazel zufolge bedürfe es wohl kaum der Erwähnung, dass der „Ring" als Musikdrama konzipiert ist, für die Bühne und mit Sänger-Darstellern. „Wer sich wie ich, zu den Privilegierten zählen darf, die den Ring in Bayreuth und anderswo dirigiert haben, für den ist jedes Komma dieses Gesamtkunstwerkes unantastbar.“

Als wesentliche Kriterien seines Rings bezeichnete es Maazel, dass die Synthese ohne Unterbrechung frei fließt, alle Übergänge harmonisch und periodisch gerechtfertigt sind und die tempischen Gegensätze im ausgewogenen Verhältnis zur Länge des Werkes stehen. „Obwohl ich keineswegs bewusst den Versuch gemacht habe, sämtliche Ring-Motive unterzubringen, erscheinen doch die meisten in der einen oder anderen Form.“

Eine ganz eigenwillige Fassung, die es aber anhand der Aufführungszahlen wohl zu den meist gespieltesten gebracht haben dürfte, ist die von Henk de Vlieger, einem niederländischen Percussionisten, Komponisten und Arrangeur, Jahrgang 1953. Er nennt sein Wagner-Opus aus dem Jahr 1991 „The Ring – an orchestral adventure“. Ein „Abenteuer für Orchester“ also, und das ist es dann wohl auch. Für Henk de Vlieger ist es wichtig, dass es sich bei seiner Bearbeitung nicht um eine bloße Aneinanderreihung eingängiger Themen handelt. Es sei vielmehr von Anfang an sein Ziel gewesen, ein vollständiges sinfonisches Werk zu schaffen. So unterscheidet sich Henk de Vliegers Fassung auch von allen anderen dadurch, dass er neue Übergänge geschickt hinzukomponiert hat. Einige wenige Noten sind es, nicht mal komplette Takte. Wer nicht gerade in der Partitur mitliest, dem dürften die einzelnen hinzugefügten Noten tatsächlich kaum auffallen. De Vlieger fasst sein Werk als große Sinfonische Dichtung mit vier ineinander übergehenden Sätzen und 14 Formteilen auf.

Wagner hat es dem Niederländer angetan, denn 1993 kamen unter dem Beinamen „An Orchestral Quest“ eine „Parsifal“-Transkription und 2005 mit dem Untertitel „An Orchestral Tribute“ eine „Meistersinger“-Transkription dazu. Daneben hat Hank de Vlieger unter anderem die Vier Ernsten Gesänge von Johannes Brahms orchestriert. Auch mit dem „Ring“ hat er sich, wenn auch in ganz anderer Form noch einmal beschäftigt, Im Jahr 2000 erschien seine Orchestrierung der 1. Symphonie seines Landsmannes Johan de Meij mit dem Titel "The Lord of the Rings", die Motive des gleichnamigen Romans von John Ronald Reuel Tolkien zum Inhalt hat. Im Jubiläumsjahr wurde de Vliegers „The Ring – an orchestral adventure“ unter anderem schon in Kanada und auch mehrfach in Deutschland aufgeführt.

Der Dirigent Jun Märkl, von 2007 bis 2012 Chefdirigent des MDR-Sinfonieorchesters hatte seine Fassung erst 2012 im Gewandhaus von Richard Wagners Geburtsstadt Leipzig vorgestellt. Er hat keine Note hinzugefügt und alles kunstvoll miteinander verwoben. Märkl habe auch erkannt, dass der Zuhörer anhand der Leitmotive gut nachvollziehen könne, wie sich die Tonsprache Wagners im Laufe der Zeit verändert hat, erläuterte er in einem Rundfunkinterview.

Die Auswahl die Jun Märkl zusammengestellt hat, wurde schon einige Male aufgeführt. Er spricht von einem „Destillat“ aus 16 Stunden Musik. „Das Ganze ist natürlich ein Wagnis“, weiß auch er. Wenn es denn gelungen sei, dann auch deshalb, weil er Wert darauf gelegt hat, dass die Abschnitte aus den einzelnen Opern quasi nahtlos ineinander übergehen, so dass sich dadurch auch ein symphonischer Fluss entwickeln kann. Märkl zufolge ist an seinem Destillat sehr schön nachzuvollziehen, wie sich die Klangsprache Wagners über die vielen Jahre entwickelt hat, in denen er sich mit dem „Ring“ musikalisch, dramaturgisch und literarisch beschäftigte.

Märkl Spezifikum ist es, dass er die Stellen ausgesucht hat, in denen die Singstimmen keine tragende Rolle einnehmen. Bei den Abschnitten, bei denen normalerweise eine Singstimme zu hören ist, seien immer auch die Orchesterstimmen gedoppelt, also quasi geführt. Alles andere sind rein instrumentale Teile wie die Rheinfahrt oder der Trauermarsch im Siegfried.

Noch so ein Kuriosum: Die Version des Cellisten Friedmann Dreßler, aufgeführt im Mai 2009 von den Duisburger Philharmonikern unter Jonathan Darlington. Friedmann Dreßler, gebürtiger Dresdner, lebt seit 1987 in Duisburg, ist stellvertretender Solo-Cellist bei den Duisburger Philharmonikern und kann auf Bayreuth-Erfahrung seit 1994 im Festspielorchester verweisen. Der Musiker hatte ein „Neuarrangement“ des „Ring ohne Worte“ geschaffen. „Das Orchester ist über weite Strecken sehr starker Träger des motivischen Materials – und damit eben auch der Emotionen“, erläuterte Dreßler in einem Interview.

Dreßler hatte für seine Version ganz bewusst einige andere Abschnitte ausgewählt als seine bereits genannten Kollegen. Zum anderen hat er die Gesangsstimmen teilweise uminstrumentiert. Es sei an einigen Stellen gut möglich gewesen, die Gesangstimmen in das Orchester mit hineinzuziehen. „Insbesondere dort, wo die Instrumente, die dann spielen, ohnehin Pause hätten.“ Unumwunden gibt Dreßler auch zu, dass die Übergänge das Schwierigste gewesen seien.

2011 machte sich schließlich der Schweizer Dirigent Karl Anton Rickenbacher beim Festival junger Künstler in Bayreuth („Jugendfestspieltreffen“) an einen symphonischen Ring. Er sprach von einer „Einrichtung“ und vermied bewusst das Wort Bearbeitung. „Ist alles original Wagner“, sagte er im Vorfeld der Aufführung. Sämtliche Ausschnitte habe Wagner in konzertanten Aufführungen selbst dirigiert, allerdings nicht symphonisch. Wagner nahm sich Sänger dazu. „Wir haben die großen Orchestermomente“, so Rickenbacher. Die neun Bruckstücke deckten sich im Wesentlichen mit der Auswahl Wagners und stellten die aussagekräftigten Szenen dar. Auf Teile, in denen die Gesangstimme unerlässlich ist, und für die Richard Wagner Sänger hinzugezogen hatte, wurde verzichtet. Zum Beispiel die Schmiedelieder aus dem Siegfried oder Hagens Wacht aus der Götterdämmerung. In anderen Teilen wiederum, dort wo es absolut unerlässlich ist, wurde der Gesangspart von einem Instrument übernommen.

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25.07.2013 (erschienen)

Großer Wurf für Wagner
Neues Denkmal: Leipzig feiert Wagners 200. Geburtstag

Schon in den ersten Tagen nach der Enthüllung hat es sich zum Publikumsmagneten entwickelt: das neue Denkmal des hessischen Bildhauers Stephan Balkenhol, das die Stadt Leipzig „ihrem“ Richard Wagner gesetzt und exakt am Tag seines 200. Geburtstages am 22. Mai 2013 enthüllt hat. Auf dem ersten Blick passt es nicht so Recht, der historische Sockel von Max Klinger, ein junger Komponist in Lebensgröße vor seinem eigenen Schatten. Erst auf dem zweiten Blick wird klar, dass die bildhauerische Komposition zwischen Grünanlage und Bürogebäuden (der ehemaligen Stasi-Zentrale) am Goerdeler-Ring der große Wurf für Wagners Geburtsstadt ist.

Der große Wurf deshalb, weil zum einen der Standpunkt optimal gewählt wurde. Nicht wegen der einstigen Stasi-Zentrale, sondern ganz einfach deshalb, weil das Denkmal fast schon in Sichtweite zum Geburtsort des Komponisten liegt. Das ehemalige Geburtshaus mit dem Namen „Zum Roten und weißen Löwen“ mit der Adresse Brühl 3  steht schon lange nicht mehr, bereits 1886 fiel es der Abrissbirne zum Opfer. Bereits vor der Wende gab es dort ein Warenhaus, das bei den Leipzigern unter dem Namen „Blechbüchse“ bekannt wurde. Nach der Wende war das Kaufhaus Horten am Brühl beheimatet, mittlerweile verkauft der Media-Markt dort Computer und Flachbildfernseher. Was geblieben ist, ist eine stattliche Gedenktafel und die Absicht des neuen Besitzers, einen Erinnerungsort entstehen zu lassen.

Das neue Denkmal am Goerdelerring ist aber auch deshalb so bemerkenswert, weil der Bildhauer Stephan Balkenhol nach vielen Jahrzehnten vollendet, was sein Bildhauerkollege Max Klinger (1857 – 1920) begonnen hatte. Bereits 1904 war der Auftrag für ein Wagner-Denkmal an Klinger gegangen. Klinger gestaltete zunächst die monumentale Treppe, ehe der heraufziehende Erste Weltkrieg und der Tod Klingers das Projekt zum Erliegen brachten. Der unvollendete, ebenfalls monumental anmutende, für Klinger aber typische Denkmalssockel wurde schon 1924 provisorisch im Klinger-Hain aufgestellt, die Treppenanlage wurde eingelagert, das Wagner-Standbild aber nie ausgeführt.

Bis Stephan Balkenhol (56) nach Leipzig kam. Der Professor an der Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe wurde durch seine grob gehauenen und farbig bemalten Holzskulpturen längst populär. Auch auf dem Campus der Universität Bayreuth sind insgesamt vier solcher Skulpturen zu sehen. In Salzburg steht Balkenhols „Sphaera“, ein Mann auf einer überdimensionalen Mozartkugel, was beweist, dass Balkenhol auch Humor haben muss.

Im Gegensatz zu all diesen Figuren, die distanziert, anonym und rätselhaft wirken, ist der junge Wagner genau das Gegenteil davon. Er trägt einen leuchtend blauen Gehrock, ein blütenweißes Hemd und eine rote Schleife. Der Blick ist ernst, ein Arm abgewinkelt, die Erscheinung selbstbewusst, sie entspricht ganz der eines Künstlertyps. „Der junge Wagner wirft seinen Schatten bereits voraus“, so oder ähnlich wurde Balkenhols Werk interpretiert, denn hinter der Figur des Jungen Wagners ist ein überdimensionaler, vier Meter hoher Schatten zu sehen, der die Silhouette des reifen Wagners zeigt. Medienberichten zufolge soll das neue Wagner-Denkmal rund 200000 Euro gekostet haben.

Das neue Wagner-Denkmal von Stephan Balkenhol ist freilich nicht das erste und einzige Wagner-Denkmal in Leipzig, wie es in manchen Publikationen im Vorfeld zu lesen war. Zugegeben etwas versteckt, am Promenadenring hinter dem Opernhaus gibt es seit 1883, dem 100. Todestag Wagners, eine überlebensgroße Büste, deren Entwurf ebenfalls auf den Bildhauer Max Klinger zurückgeht. Sie zeigt den späteren Wagner in der klassischen Frontalansicht.

Keinen Erfolg hatten hochtrabende Leipziger Pläne während der Zeit des Nationalsozialismus, am östlichen Ufer des Elsterbeckens, eine monumentale Richard-Wagner-Gedenkstätte zu errichten. Die Stadtväter hatten damals den Bildhauers Emil Hipp (1893 – 1965) beauftragt, ein gigantisches Denkmal im Stil des damals typischen Neoklassizismus zu verwirklichen. Hitler hatte am 6. März 1934 den Grundstein dafür gelegt, doch zur Realisierung kam es nicht. Die bereits fertigen Teile wurden nach 1945 deutschlandweit veräußert, zwei Reliefplatten landeten auch in Bayreuth, wo sie noch heute im Bereich der neuen zentralen Omnibushaltestelle entlang der Stadtmauer am Hohenzollernring  zu sehen sind.

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25.07.2013 (erschienen)

Neue Leipziger Wagner-Tradition zum 200. Geburtstag / Kulturstiftung Leipzig richtete neue Dauerausstellung in der Nicolaischule ein

Der 200. Geburtstag Richard Wagners ist für seine Geburtsstadt Leipzig nicht nur Grund genug, den Komponisten als großen Sohn wiederzuentdecken, sondern sich insgesamt als Richard-Wagner-Stadt neu zu definieren. Mit dem zeitgemäßen Wagner-Denkmal des Bildhauers Stephan Balkenhol, zahlreichen Aktivitäten, Ausstellungen, Aufführungen, Konzerten, hochkarätigen Publikationen sowie einer herausragenden touristischen Vermarktung ist die ganze Stadt plötzlich Wagner. Unter dem griffigen Slogan „Richard ist Leipziger“ scheint den Verantwortlichen schlagartig klar geworden zu sein, dass unter allen großen Musikern und Komponisten, die mit Leipzig in Verbindung stehen (Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara und Robert Schumann …),  Richard Wagner der einzige ist, der auch hier geboren wurde.

Basis der neuen Leipziger Wagner-Tradition ist eine Dauerausstellung mit dem Titel „Der junge Wagner“. Die Kulturstiftung Leipzig, eine Stiftung unter anderem für Denkmalpflege und Stadtkultur, hatte die äußerst informative und bestens gelungene Schau in der Nikolaischule und damit an einem absolut authentischen Ort eingerichtet. Richard Wagner hatte die Nikolaischule zwischen 1828 und 1830 besucht.

Richard Wagner und Leipzig: lange Zeit hielt man nur die Tatsache für bemerkenswert, dass Wagner hier geboren wurde, mehr nicht. Kein Wunder, denn in der „Musikstadt von Welt“ wird praktisch jedes Jahr irgendein musikalisches Jubiläum gefeiert. 2009 Felix Mendelssohn Bartholdy, 2010 Johann Sebastian Bach und Robert Schumann, 2011 Gustav Mahler (war an der Seite von Arthur Nikisch von 1886 bis 1888 zweiter Kapellmeister am Leipziger Stadttheater), 2012 der Thomanerchor.

Richard Wagner ist der einzige der großen Komponisten, dessen Wiege in Leipzig stand. Hier ging er zur Schule, hier reifte sein Entschluss, Musiker zu werden. In Leipzig fand er das nötige Rüstzeug dafür, empfing prägende Eindrücke im Theater- und Konzertleben und erlebte die Aufführung erster eigener Kompositionen, die Ouvertüre Nr. 1 d-Moll und die Sinfonie C-Dur.

Um den jungen Wagner in der Nikolaischule zu erleben, muss der Besucher erst einmal in das Kellergewölbe hinabsteigen. Wirkliche Ausstellungsstücke gibt es, vom Entwurf einer überdimensionalen Denkmalsbüste von Max Klinger, nicht. Dafür aber zahlreiche, wirklich gut aufbereitete Tafeln über das Leipzig Richard Wagners, über seine Stationen in der Stadt, viele historische Bilder, von denen selbst Kennern manches unbekannt sein dürfte, und in jedem Raum mehrere Audio- und Video-Stationen mit Wortbeiträgen, Musikbeispielen und Szenenausschnitten.

Erstmals, da sind die Verantwortlichen besonders stolz, widmet sich eine Ausstellung ausschließlich der Persönlichkeit des jungen Richard Wagner. Erstmals, so heißt es in den Verlautbarungen weiter, „werden seine Jugend, sein Umfeld, seine musikalische Ausbildung, die prägenden Bildungseindrücke und sein Frühwerk in der Tiefe durchdrungen“. Die Schau mache deutlich, wie ein junger Mann „mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein auch unter schwierigen sozialen Bedingungen seinen Weg sucht und findet“.

Tatsächlich macht die Ausstellung dem Besucher aber auch klar, dass der 21-jährige Wagner als er Leipzig erst in Richtung Würzburg, dann nach Magdeburg verließ, ein weitgehend ausgebildeter Komponist und Dirigent war. Wagner war zu diesem Zeitpunkt mit allen für seine Entwicklung wichtigen neuen  und klassischen Werken der Musik und Literatur vertraut. Obwohl sein Wirken in Leipzig im Mittelpunkt stehen soll, werden auch andere Stationen seiner Jugend zumindest angerissen, so etwa seine Kindheit in Dresden mit dem Besuch der Kreuzschule ab 1822.

Beim Gang über die moderne Eisentreppe in das aufwändig restaurierte Kellergeschoss wird dem Besucher die Historie des Gebäudes bewusst. Schon 1512 hatte das neue Schulhaus am Nikolaikirchhof 2 den Schulbetrieb aufgenommen. Nach nicht einmal 100 Jahren war schon der zweite Neubau an Ort und Stelle entstanden. Prominente Schüler waren neben Richard Wagner einer Tafel an der Außenwand zufolge die Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Thomasius, sowie die Schriftsteller Johann Gottfried Seume und Guido Theodor Apel. Letzterer war mit Richard Wagner befreundet.

Der schlichte Bau mit seiner spartanischen Ausstattung wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach verändert und erweitert. 1827 war die klassizistische Aula im zweiten Stock entstanden, die heute den Beinamen Richard-Wagner-Aula trägt. Diese Aula wurde außer für Festlichkeiten auch für den normalen Schulbetrieb genutzt. Hier in der Aula wurde Richard Wagner am 21. Januar 1828 in die Schule offiziell aufgenommen.

Gerade die Rezeption des jungen Wagner sei in der Vergangenheit fast immer zu kurz gekommen und bedarf daher einer umfassenden musikwissenschaftlichen Neubewertung, heißt es von Seiten der Stiftung. Die Dauerausstellung war in Zusammenarbeit mit dem Richard -Wagner-Verband Leipzig entstanden Das gesamte Projekt wurde mit rund 310000 Euro veranschlagt und wurde ausschließlich durch private Spenden und Fördermittel realisiert.

Die Kulturstiftung Leipzig als Träger der Ausstellung wurde 1990 als erste Stiftung privaten Rechts in Sachsen zugelassen. Unter ihrem damaligen Präsidenten, dem weltberühmten Dirigenten Kurt Masur, stellte sie sich die Aufgabe, die Stadt Leipzig auf dem Gebiet der Stadtkultur zu unterstützen. „Unsere wichtigsten Projekte waren bisher die Sanierung der Alten Nikolaischule, die Gestaltung des Nikolaikirchhofes mit der Nikolaisäule oder aber die Verwirklichung der Demokratieglocke auf dem Augustusplatz, so der heutige Präsident, der Pianist Rolf-Dieter Arens.

Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 im Haus zum Roten und Weißen Löwen am Brühl geboren (heute Gedenktafel am Kaufhaus Brühl 3). Im August des gleichen Jahres wurde er in der Thomaskirche getauft, zu dieser Zeit tobte bereits die Völkerschlacht um Leipzig. Nachdem sein Vater Carl Friedrich Wilhelm Wagner ein halbes Jahr später im November an der grassierenden Typhus-Epidemie verstorben war, heiratete die Mutter Johanna Rosine, geborene Pätz, am 28. August 1814 Ludwig Geyer. Anschließend zog die Familie nach Dresden. Nach dem Tod des Stiefvaters sieben Jahre später besuchte Richard Wagner zunächst die Dresdner Kreuzschule, ehe er 1828 wieder nach Leipzig zurückkam und die Tertia der Nicolaischule besuchte. 1830 trat er an die Thomasschule über. 1833 verließ er Leipzig und wurde zunächst Chordirektor in Würzburg, ein Jahr später Kapellmeister in Magdeburg.

Die Ausstellung im Untergeschoss der Alten Nikolaischule (Nicolaikirchhof 2)ist täglich (außer montags, freitags und an Feiertagen) von 12 Uhr bis 17 Uhr geöffnet. Eintrittspreise: Erwachsene 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro, Katalog 9 Euro. Im Rahmen des Ausstellungsbesuches ist die Besichtigung der klassizistischen Richard-Wagner-Aula nur nach Voranmeldung unter kulturstiftungleipzig@t-online.de möglich.

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01.07.2013

Wagner in Purpurviolett
Ottmar Hörl stellt zur Festspielzeit 500 Richard-Wagner-Figuren in Bayreuth auf

Bayreuth. Ottmar Hörl ist ein ganz pragmatischer Künstler: „Wenn 500 Stück verkauft sind, na dann werden einfach 500 nachproduziert“, sagt er und zeigt seine Wagner-Figur, von denen er heuer zur Festspielzeit 500 Stück im Festspielpark und in der Innenstadt postiert.

Die ersten Farbmuster, purpurviolett, nachtblau und bordeauxviolett, angeblich Wagners Lieblingsfarben, sind fertig. Als er sie zum Pressetermin vor dem Wittelsbacher-Brunnen in der Opernstraße aufstellt, dauert es nicht lange, bis die Figuren von der nächsten Touristengruppe in Beschlag genommen werden.

„Wagner dirigiert Bayreuth“ ist der offizielle Titel der spektakulären Schau und Ottmar Hörl erklärt, was es damit auf sich hat. Nicht nur, dass der Komponist in Dirigentenpose gezeigt wird: „Nein, wenn Wagner nicht gekommen wäre, dann hätte Bayreuth das gleiche Schicksal wie viele andere Provinzstädte erfahren.“ Soll heißen, den Weg in die Bedeutungslosigkeit. Für Ottmar Hörl ist die Stadt Bayreuth Teil des Gesamtkunstwerkes was wiederum bedeutet: „Richard Wagners Idee hat die ganze Stadt beeinflusst und die ganze Welt verändert.“

Ottmar Hörls ungewöhnliche Herangehensweise an Richard Wagner und sein Werk drückt sich auch in der Größte der Figuren aus: einen Meter und exakt zwei Zentimeter. Er habe ganz bewusst kein monumentales Denkmal schaffen wollen“, erklärt der Bildhauer. Potenziert auf die Masse der Figuren ist sich Ottmar Hörl aber dennoch sicher, dass er damit den gewaltigen Impuls aufzeigen kann, der von Richard Wagner ausgegangen ist. Wagner, so philosophiert er, habe durch die Radikalität seiner Vorgehensweise alles verändert, sanft wäre das nicht gegangen.

350 Figuren sollen im Umfeld des Festspielhauses aufgestellt, weitere 150 in der Innenstadt verteilt werden. „Ich würde gerne auch 20000 Stück aufstellen“, sagt Ottmar Hörl, doch 500 sei einfach eine finanzielle Grenze, zumal die gesamte Aktion nur mit einem Drittel über Förderer und Sponsoren gedeckt ist. Die anderen zwei Drittel der Kosten will Ottmar Hörl durch den Verkauf seiner Skulpturen einspielen. Eine Figur kostet im Subskriptionspreis 300 Euro, Vorbestellungen gebe es bereits. Dazu wird in der Kanzleistraße 6 eigens ein Projektbüro eröffnet, in dem es auch weiterführende Informationen zu der Schau geben soll.

Im Gegensatz zu 2004 sei man diesmal von der Stadt Bayreuth mit offenen Armen empfangen worden, sagt Hörls Agent Christoph Maisenbacher aus Trier. Damals, 2004, hatte Hörl 800 Neufundländer in Originalgröße an den Parkbänken der Stadt postiert. 20 Prozent der aufgestellten Hunde seien damals gestohlen worden, obwohl er die Hunde nicht nur symbolisch an die Kette gelegt hatte. „Das geht natürlich bei Wagner nicht“, sagt er und beteuert, die gestohlenen Exemplare stets auf eigene Kosten ersetzt zu haben.

Bereits am 16. Juli soll in der gesamten Stadt der Aufbau gestartet werden. Die Figuren werden diesmal durch ein besonderes System gesichert und durch einen eigens engagierten Wachdienst geschützt. Produziert werden die Figuren übrigens in Neustadt bei Coburg, und nicht etwa in China, das ist dem Künstler ganz besonders wichtig. Sämtliche Figuren würden in hochwertiger Handarbeit in einem speziellen Vakuumverfahren hergestellt. Obwohl alle mit einem spezielle Kunststoffschaum befüllt sind, haben sie keine Naht.

Offiziell eröffnet wird die Ausstellung am 23. Juli um 16 Uhr vor dem Rathaus, sie bleiben bis zum Ende der Festspielzeit am 28. August stehen.

Bild: Richard Wagner in purpurviolett, nachtblau und bordeauxviolett: zum 200 Geburtstag des Komponisten wird Ottmar Hörl heuer zur Festspielzeit in Bayreuth 500 Wagner-Figuren postieren.

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04.06.2013

„Castorf wird in Bayreuth nichts zertrümmern“
Katharina Wagner bei Berliner Soiree zum 200. Geburtstag Richard Wagners

Berlin/Bayreuth. Musiker für das Bayreuther Festspielorchester zu bekommen wird mehr und mehr zum Problem. Das hat Festspielleiterin Katharina Wagner bei einer Soiree zum 200.Geburtstag Richard Wagners am Dienstagabend in Berlin beklagt. Als Grund dafür nannte die Urenkelin Richard Wagners vor Politikern und Kulturschaffenden aus der Hauptstadt die Ausweitung der Spielzeiten an vielen großen Theatern und bei zahlreichen Orchestern.

Gerade die Zusammensetzung des Festspielorchesters und auch des Festspielchors mit den verschiedensten Musikern und Sängern aus allen Teilen Deutschlands, Europas und der Welt mache die Einzigartigkeit Bayreuths aus. „Die Leute machen das in ihren Ferien, in ihrer Freizeit, alle kommen freiwillig“, sagte Katharina Wagner. Dadurch entstehe nicht nur ein musikalisches Miteinander, sondern eine Art familiärer Zusammenhalt.

In Sichtweite des Reichstagsgebäudes plauderte Katharina Wagner über den 200. Geburtstag ihres Urgroßvaters, über ihr Aufwachsen im Umfeld des Festspielhauses und über das Jubiläumsjahr. Zum neuen Ring, den der Regisseur und Intendant der Berliner Volksbühne Frank Castorf bereits seit April in Bayreuth probt, gab Katharina Wagner kaum etwas preis. Wenn Castorf landläufig als „der Zertrümmerer“ gelte, dann könne sie aus ihrer Sicht sagen, dass er in Bayreuth nichts zertrümmern werde. „Das was man bislang sehen kann, ist beeindruckend“, so die Festspielleiterin. Sie habe nicht das Gefühl, das Castorf Dinge tut, nur um zu provozieren.

Vor dem Hintergrund der Probenarbeit sprach Katharina Wagner aber auch ein anderes aktuelles Problem an: „Wir haben einen Mangel an Proben- und Lagerräumen am Festspielhaus.“ Deshalb seien seit geraumer Zeit auch regelmäßig Sattelschlepper zwischen Festspielhaus und angemieteten Räumen im Stadtgebiet unterwegs. Kritikern, die den Platzbedarf mit Hinweis auf vergangene Jahre und Jahrzehnte in Zweifel ziehen, entgegnete Katharina Wagner, dass sich die Bühnentechnik in der Vergangenheit gewaltig weiterentwickelt habe. Auch die Erwartungen des Publikums und aller Beteiligten hätten sich stark verändert, so dass ein neuer Platzbedarf entstanden sei. Castorf probe derzeit beispielsweise  auf der Hauptbühne im Original-Bühnenbild.

Als Riesenerfolg bezeichnete die Festspielleiterin das Geburtstagskonzert im Festspielhaus, bei dem Christian Thielemann am 22. Mai das Festspielorchester auf offener Bühne geleitet hatte. Die Live-Übertragung des Kulturkanals Arte habe herausragende Einschaltquoten erzielt, das Konzert sei in vielen Ländern der Erde gezeigt worden und habe beste Kritiken bekommen. Allerdings sei das Konzert auch extrem aufwändig gewesen. Mit jedem einzelnen Musiker hätten umfangreiche Verträge geschlossen werden müssen, das Hintergrundbild des Malers Anselm Kiefer sei eigens aus Paris eingeflogen worden und habe umfangreich versichert und bewacht werden müssen.

Veranstalter der Soiree in Berlin war der Bayreuther Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk. Er hatte in seiner Funktion als Parlamentarischer Finanzstaatssekretär erst vor wenigen Wochen die neue Sonderbriefmarke und Sondermünze „200 Jahre Richard Wagner“ vorgestellt. Er nannte Richard Wagner einen Komponisten, der nicht nur in allen Teilen der Welt bekannt sei, sondern auch weltweit verehrt werde.

„Bayreuth ist wirklich einmalig“, sagte die Abgeordnete Dagmar Wöhrl, die dem Kulturausschuss des Bundestags angehört. Es gebe nichts, worüber man so trefflich diskutieren und streiten kann, wie über Richard Wagner und sein Werk. Oberfrankens Regierungspräsident  nannte die Bayreuther Festspiele eine unwahrscheinliche Bereicherung für die Region, für Bayern, für Deutschland und weit drüber hinaus. Wenning vergaß es dabei nicht, die anderen kulturellen Highlights Oberfrankens hervorzuheben. Namentlich nannte er die Bamberger Symphoniker, die Luisenburg Festspiele in Wunsiedel und die Theater in Coburg und Hof. Oberfranken sei in Sachen Kultur ganz hervorragend ausgestattet.

Ermöglicht wurde die Soiree „200 Jahre Richard Wagner“ durch das finanzielle Engagement der Oberfrankenstiftung und der bayerischen Sparkassen. Deren Obmann Siegmund Schiminski, Vorstand der Sparkasse Bayreuth, schwärmte nicht nur von den Festspielen, sondern sorgte mit der Sopranistin Isabelle Catherine Vilmar und dem Pianisten Alexander Fleischer , dass die Besucher auch das Werk Wagners kennenlernen durften. Die Hamburger Sopranistin war nicht nur Richard-Wagner-Stipendiatin, sondern auch mehrfach Teilnehmerin des Festivals Junger Künstler in Bayreuth. In Berlin sang sie Ausschnitte aus „Lohengrin“, „Tannhäuser“ und „Walküre“ sowie die Wesendonck-Lieder.

Bilder:
- Katharina Wagner.
- Ein für das Erzgebirge typisches Räuchermännchen in Gestalt Richard Wagners überreichte der Tourismusausschussvorsitzende im Deutschen Bundestag Klaus Brähmig (links) an Festspielleiterin Katharina Wagner. Rechts im Bild der Bayreuther Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk.

- Wagner-Stipendiatin Isabelle Catherine Vilmar und Pianist Alexander Fleischer führten bei der Soiree in Berlin Ausschnitte aus Werken Wagners auf.

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21.05.2013

Preisverfall, Massengeschäft und überalterte Kundschaft : Die Branche stirbt langsam aus“ / Der Antiquar Rainer Schlicht handelt in Bayreuth und Berlin mit Briefen, Büchern und Büsten

Bayreuth. „Das Zeitalter Gutenbergs ist vorbei“, sagte Rainer Schlicht und wagt einen düsteren Ausblick auf die Zukunft seiner Branche. Rainer Schlicht ist Antiquar. Seit über 30 Jahren handelt der heute 58-Jährige mit Büchern, seit 1984 hat er einen eigenen Laden in Berlin, seit 1999 ein Geschäft in Bayreuth.

Hier in der Hofgartenpassage dreht sich alles um Richard Wagner und sein Umfeld. Einige wenige andere Komponisten finden sich unter den Büchern, Büsten, Handschriften, Medaillons, und Schallplatten. Derzeit steht sogar das Cembalo eines Heidelberger Instrumentenbauers mitten im Laden. Er hat es auf Kommission übernommen, aber das ist eine Ausnahme. Ansonsten handelt er mit wertvollen Autographen, kostbaren Einzelstücken und allerhand anderen Dingen, die da Herz eines jeden Liebhabers höher schlagen lassen. Auch einiges Nichtmusikalisches ist darunter, wie das signierte poetische Werk des Philosophen August Wilhelm Schlegels, einige alte Stadtansichten, dekorative Graphik oder wertvolle Drucke.

Handgeschriebene Briefe von Gustav Mahler oder Johannes Brahms waren auch schon öfter mal dabei, in den zurückliegenden Jahren seien 15 unveröffentlichte Briefe Richard Wagners über seinen Tresen gegangen. Zuletzt einer, in dem es um die Innenausstattung Wahnfrieds ging, welch ein Schatz aus aktueller Sicht. Hinten im Eck steht ein Notenständer aus dem Orchestergraben des Festspielhauses von 1876 mit dem elektrifizierten Aufsatz aus den 1920er Jahren, im Schaufenster eine glänzende Liszt-Büste aus Porzellan, ein Einzelstück, das für 1200 Euro zu haben ist.

Rainer Schlicht sieht sich als traditionelles Antiquariat, „von denen es nur noch sehr wenige gibt“. Das Massengeschäft, das längst über das Internet abgewickelt wird, habe ihn nie interessiert. Der Preisverfall sei das eine, das Aussterben des traditionellen Buchhandels das andere. Zwei Drittel des gesamten deutschen Buchhandels würden in den kommenden fünf bis zehn Jahren schließen, ist er sich sicher.

Irgendwann könnte das Buch wieder etwas ganz Besonderes, Exklusives werden, so wie zuletzt im 18 Jahrhundert. Hauptgrund dafür sie allerdings nicht das Internet, sondern vielmehr das fehlende Bildungsbürgertum hierzulande. Sein durchschnittlicher Kunde sei mittlerweile deutlich über 60. Rainer Schlicht erinnert sich überhaupt nur an einen einzigen regelmäßigen Kunden, der unter 40 ist. Die Hälfte seines Jahresumsatzes macht er mit nicht deutschsprachigen Ausländern. Schallplatten kaufen sie beispielsweise, denn für wirklich seltene und teure Platten gebe es nur noch in Fernost Interessenten. Noch so ein Phänomen der Gegenwart: Es gebe zwar immer noch genug Menschen, die sich für Musik interessieren, aber nicht unbedingt mehr für die Hintergründe deren Entstehung.

Auf Auktionen, bei Antiquariatskollegen und von privat bezieht Rainer Schlicht seine Schätze. Vieles wird ihm auch angeboten. Der Verkauf läuft übe die regelmäßig erscheinenden (gedruckten) Kataloge, er besucht Messen, wie die renommierte Stuttgarter Antiquariatsmesse, er stellt seine Angebote bei Online-Plattformen und auf seiner eigenen Internetseite (www.antiquariat-schlicht.de) ein. Immerhin 25 Prozent seines Umsatzes macht er über das Internet, 6000 Titel seien ständig im Netz, „ich könnte aber auch ohne leben“, fügt er selbstbewusst an.

Was die wenigsten wissen: Rainer Schlicht ist gebürtiger Oberfranke. In Forchheim wurde er geboren, mit 19 kam er dann nach Berlin. Nach einer Bauschlosserlehre und dem Studium der Betriebswirtschaft machte er sich selbständig und handelte fortan mit Büchern. Als regelmäßiger Besucher der Festspiele entschloss er sich 1999, es mal mit einem Laden in Bayreuth, damals noch am Marktplatz, zu versuchen. Sechs Jahre lang führte er das Geschäft in der kleinen Passage nahe der Schlossparfümerie. Doch die Veränderungen in der Innenstadt ließ die Laufkundschaft wegbrechen, so dass er sich in der Folge zwei Jahre lang auf einen kleinen Sommerladen konzentrierte, ehe er in die Hofgartenpassage umzog. Die Laufkundschaft halte sich dort zwar in Grenzen, doch sei der Standort während der Festspielzeit gar nicht so schlecht, etwa wenn der Pianist Stefan Mickisch nebenan im Evangelischen Gemeindehaus seine Einführungsvorträge veranstaltet.

Bild: Brahms statt Wagner: der Antiquar Rainer Schlicht in seinem Bayreuther Ladengeschäft in der Hofgartenpassage.

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06.05.2013

Symbol deutscher Kultur und ihrer Geschichte / Sonderbriefmarke und Gedenkmünze zum 200. Geburtstag Richard Wagners vorgestellt

Bayreuth. Zum 200. Geburtstag wird Richard Wagner mit einer Sonderbriefmarke und einer Gedenkmünze geehrt. Für das Bundesfinanzministerium als Herausgeber überreichte der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk am Montag im Chorsaal des Bayreuther Festspielhauses die ersten Exemplare an die beiden Festspielleiterinnen und Wagner-Urenkelinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner. Noch am selben Tag wurde die Marke in Wagners Geburtsstadt Leipzig sowie im sächsischen Graupa vorgestellt. Dort hatte Richard Wagner den Lohengrin im Wesentlichen niedergeschrieben.

Es zeige die enorme Bedeutung Richard Wagners, wenn sich sogar das Bundesfinanzministerium mit ihm befasst, sagte Katharina Wagner augenzwinkernd. Niemand habe eine solche Auszeichnung mehr verdient als Richard Wagner, so der frühere bayerische Finanzminister und jetzige Vorstandsvorsitzende des Mäzenatenvereinigung „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ Georg von Waldenfels. Staatssekretär Koschyk nannte Richard Wagners Festspiele in Bayreuth ein „Kulturereignis von Weltgeltung“ und ein Symbol deutscher Kultur und ihrer Geschichte, „in ihrer Größe ebenso, wie in ihren Abgründen“.  

Schon zu Lebzeiten sei Richard Wagner eine Berühmtheit gewesen, sagte Staatssekretär Koschyk. Im letzten Jahr seines Lebens habe er den Zenit seines Erfolgs mit dem Bau des Festspielhauses und den ersten Festspielen genießen können. Besonders der bayerische König Ludwig II. habe Wagner mit erheblichen Mitteln unterstützt und mitgeholfen, die Voraussetzungen für dessen Erfolg zu schaffen. Allerdings sollte an einem derartigen Tag auch das „antisemitische Element im Weltbild Richard Wagners“ nicht verdrängt werden. Koschyk bedankte sich deshalb bei Festspielleitung und Stadt Bayreuth für die Auseinandersetzung mit diesen Schatten in Leben und Werk Richard Wagners. Dies gelte auch für den Missbrauch des Werkes Wagners in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und gerade in Bayreuth.

Koschyk nahm bei der Briefmarkenpräsentation auch zur Sanierung des Festspielhauses Stellung. Der Bund werde seinen angemessenen Beitrag zu der umfangreichen Sanierung des Hauses leisten. Mit vereinten Kräften sollen die notwendigen finanziellen Mittel aufgebracht werden, um den Spielort für das herausragendste deutsche Musikfestival im neuen Glanz erstrahlen zu lassen. Nachdem die Bayerische Staatsregierung ebenfalls ihre Unterstützung bereits zugesagt hatte, zeigte sich Koschyk gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern, der Stadt Bayreuth und der Gesellschaft der Freunde zuversichtlich, „diesen Kraftakt zu einem erfolgreichen Abschluss bringen zu können“.

Die Sonderbriefmarke hat einen postalischen Portowert von 58 Cent und wurde in der relativ hohen Auflage von 7,4 Millionen Stück gedruckt. Der Entwurf stammt von der Grafikerin Julia Warbanow aus Berlin. Die Zehn-Euro-Gedenkmünze hatte der Graveurmeister und Medailleur Erich Ott aus München entworfen. Von der Münze gibt es 1,5 Millionen Stück. Sowohl auf der Briefmarke als auch auf der Münze ist ein Portrait Richard Wagners zu sehen. In der Randschrift der Münze wird Richard Wagner mit den Worten zitiert: „Wandel und Wechsel liebt, wer lebt“. Während die Briefmarke ab sofort an allen Verlaufsstellen der Deutschen Post erhältlich ist, müssen sich Münzsammler noch bis 22. Mai, dem Geburtstag Richard Wagners gedulden. Die Präsentation der Sondermarke und der Gedenkmünze umrahmte der weltberühmte Bariton Samuel Youn mit der Arie des Amfortas aus dem ersten Aufzug des Parsifal und dem Monolog des Fliegenden Holländers. Aktuell singt Youn die Titelpartie des Fliegenden Holländers in Bayreuth.

Bild:
- Die beiden Festspielleiterinnen und Wagner-Urenkelinnen Katharina Wagner (rechts) und Eva Wagner-Pasquier erhielten aus den Händen des Parlamentarischen Finanzstaatssekretärs Hartmut Koschyk Erstausgaben der neuen Sondermarke und der Gedenkmünze zum 200. Geburtstag von Richard Wagner.

- Sondermarke für den Fliegenden Holländer: Samuel Youn erhielt die Briefmarke und die Gedenkmünze in wertvollen Erstausgaben aus den Händen von Staatssekretär Hartmut Koschyk.

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Zum 50. Todestag von Kirsten Flagstad am 7. Dezember 2012

Die Stimme des Jahrhunderts:
Im norwegischen Hamar erinnert ein Museum an den Weltstar aus Norwegen

Das Schwarz-Weiß-Foto, das Kirsten Flagstadt mit Speer, Schild und Helm als Brünnhilde zeigt, ging um die Welt, ihre Aufnahmen füllen noch immer die CD-Regale und ihre Stimme ist unvergessen. Knapp 200 Mal gab sie die Isolde auf der Bühne, fast 80 Mal die Brünnhilde, insgesamt existieren an die 1000 verschiedenen Tonaufnahmen von ihr und es tauchen immer noch neue auf. Sogar ein Stern auf dem „Walk of Fame“ in Hollywood trägt ihren Namen, ihr Konterfei ziert Briefmarken und Geldscheine. Seit 1985 gibt es einen, wahrscheinlich den einzig authentischen, Erinnerungsort, das Kirsten-Flagstadt-Museum im Geburtshaus des Weltstars in Hamar, eineinhalb Eisenbahnstunden nördlich von Oslo gelegen, oder besser abgelegen.

„Ich sage immer, dass ich aus Hamar bin, ich bin stolz darauf. Ich fühle immer noch, dass Hamar meine Stadt ist.“, wird Kirsten Flagstad in einem Interview aus dem Jahr 1958 zitiert. In dem bescheidenen einstöckigen Holzhaus an einer Ausfallstraße des Provinzstädtchens wurde sie am 12. Juli 1895 als Älteste von vier Geschwistern geboren und so gar nichts deutete hier auf eine Weltkarriere hin. Lediglich die Musik wurde der „Stimme des Jahrhunderts“ in Hamar bereits in die Wiege gelegt: Vater Michael Flagstad (1869 – 1930) war Kapellmeister, die Mutter Marie (1871 – 1958) Pianistin, beide waren an verschiedenen Theatern in Oslo tätig. Bereits 1896 ist die Familie auch dorthin gezogen und lebte zunächst in der Niels Juelsgate 6, später in der Ivar Aasens Vei 11.

Als Sechsjährige bekam Kirsten Klavierunterricht, lernte schnell, spielte bald Schubert, ehe sie mit zehn Jahren einen Lohengrin-Klavierauszug geschenkt bekam und sich selbst die Partie der Elsa beibrachte. Zu ihrer Konfirmation soll sie einige Kostproben daraus dem versammelten Familien- und Freundeskreis vorgetragen haben. Zu den Zuhörern gehörte auch die Gesangpädagogin Ellen Schytte Jacobsen (1876-1959), die sich daraufhin anbot, Kirsten gratis Gesangsunterricht zu geben. Hatte „Tante Ellen“ gemerkt, dass da ein Talent schlummerte?

Über die Weltkarriere Kirsten Flagstads ist viel geschrieben worden. Die Elsa im Lohengrin wurde dabei so etwas wie eine Schicksalsparte. 1929 gab sie damit ihr Debüt im Osloer Nationaltheater. Schon lange vorher, am 12. Dezember 1913 mit gerade einmal 18 Jahren trat sie an gleicher Stelle bereits in einer kleinen Rolle in der Oper „Tiefland“ von Eugen d’ Albert auf. Im Publikum: König Haakon und Königin Maud. Dazwischen lagen Lehrjahre an verschiedenen Theatern in der Hauptstadt, mit dauerndem Wechsel zwischen Opern, Operetten, Revuen und Konzertengagements. Die Flagstad brachte es fertig, am gleichen Abend in einer Revue und anschließend an einem anderen Haus das Sopransolo in Beethovens 9. Sinfonie zu singen, heute undenkbar.

1932 folgte erstmals die Isolde im Nationaltheater in Oslo, die so umwerfend gewesen sein muss, dass die internationale Musikwelt von Kirsten Flagstad Notiz nahm. Die Sopranistin Ellen Gulbranson vermittelte sie daraufhin an Winifred Wagner. Kirsten Flagstad wurde nach Bayreuth zum Vorsingen eingeladen und für 1933 und 1934 engagiert. So sang sie 1933 die Ortlinde in der „Walküre“ und die 3. Norn in der „Götterdämmerung“, 1934 die Sieglinde in der „Walküre“ und die Gutrune in der „Götterdämmerung“.

Schon 1934 folgte die Metropolitan Opera in New York, wo sie schnell zum Publikumsliebling aufstieg, unermüdlich durch die Staaten tourte, Open-Air-Konzerte vor 100000 Zuhörern in den großen Football-Stadien gab und wo sie nach 1938 auch für einige Jahre lebte. Diese Jahre wurden zum Höhepunkt in Kirsten Flagstads Karriere mit Gastauftritten an fast allen großen Opernhäusern in Europa und den USA sowie Konzerttourneen bis nach Australien. Längst war sie zu dieser Zeit auch ein Plattenstar, viele Radiosendungen und Auftritte in Oper und Konzert wurden damals mitgeschnitten, erschienen später auf Schallplatte und sind heute noch, beziehungsweise wieder, auf CD erhältlich.

Allerdings warf der Zweite Weltkrieg auch seine Schatten auf die Karriere von Kirsten Flagstad. Ihrem zweiten Ehemann, dem Holzhändler Henry Johansen wurden geschäftsmäßigen Verbindungen zur deutschen Besatzungsmacht vorgeworfen. Geklärt wurde die Sache nie ganz, Johansen wurde festgenommen, inhaftiert und verstarb 1946. Kirsten Flagstad, deren Pass und Vermögen beschlagnahmt wurden,  musste viele Jahre danach noch schlimme Anfeindungen über sich ergehen lassen. Dabei hatte sie es während des Krieges abgelehnt, in Deutschland, in den von Deutschen besetzten Ländern und vor Deutschen in Norwegen aufzutreten. Das ist auch der Grund dafür, dass die Flagstad als eine der größten Wagner-Interpretinnen der Musikgeschichte nicht mehr den Grünen Hügel erklimmen konnte.

Erst spät, 1958, wurde sie zur Leiterin der Norwegischen Oper ernannt. Bis zu ihrem Tod am 7. Dezember 1962 lebte Kirsten Flagstad in Kristiansund an der Atlantikküste. Sie war zuletzt schwer krank und musste langwierige Klinikaufenthalte über sich ergehen lassen. Privat war Kirsten Flagstad zwei Mal verheiratet, aus der erste Ehe mit dem norwegischen Geschäftsmann Sigurd Hall stammt ihre einzige Tochter Else-Marie, die 1920 zur Welt kam.

Eine Grabstätte gibt es von Kirsten Flagstad nicht. Sie wurde auf eigenem Wunsch eingeäschert und in einem anonymen Gemeinschaftsgrab auf dem Osloer Friedhof Vestre Gravlund beigesetzt. Anderen Quellen zufolge soll ihre Asche im Meer verstreut worden sein. Heute erinnert  eine lebensgroße Statue des Bildhauers Joseph Grimeland vor dem Opernhaus in Oslo an die Sängerin. Vor dem Museum in Hamar gibt es eine wunderschöne Büste.

In dem Museum sind zahlreiche Kostüme, beinahe unzählige Rollenfotos, viele Devotionalien, und Gebrauchsgegenstände wie ihr Schminkkoffer zu sehen. Auch Schmuck ist ausgestellt, der in ihrem Leben nicht nur auf der Bühne eine wichtige Rolle spielte, schließlich soll die Flagstad angeblich nie ohne Perlenkette aus dem Haus gegangen sein. Jeder Besucher kann sich auch in die zahlreichen Ordner vertiefen, in denen ihre Opern-, Rezital- und Konzertprogramme, Zeitungsausschnitte mit Reportagen und Rezessionen, Artikel, Interviews, Spielpläne, Verträge, Tagebücher, Kopien von ihren eigenen Alben gesammelt wurden

Das Kirsten-Flagstad-Museum ist in der Kirkegata 11 in 2317 Hamar zu finden. Telefon: +47 62 53 32 77, Fax: +47 62 54 27 13, Mail: post@kirsten-flagstad.no. Die Öffnungszeiten: 10. April - 31. Mai und 1. September bis 31. Oktober jeweils von 12 bis 15 Uhr sowie 1. Juni bis 31. August jeweils von 12 bis 18 Uhr. Montags ist das Museum immer geschlossen, ebenso in den Monaten November und Dezember.

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06.08.2012

Hausorden für Mitwirkende am Grünen Hügel / Stadt Bayreuth zeichnete 49 langjährige Festspielmitwirkende aus

Bayreuth. 49 langjährige Mitwirkende der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele, vom Stardirigenten bis zum Statisten, hat die Stadt Bayreuth am Montag ausgezeichnet. Sie alle haben eines gemeinsam: Mit dem Ziel, das Werk Wagners auf die Bühne zu bringen, verbringen sie seit mindestens fünf Jahren, meist aber wesentlich länger, ihren Sommer am Grünen Hügel.

Allen voran „Tristan“-Dirigent Peter Schneider, der für 20-jährige Mitwirkung ein „Eichala“ als traditionellen Bayreuther Hausorden aus den Händen von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe bekam. Bei dem „Eichala“ handelt es sich um einen blumengeschmückten Bierkrug, dem als Zierde eine Eichel aus Zinn aufgesetzt wurde. Anderen Quellen zufolge soll die Bezeichnung von dem Begriff Eichung kommen, weil es genau einen halben, in der Luxusausführung auch einen ganzen Liter beinhaltet. Ein solches „Eichala“ ging auch an Eberhard Friedrich, dem sechsten Chordirektor der Festspiele überhaupt und nach Wilhelm Pitz und Norbert Balatsch dem dritten Chordirektor seit Wiederbeginn der Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg. Friedrich hatte 1993 als Chorassistent in Bayreuth begonnen, seit 2000 ist er Chordirektor.

Unter den Solisten wurden die Tenöre Arnold Bezuyen und Robert Dean Smith, die Sopranistinnen Michelle Breedt und Irene Theorin sowie der Bariton Detlev Roth ausgezeichnet. Weitere „Eichala“, Stahlstiche und Richard-Wagner-Medaillen gingen an Musiker des Festspielorchesters, Chorsänger, Bühnenarbeiter, Mitarbeiter der Kostüm- und Maskenabteilung, an Statisten sowie an die Souffleuse Ute Gherasim.

„Ihr erfolgreiche Arbeit trägt dazu bei, dass die Stadt Bayreuth einen internationalen Ruf als Kulturstadt besitzt und weltweit als Zentrum der Wagner-Welt gilt“, sagte Oberbürgermeisterin Merk-Erbe. Für alle Mitwirkenden werde die Stadt für einige Wochen des Jahres zur Heimat auf Zeit, sie bereicherten das Leben der Stadt und seien ihre besten Botschafter. Gerade in einer immer schnelllebiger werdenden Zeit, sei es wichtig, Danke zu sagen.

Bilder:
- „Bayreuth gilt als Zentrum der Wagner-Welt“ (von links): Festspielleiterin Katharina Wagner, Chordirektor Eberhard Friedrich, Festspielleiterin Eva Wagner-Pasquier, Dirigent Peter Schneider und Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe.

- Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (links) zeichnete die Sopranistin Irene Theorin mit einem wertvollen Stahlstich aus. Irene Theorin singt seit zehn Jahren im Festspielhaus, seit 2008 ist sie in der Partie der „Isolde“ zu erleben.

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25.07.2012

Sehen und gesehen werden: Bayreuth feierte Premiere der Richard-Wagner-Festspiele / 1400 geladene Gäste feierten den Auftakt des Opernfestivals

Bayreuth. Es ist in jedem Jahr das exklusivste gesellschaftliche Ereignis in Bayreuth: 1400 Gäste feiern im markgräflichen Neuen Schloss bei Bratwürsten, Rinderfilet, Frankenwein und Bayreuther Bier den Auftakt der Richard-Wagner-Festspiele. Zum ersten Mal hielten sich die Wagner-Schwestern Katharina und Eva dabei völlig zurück und überließen dem Dirigenten Christian Thielemann die Begrüßung. Der bedankte sich artig und in launigen Worten bei allen Mitwirkenden der vorangegangenen „Holländer“-Aufführung und zeigte sich erleichtert darüber, dass trotz der Aufregung um die kurzfristige Umbesetzung der Titelpartie alles glatt gelaufen sei. Wie berichtet hatte der Bassbariton Samuel Youn erst drei Tage vorher die Rolle des Holländer übernommen, weil der ursprünglich vorgesehene russische Sänger Evgeny Nikitin wegen eines Hakenkreuz-Tattoos für einen Eklat gesorgt hatte.

Bei der Premierenfeier war freilich von dem Eklat nichts mehr zu merken. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hatte die Aufführung zuvor ebenfalls gerühmt und die Oper mit der Politik verglichen: „Das Wichtigste ist die Inszenierung“, sagte er und begrüßte dabei innig seine grünen Baden-Württembergischen Amtskollegen Winfried Kretschmann. Dessen Fliege sei zwar grün, doch sie werde immer schwärzer, scherzte er. Blumen gab es aus den Händen den Ministerpräsidenten für alle weiblichen Mitwirkenden, einen Händedruck von ihm und Bundeskanzlerin Merkel für das gesamte Holländer-Team. „Es war wieder Weltspitze“, sagte Seehofer noch und die Bundeskanzlerin ergänzte: „Eine sehr interessante Aufführung, sehr gute Sänger und außerordentlich gut musiziert.“

Nach dem Motto „Sehen und gesehen werden“ wurde wieder bis weit nach Mitternacht gefeiert. Rene Lehrieder und sein Nürnberger Catering-Service hatten alle Hände voll zu tun, die ausnahmslos geladenen Gäste bei schweißtreibenden Temperaturen mit Speis und Trank zu versorgen. Sommerlich bunt und elegant dezent war die Abendgarderobe der prominenten Gäste, wobei letzteres heuer eindeutig überwog. Draußen am Brunnen vor dem Neuen Schloss hielten viele Schaulustige bis zuletzt aus.

Gefallen hatte es diesmal allen. Das war nicht immer so, doch mit der Verpflichtung des jungen Regisseurs  Jan Philipp Gloger hatten die Festspielleiterinnen Katharina Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier offensichtlich einen echten Glücksgriff getan. Dementsprechend strahlten sie bei der Premierenfeier auch um die Wette. Eine Premiere war der Staatsempfang auch für die neue Bayreuther Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, die wie schon zuvor auf dem Roten Teppich routiniert, mit neuer Frisur und einem eleganten Kleid passend zur Amtskette die vielen prominenten Gäste aus dem In- und Ausland begrüßte. Es sei schon toll, wenn man am Königsportal stehen dürfe“, räumte sie ein.

Er sei sehr angerührt und sehr beeindruckt, sprach Ex-Außenminister Hans Dietrich Genscher in die Mikrofone. Er hoffe, dass die kritischen Stimmen der letzten Tage etwas milder werden vor dem Hintergrund der großen künstlerischen Leistung. Tatort-Kommissar Miroslav Nemec räumte beim Staatsempfang ein, dass die Sitze im Festspielhaus schon ein bisschen hart seien, doch den „Holländer“ mit seinen zweieinhalb Stunden Spieldauer sei dies kein Problem. Schauspielerin Veronika Ferres bezeichnete die Inszenierung als „sehr stimmig“ und musikalisch als Hochgenuss.

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25.07.2012

Frauenpower am Grünen Hügel / 101. Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele mit „Holländer“-Neuinszenierung eröffnet

Bayreuth. Die Premiere findet diesmal schon vor der Premiere statt. Zum ersten Mal in der Geschichte von Bayreuth begrüßten drei Frauen die prominenten Gäste vor dem Königsportal des Festspielhauses. Die beiden Wagner-Schwestern Eva und Katharina sowie Bayreuths neue Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe. Allerdings nicht miteinander. Das Verhältnis zwischen den jeweils höchsten Vertreterinnen der Stadt und des Hügels soll nicht ungetrübt sein. Zuletzt hatte Merk-Erbe Katharina Wagner für ihre despektierlichen Äußerungen in Bezug auf Bayreuth öffentlich gerügt. So warteten die Wagner-Schwestern diesmal ab, bis die neue Oberbürgermeisterin mit ihrem Mann Thomas Erbe kurz vor Aufführungsbeginn ins Festspielhaus zu gehen und sich von der versammelten Presse geschickt inszeniert mit Blumensträußen ablichten zu lassen.

Im Mittelpunkt der 101. Richard-Wagner-Festspiele steht diesmal die Neuinszenierung des Fliegenden Holländers, was rund um den Roten Teppich für Verwirrung gesorgt hatte, denn der „Holländer“ beginnt als einzige, nicht zum Ring gehörende Oper in Bayreuth erst um 18 Uhr und nicht wie sonst immer um 16 Uhr. Schaulustige und Pressevertreter waren meist aus Unkenntnis trotzdem schon gegen Mittag in stattlicher Zahl vor dem Festspielhaus und warteten auf die VIPs. Einige zogen sogar wieder ab, kein Wunder, bei schwül-heißen Temperaturen von über 30 Grad.

Prominentester Gast war Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie schritt mit ihrem Mann Jochen Sauer über den Roten Teppich und ließ sich nicht lange bitten, den Schaulustigen in den ersten Reihen Autogramme zu geben, was bei den zahlreichen Sicherheitsleuten zunächst für Unruhe sorgte. Alle Augen waren auch auf Winfried Kretschmann gerichtet, dem grünen Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, der mit grüner Fliege um den Hals fast gleichzeitig mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer gekommen war. Anders als die Wagner-Schwestern und die Oberbürgermeisterin waren Seehofer und Kretschmann sofort bereit, sich bestens aufgelegt miteinander fotografieren zu lassen.

Als wäre es ein Wahljahr ist das bundesdeutsche Kabinett nahezu vollständig angetreten: Vizekanzler Philipp Rösler, der sich zuvor im Festspielpark die Freilichtausstellung „Verstummte Stimmen“ ansah, Außenminister Guido Westerwelle, Innenminister Hans-Peter Friedrich, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und Verkehrsminister Peter Ramsauer. Was für den Bund gilt, trifft auch für Bayern zu: Ministerpräsident Seehofer, der zuvor mit seiner Frau Karin Bayreuths neues Weltkulturerbe, das Markgräfliche Opernhaus besucht hatte, scharte Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Innenminister Joachim Herrmann, Europaministerin Emilia Müller, Justizministerin Beate Merk, Finanzminister Markus Söder, Wirtschaftsminister Martin Zeil, Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Sozialministerin Christine Haderthauer um sich.

Auch die früheren Politi-VIPs lassen sich Bayreuth nicht entgehen, so unter anderem der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und die ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten  Edmund Stoiber und Günther Beckstein. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Erzbischof Ludwig Schick deckten den geistlichen Teil ab, während die Schauspieler Michaela May, Edgar Selge, Veronika Ferres und Erol Sander den größten Applaus der Zaungäste bekamen. Nicht nach Bayreuth gekommen war in diesem Jahr der von vielen heiß ersehnte Thomas Gottschalk.

Neben dem Fliegenden Holländer in der Inszenierung von Jan Philipp Gloger und unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann stehen in diesem Jahr bis zum 28. August die Oper „Lohengrin“ in der Regie von Hans Neuenfels, Sebastian Baumgartens „Tannhäuser“, der „Parsifal in der Inszenierung von Stefan Herheim sowie „Tristan und Isolde“ unter der Regie von Christoph Marthaler auf dem Spielplan. Kräftig drehte sich dabei das Dirigentenkarussell: Mit Peter Schneider („Tristan“) und Andris Nelsons kehren nur zwei Maestros des Vorjahres in den Orchestergraben zurück. Den „Parsifal“ übernimmt diesmal Philippe Jordan, den „Tannhäuser“ Christian Thielemann, der auch den Holländer leitet und seit 2010 als musikalischer Berater des Festspielleitung fungiert.

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07/2012

Glücklicher Sommer in Fantaisie / Ungewisse Zukunft des Wagner-Zimmers – Zwei neue Faltblätter erinnern an den Aufenthalt des Komponisten

Eigentlich ist es eine Sensation: Das Donndorfer Hotel Fantaisie beherbergt den wahrscheinlich einzigen vollständigen und im Originalzustand erhaltenen Wohnraum Richard Wagners, zumindest in Bayreuth und Umgebung. Dennoch weiß niemand, wie es mit dem bescheidenem Zimmer und seinen einfachen Mobiliar weitergehen soll. Der Initiative des „literarischen Teams“ mit der Kulturwissenschaftlerin Karla Fohrbeck und dem Kulturjournalisten Frank Piontek ist es zu verdanken, dass nun zumindest mit zwei aufwändig gestalteten Faltblättern an den Aufenthalt Wagners in Fantaisie gedacht wird.

Viele Jahrzehnte lang befand sich das Wagner-Zimmer mit den insgesamt sieben erhaltenen Möbelstücken in einer Art Dornröschenschlaf. Vermietet wurde das Zimmer gelegentlich, während des Jahres an Durchreisende, während der Festspielzeit an Wagner-Kenner. Doch wer möchte heute noch ernsthaft in einem Zimmer ohne sanitäre Einrichtungen wohnen. Dusche und Toilette auf dem Gang, das ist längst nicht mehr zeitgemäß, auch wenn man dafür im mittlerweile 150 Jahre alten Doppelbett des Komponisten träumen kann.

Das Hotel Fantaisie in Sichtweite des gleichnamigen Schlosses wurde 1862 eröffnet. Das Schloss selbst bewohnte damals Herzog Alexander II. von Württemberg. Schon zehn Jahre später, am 30 April 1872 kam der berühmteste Gast aller Zeiten direkt aus Tribschen zusammen mit Frau Cosima, den fünf Kindern Daniela, Blandine, Isolde, Eva und Siegfried, Hund Ruß und einigem Personal. Während das Ehepaar Wagner das Zimmer mit Blick auf den Park bewohnte, bezogen Kinder und Personal die restlichen Räume in der zweiten Etage. Laut Gedenktafel am Hoteleingang blieben die Wagners bis August 1872. Glaubt man den Tagebüchern Cosimas sollen diese fünf Monate eine absolut glückliche Zeit gewesen sein. Die Sorgen schwanden und Wagner kam seinen Lebenszielen immer näher.

Viele wegweisende Dinge sind während dieser Zeit geschehen: Am 22. Mai 1872, Wagners 59. Geburtstag, wurde der Grundstein für das Festspielhaus gelegt und der Komponist leitete am Abend eine Aufführung von Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie im Markgräflichen Opernhaus. Erste musikalische Proben für die Uraufführung des „Ring des Nibelungen“ (1876) unter anderem mit dem Tenor Albert Niemann, dem späteren Siegmund, oder der Sopranistin Lilli Lehmann sind für Fantaisie verzeichnet, die Orchesterskizze der „Götterdämmerung“ wurde hier beendet, ebenso die Autobiographie „Mein Leben“ und die spätere Künstlervilla Wahnfried war bereits im Bau. Prominente Gäste besuchten die Familie Wagner in Fantaisie, darunter Friedrich Nietzsche und „Ring“-Dirigent Hans Richter.

Cosimas Tagebücher verzeichnen immer wieder auch ausgedehnte Spaziergänge durch den Park, bis zur Schweizerei, dem heutigen Gut Geigenreuth, oder durch das angrenzende „Salamandertal“, das Wagner an die Wolfsschlucht in Webers „Freischütz“ erinnert haben soll. Es fällt auf, dass sich Wagner an den kleinen Begebenheiten am meisten erfreuen konnte, an den Rufen der Pfaue, an blühenden Rosen, an vorbeihuschenden Glühwürmchen, am Zwitschern der Vögel und sogar am Regen, der die Landschaft ganz eigenartig verzaubert habe. Auch ganz banale Begebenheiten hielt Cosima fest, etwa ein Backenzahn, der Sohn Siegfried am 12. Juni 1872 geplagt haben soll.

Schloss und Park Fantaisie blieben aber auch in den Jahren danach immer wieder bevorzugte Ausflugsziele der Wagners. Schon im Oktober 1872 zeigte Cosima ihrem Vater Franz Liszt die Sommerwohnung, Mathilde Wesendonck führte man im Herbst 1875 hierher und noch 1879 schwärmte Cosima in ihrem Tagebuch von dem schönen Fleckchen Erde, „wo alles hoffnungsvoll war“.

Auch viele Jahrzehnte später kamen immer wieder berühmte Gäste. Spiegel-Gründer Rudolf Augstein habe Anfang der 1970er Jahre in Wagner Zimmer gewohnt, weiß Kulturwissenschaftlerin Karla Fohrbeck. Ihre Idee war es ursprünglich, das Zimmer zu einer kleinen Gedenkstätte umzugestalten, ähnlich wie das Dichterstübchen Jean Pauls in der Rollwenzelei. Da das Zimmer im zweiten Stock liegt, würde eine Gedenkstätte den Hotelbetrieb allerdings eher blockieren als fördern. Unterstützer habe sie für die Idee ohnehin nicht wirklich gefunden. Der Richard-Wagner-Verband finde das Ganze nicht so spannend, die Bayreuther Marketing und Tourismus GmbH habe bereits abgewunken und im Haus Wahnfried gebe es angeblich kein Interesse für die Möbelstücke. Für den Pächter ist das musikalisch-historische Erbe wohl eher ein Klotz am Bein, der Gemeinde Eckersdorf fehlen die Mittel und auch der Eigentümer des Hotels, die Brauerei Gebrüder Maisel weiß nicht so recht, was sie damit machen soll.

Bilder:
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 Aus dem Fenster und vom Balkon oben links hat Richard Wagner in den Frühjahrs- und Sommermonaten 1872 täglich auf den Park Fantaisie geblickt.
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 Eine Gedenktafel am Eingang erinnert an den berühmtesten Gast, den das Hotel Fantaisie je verzeichnen konnte.
- Noch immer ist der Geist Richard Wagners in den historischen Raumen des Hotels präsent, hier sichtbar gemacht durch eine Büste, die von den Pächtern aufgestellt wurde.

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07/2012

Nach Jahren des Dornröschenschlafs:
Harald Kaiser erweckt Wagner-Stammkneipe zu neuem Leben / Traditionsreiches Bayreuther Künstlerlokal „Eule“ wiedereröffnet


Es gibt „Nibelungensuppe“, „Alberichs Fischbrotzeit“, „Siegfrieds Drachenschnitzel“ oder Blaue Zipfel „so, wie sie Wagner immer gern gegessen hat“: das traditionsreiche Künstlerlokal „Eule“ in Bayreuth erstrahlt endlich wieder im alten Glanz. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewog hat das denkmalgeschützte Gebäude in der historischen Altstadt angekauft und mit einem Kostenaufwand von rund 1,5 Millionen Euro saniert. Pächter und neuer Eulenwirt ist Harald Kaiser, der zuletzt das Schlosshotel Thiergarten und die Stadthallengastronomie betrieben hatte.

Die Liste der weltberühmten Sänger und Dirigenten, die regelmäßig in der Eule zu Gast waren, ist beinahe endlos. Die Namen lesen sich wie das Who is Who der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts: Die Dirigenten Wilhelm Furtwängler, Arturo Toscanini, Hans Knappertsbusch, Joseph Keilberth und Herbert von Karajan, die Sängerinnen Frida Leider, Maria Müller, Martha Mödl und Anja Silja, die Sänger Max Lorenz, Joseph von Manowarda, bis hin zu Rudolf Schock, Rene Kollo oder Peter Hofmann. Dokumentiert sind die Besuche des Stars auf insgesamt rund 500 groß- und kleinformatigen Bildern, die signiert und meist mit Widmung noch heute an den Wänden des Lokals hängen.

Sogar ein Besuch Richard Wagners ist festgehalten, für Sohn Siegfried galt die „Eule“ jahrelang als Stammkneipe. Für ihn war sogar eine eigene Ecke reserviert, die noch heute mit vielen Bildern die Erinnerung wach halten. Erst Anfang der 90er Jahre war es mit dem Lokal immer mehr bergab gegangen. Zuletzt gab es statt Schweinebraten und fränkischer Klöße kroatische Spezialitäten, ehe das Lokal seine Pforten komplett geschlossen hatte.

Am Ende habe die bauliche Substanz derart gelitten, dass die Stadt Sicherungsmaßnahmen durchführen musste, sagt Harald Kaiser. Er möchte aus der „Eule“ wieder das Kultrestaurant für alle Freunde und Besucher der Bayreuther Festspiele machen. Aber auch darüber hinaus setzt er auf eine Erlebnisgastronomie, die bei der Speisekarte anfängt und beim eigenen Eulengeschirr noch lange nicht aufhört. Die Speisenkarte wurde von dem bekannten Cartoonisten Klaus Häring gestaltet, sie ist inspiriert durch die Wagnerbilder in der Gaststube und durch Christian Sammets Künstlerlokal „Café im Alten Schloss“ von 1892.

Der neue Pächter legt großen Wert darauf, dass alle seine Zutaten regional eingekauft und liebevoll zubereitet werden. Als Besonderheit gibt es Fleisch von sogenannten „Schwäbisch-Hällischen Landschweine“, das seinen Worten zufolge dank artgerechter Tierhaltung und Fütterung besonders gut schmeckt, so der neue Eulenwirt. Das typische Aroma und der kräftige Geschmack seien wichtige Voraussetzungen für eine qualitäts- und gaumenbewußte Küche. Serviert werden dazu offene Weine, Kulmbacher Bier, verschiedene Schorlen und Softdrinks. Sogar einen eigenen Eulenwein gibt es künftig, ein typisch fränkischer Silvaner vom Bürgerspital in Würzburg. In der „Richard-Wagner-Stube“ bietet Kaiser seinen Gästen künftig 33 Plätze, im „Cosima-Wagner-Zimmer“ 31 Plätze und im „Euleneck“ acht Plätze. Ganz neu ist der Weinkeller mit 24 Plätzen. Er konnte erst durch eine wieder entdeckte Treppe als dringend notwendiger zweiter Zugang realisiert werden.

Die Hauschronik des historischen Gebäudes reicht noch viel weiter zurück, als die Wagner-Tradition des Hauses: 1444 wurde das Haus zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Bewohner waren unter anderem Tuchscherer, Bäcker, Weber, eine Badmagd und ein Schulmeister. 1605 und 1621 ist das Haus bei den Stadtbränden abgebrannt, danach wohnten in dem wieder aufgerichteten Gebäude Sattler, Schuster, Schneider, Beutler und für 1739 wird sogar schon ein „Kammermusicus“ mit Namen Roming erwähnt. 1838  schließlich hat der Schuhmachermeister Johann Matthäus Eule zum Bierwirt umgesattelt, nach seinem Tod 1834 traten seine Ehefrau Ursula Eule und sein Schwiegersohn Wilhelm Adler in seine Fußstapfen. 1893 übernahm der Gastwirt Hans Meyer die Eule. Unter seiner Regie ging 1908 der Stern der „Eule“ als Künstlerkneipe auf, weil das Künstlerlokal Angermann in der Kanzleistraße schloss. Künstler wie Kammersänger Hans Breuer, Loisl Burgstaller und Heldentenor Julius Kniese gründeten den Ruf der Eule als Künstlerkneipe. Hans Meyers Frau Frau Anni führte das Lokal als Wirtin und Köchin weiter, bis 1967 Johanna Heise die Eule kaufte und noch einmal zum alten Glanz brachte.

Zur Person:

„Eulenwirt“ Harald Kaiser stammt aus Röslau im Fichtelgebirge. Die Familie lässt sich dort bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen, wobei immer auch Gastwirte dazugehörten. Für den kleinen Ort Kaiserhammer, der heute zu Thierstein gehört, waren seine Vorfahren sogar Namensgeber. Harald Kaiser ist gelernter Koch und Küchenmeister. 1982 machte er sich in Bayreuth selbstständig. Hier betrieb er bis 1999 das damalige Schlosshotel Thiergarten und bis 2010 die Gastronomie der Stadthalle. Eine neue Herausforderung hat Harald Kaiser seit Anfang Juli als Pächter der Eule angenommen.

Bilder:
- Mehrere hundert signierte Künstlerfotos zieren die Wände der Eule und erinnern an vergangene Festspielzeiten.
- Harald Kaiser ist der neue „Eulenwirt“. Der gebürtige Röslauer hatte zuvor die Stadthallen- Gastronomie und Schloss Thiergarten betrieben

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07/2012

Weltstar in schwerer Zeit: Das Grab von Maria Müller ist verschwunden, der Grabstein steht wieder / Posse um die letzte Ruhestätte der berühmten Wagner-Sängerin auf dem Bayreuther Stadtfriedhof

Bayreuth. Viele Städte haben längst erkannt, dass Grabstätten berühmter Persönlichkeiten hohes touristisches Potential besitzen. In Berlin, Hamburg, Paris oder Wien gehören Friedhöfe längst zum Standardprogramm bei Stadtrundgängen. Anders in Bayreuth, wo die Verantwortlichen gerne auch außerhalb der Festspielzeit mit dem Prädikat Kulturstadt werben. Hier wurde im Frühjahr 2011 die letzte Ruhestätte der weltberühmten Wagner-Sängerin Maria Müller dem Erdboden gleichgemacht. Ob aus Unwissenheit oder aus dem Glauben heraus, man könnte mit der eingesparten Grabpflege den städtischen Haushalt sanieren, lässt sich nicht nachprüfen. Auf Druck vieler Wagner-Freunde aus dem In- und Ausland hat die Stadt jedenfalls im Herbst 2011 beschlossen, den Originalgrabstein am angestammten Platz wieder aufzustellen. Erst im Juli 2012, kurz vor Beginn der Festspielzeit, stand er tatsächlich.

Späte Genugtuung für alle Freunde der großen Wagner-Sängerin, hieß es, nachdem die Angelegenheit vor dem Hauptausschuss des Stadtrates diskutiert worden war. Am Ende gab es einen einstimmigen Beschluss, den Stein einfach wieder aufzustellen. Eine komplette Wiederherstellung der Grabstätte hätte rund 1100 Euro zuzüglich 510 Euro Friedhofsgebühr für 20 Jahre sowie jährliche Grabpflegekosten von 200 Euro gekostet. Das war den Räten dann aber doch zu viel. Also entschieden sie sich für eine Wiederaufstellung des Grabsteines ohne Herstellung der eigentlichen Grabstätte. Das war mit 600 Euro entschieden günstiger. Erst 1983 hatte die Stadt die Pflege des Grabes übernommen. Niemand war mehr da, der sich um die letzte Ruhestätte der großen Sängerin kümmern konnte. 1999 wurde die Grabpflege noch einmal verlängert, zumindest bis 2010.

Wäre nicht der Radiojournalist Raymond Tholl aus Luxembourg während der Festspielzeit 2011 auf der Suche nach der letzten Ruhestätte von Maria Müller über den Stadtfriedhof spaziert, wäre die heimliche Auflösung des Grabes vermutlich erst viel zu spät bemerkt worden. Doch Raymond Tholl hatte sich umgehend an die Tageszeitung gewandt und damit eine Welle des Protests ausgelöst. Briefe aus dem In- und Ausland seien im Rathaus eingetroffen, bestätigte der damalige Oberbürgermeister Michael Hohl. Darunter waren Schreiben prominenter Absender wie etwa Eva Märtens, Präsidentin des Richard-Wagner-Verbandes International, oder Kammersänger Bernd Weikl, viele Jahre lang gefeierter Hans Sachs auf dem Grünen Hügel.

Auch viele Bürger hatten sich für den Erhalt der Grabstätte, die genau zwischen den letzten Ruhestätten Franz Liszts und der Wagner-Familie liegt, stark gemacht. Inge Kröniger schrieb beispielsweise in einem Leserbrief vom 17. September 2011: „Maria Müller hat die Bayreuther Festspiele in schwerer Zeit gegen alle Tyrannei zu Sternstunden verwandelt.“  Im gleichen Brief mahnte die Leserin an: „Die Kultur eines Volkes erkennt man daran, wie es mit seinen Toten umgeht.“

Ein weiterer Leserbrief vom März 1983 belegt, dass der miserable Umgang mit dem künstlerischen Erbe der Sängerin offenbar schon Tradition hat. „Kein Wort in der Presse, keine Blume auf dem Grab“, bemängelte eine Leserin damals vor dem Hintergrund des 25. Todestages. Immerhin hatte der Bayerische Rundfunk im März 1983 noch eine eigene Sendung zum Gedenken an Maria Müller im Programm. Aber schon zu ihrem 50. Todestag 2008 wiederholte sich das Geschehen: „Kein Gedenkartikel in der Presse, kein Kranz auf dem Grab im Stadtfriedhof“, klagte der Historiker Bernd Mayer im „Heimatkurier“

Zugegeben, ihr Nachruhm ist schon ein wenig verblasst, doch die Sopranistin gilt noch immer als eine der größten Wagner-Stimmen des 20. Jahrhunderts. Auf vielen historischen Tondokumenten kann dies jeder Interessierte leicht nachvollziehen. Zumindest zwischen den Weltkriegen war sie diesseits und jenseits des Atlantiks die erste ihres Faches, die Netrebko der 1930er Jahre sozusagen, nicht nur stimmlich. Auch äußerlich galt sie als „schwarzhaarige Schönheit mit großen ausdrucksvoll dunklen Augen“ (ganz wie die Netrebko). „Diese Augen leuchteten noch bis in die hinterste Reihe der Galerie“, hieß es in einem Portrait des Münchner Merkurs zum 25. Todestag.

Genau lässt sich ihr Geburtsjahr heute nicht mehr nachweisen, manche Quellen sprechen von 1878, manche von 1889, das Internet-Lexikon Wikipedia geht von 1898 aus. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen, denn schon immer haben sich große Stars gerne etwas jünger gemacht. Geburtsort war das später zu trauriger Berühmtheit gekommene böhmische Theresienstadt, heute Terezin in Tschechien. Hier kam Maria Müller als Tochter eines Bäckermeisters zur Welt. Sie hatte zunächst in Prag bei dem berühmten Wagner-Tenor Erik Schmedes und später in Wien bei Anna Bahr-Mildenburg studiert.

Ihr Operndebut gab sie am 17. Oktober 1919 in Linz mit der Partie der Elsa aus dem Lohengrin. Zusammen mit ihrer Mutter haben sie am Riesenhof in Urfahr (heute ein Stadtteil von Linz) in einem bescheidenen Zimmer gewohnt, hieß es später in den Oberösterreichischen Nachrichten und weiter: „mancher Urfahrer wird sich erinnern, wie sie im Winter mit einem Handwagerl die Kohlen nach Hause fuhr und am Abend eine blendende Tosca sang.“

Es folgten Engagements in Brünn, Prag und an der Bayerischen Staatsoper in München. Danach hatten sie Heinz Tietjens und Bruno Walter an die Städtische Oper nach Berlin geholt. Ab 1925 war Maria Müller zehn Spielzeiten lang und fast 200 Aufführungen hindurch an der Metropolitan Opera in New York zu erleben, nicht nur als Elsa, als Sieglinde in der Walküre, sondern auch als Verdi-Sängerin, als Mimi in Puccinis „La Boheme“ oder als Donna Elvira in Mozarts „Don Giovanni“. Gleichwohl bezeichnete sie der New Yorker Kritiker L.W. Henderson als „beste Sieglinde in der Geschichte der MET“.

Maria Müllers Bayreuth-Debüt datiert auf das Jahr 1930 als Elisabeth im „Tannhäuser“ unter Arturo Toscanini. Bis 1944 verkörperte sie hier außerdem die Eva („Meistersinger“), die Elsa („Lohengrin“) und die Sieglinde („Walküre“). Ob sie wirklich Hitlers Lieblingssängerin auf dem Hügel war, wie heute manchmal vorschnell behauptet wird, ist nicht unbedingt nachzuweisen, aber auch nicht auszuschließen. Es gibt Fotos, die sie zusammen mit Hitler zeigen und auch Goebbels soll in seinem Tagebuch von ihr geschwärmt haben. Den Recherchen Bernd Mayers zufolge hatte sie 1938 in der NS-Zeitung „Bayerische Ostmark“ für den Anschluss Österreichs geworben. Verheiratet war Maria Müller mit Dr. Wilhelm Reichenauer, der 1924 auch ihr Impressario wurde. Er kehrte aus dem Krieg nicht mehr heim, der Inschrift am Grabstein zufolge wurde Dr. Reichenauer im Osten vermisst.

Maria Müller verbrachte ihren Lebensabend in Bayreuth. Mit dem Kriegsende hatte sie sich nach und nach von der Bühne zurückgezogen und lebte unterhalb des Grünen Hügels in ihrem Haus in der Gartenstadt (Adolf-von-Groß-Straße 12). 1951 war sie noch einige Male an die heutige Deutsche Oper in Berlin zurückgekehrt  unter anderem mit der Sieglinde aber auch mit der Partie der Ariadne von Richard Strauss. Um diese Zeit entstand für die Schallplatte auch eine Einspielung des ersten Walküre-Aktes zusammen mit Wolfgang Windgassen. Am 13. März 1958 starb Maria Müller offenbar gezeichnet von Krankheit und Not in Bayreuth.

Zeitzeugen haben ihre Stimme als lyrisch-instrumental gleichwohl aber mit starker dramatischer Wirkung beschrieben, ein Eindruck, der sich beim Hören ihrer noch immer im Handel erhältlichen Aufnahmen bestätigt. Ihre Eva in den Bayreuther Kriegs-Meistersingern von 1943 unter Wilhelm Furtwängler ragt trotz der traurigen Umstände der Aufnahme besonders hervor.

Bild: Der wiedererrichtete Grabstein der weltberühmten Sopranistin Maria Müller auf dem Bayreuther Stadtfriedhof.

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07/2012

Platz für Devotionalien wäre noch genug / Ein Raum der Kemnather Stadtbibliothek ist dem weltberühmten Tenor Peter Hofmann gewidmet

Kemnath. In der Bücherei von Kemnath (Landkreis Tirschenreuth) erinnert die Stadt seit dem Jahr 2007 mit einem eigenen Raum an ihren einst prominenten Bürger Peter Hofmann. Der Bruder des 2010 verstorbenen Heldentenors, Fritz Hofmann, hatte mit Unterstützung der Kemnather Max Ponnath, Fritz Deinlein und Bürgermeister Werner Nickl den „Raum der Erinnerung“ noch zu Lebzeiten von Peter Hofmann geschaffen. Er soll die Stationen einer beeindruckenden Karriere widerspiegeln.

Den zentralen Platz in dem Gedenkraum nimmt eine Bronzebüste Hofmanns ein, die der Bildhauer Kurt Arentz aus Leverkusen 1983 geschaffen hatte. Links daneben hängt ein Gemälde, das den Tenor als „Siegmund“ in Bayreuth zeigt. Rechts ist die Goldene Schallplatte, zu sehen, die Hofmann für sein erstes Cross-Over-Album „Rock Classics“  erhalten hatte. Die übrigen Wände zieren meist kleinformatige Fotos, die Hofmann auf der Opernbühne, bei seinen Live-Konzerten oder zusammen mit anderen Berühmtheiten, wie Herbert von Karajan, zeigen.

An den großen Erfolg des Albums „Rock Classic 2“ erinnert eine Goldene CD, die Peter Hofmann in Österreich erhalten hatte. Auf einem Bildschirm kann sich jeder Besucher auf Wunsch verschiedene TV-Auftritte ansehen. Besonders bemerkenswert ist auch ein weniger bekanntes Foto, das Peter Hofmann als Speerwerfer in Jeans, Muskel-Shirt und Cowboystiefeln auf dem benachbarten Waldecker Schlossberg zeigt. Keine geringere als die internationale Starfotografin Annie Leibovitz hatte das Bild als Werbefoto für den amerikanischen Kreditkartenherausgeber American Express geschossen.

Das war es dann allerdings auch schon. Viel mehr zeigt die Gedenkstätte nicht. Dabei gäbe es noch so vieles, was man präsentieren könnte: die großformatigen Tourneeplakate etwa, Plattencover, Zeitungsausschnitte und –interviews, Programmhefte, Besetzungszettel, Bücher, Autogrammkarten,  und, und, und. Platz wäre noch genug an den Wänden des Raumes. Sicher hätte man in Vitrinen auch das eine oder andere aus dem persönlichen Besitz des Sängers zeigen können.

Peter Hofmann war fast 20 Jahre lang mit Kemnath eng verbunden. Lange Zeit gehörte ihm das Schloss im Ortsteil Schönreuth, das er zusammen mit seiner zweiten Ehefrau, der Sopranistin Deborah Sasson bewohnte. Die standesamtliche Eheschließung mit „Debbie“ fand 1983 ebenfalls in Kemnath statt, die kirchliche Hochzeit in Weidenberg bei Bayreuth. In der Kemnather Mehrzweckhalle startete der Sänger einige seiner Tourneen. Hofmanns vier Jahre jüngerer Bruder Fritz lebt im benachbarten Kastl. Peter Hofmann selbst hatte noch zu Lebzeiten die Dauerausstellung besucht und soll sich dabei über die vielen schönen Einträge im Gästebuch gefreut haben. Mittlerweile liegt allerdings kein Gästebuch mehr aus.

Der Peter-Hofmann-Raum in der Stadtbücherei Kemnath, Rathausplatz 1 hat zu folgenden Zeiten geöffnet: Montag und Donnerstag von 15 bis 18 Uhr, Dienstag von 10.30 bis 12.30 Uhr und von 15 bis 17 Uhr sowie Freitag von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr.

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07/2012

Letzte Ruhe für den Startenor / Auf dem Wunsiedler Stadtfriedhof hat Peter Hofmann eine würdige Grabstätte erhalten

Es ist eine schlichte und doch besondere Grabstätte, die der Wunsiedler Steinmetzmeister Roland Wolf für den weltberühmten Heldentenor Peter Hofmann auf dem evangelischen Friedhof des Fichtelgebirgsstädtchens gestaltet hat. Ein Notenschlüssel auf dem Grabstein, zwei Fußabdrücke in einer Granitplatte und vor der letzten Ruhestätte eine kleine Sitzgelegenheit: Mit diesem sehr persönlichen und individuellem Ensemble wird der Sänger geehrt, der als Siegmund („Walküre“), Parsifal, Lohengrin, Tristan und als Walter von Stolzing („Meistersinger“) über ein Jahrzehnt auf dem Grünen Hügel zu erleben war und der sich parallel dazu und vor allem auch danach der Popmusik, dem Musical und der Schauspielerei gewidmet hatte.

Nach 20 Jahren des kometenhaften Aufstiegs und weiteren 20 Jahren schwerster Krankheit ist der einstige Star am 30. November 2010 im Krankenhaus von Selb verstorben. Gelebt hat Peter Hofmann zuletzt mit seiner dritten Ehefrau Sabine und der gemeinsamen Tochter Laura-Sophie in der Nähe von Wunsiedel, in einem Bauernhaus im Ortsteil Göpfersgrün. Sabine Hofmann hatte Zeitungsberichten zufolge auch die Gestaltung der letzten Ruhestätte ihres Mannes ausgesucht. Bis zum Sommer 2011 stand an der zentralen Stelle an einer der Hauptachsen des Friedhofs nur ein schlichtes Holzkreuz mit der Namensaufschrift.

Das jetzige Ensemble seiner letzten Ruhestätte besteht aus vier unterschiedlich hohen Quadern aus Waldstein-Granit. Der höchste hat die Funktion des Grabsteines mit einem auf das irdische Wirken hinweisenden Violinschlüssel, der Namensaufschrift und den eingemeißelten Geburts- und Sterbedaten (22.08.1944 – 30.11.2010). Der zweite Quader mit einer geschwungenen Schale aus dunklem witterungsbeständigem Holz, die der Schreinermeister Jürgen Förster aus Sichertsreuth geschaffen hat, ist als Ablage gedacht, für Gestecke, liebevolle Herzen oder Engelsfiguren. Um Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind ein längeres Verweilen an der letzten Ruhestätte Peter Hofmanns zu ermöglichen, wurde der dritte Quader zu einer Art Sitzgelegenheit gestaltet. Den Abschluss bildet eine Granitplatte mit zwei eingearbeiteten Fußabdrücken.

Die Abdrücke sollen wohl die Spuren symbolisieren, die Peter Hofmann in der Musikwelt hinterlassen hat. Er wirkte nicht nur auf den wichtigsten Bühnen der ganzen Welt, sondern füllte mit seiner Interpretation von Rock-Klassikern auch die größten Hallen im In- und Ausland. Seine Tonträger erreichten Millionenauflagen, mehrfach Gold- und Platinstatus und werden noch heute immer wieder neu aufgelegt. Der Wechsel zwischen den Kategorien Klassik und Pop wurde ihm damals sehr übel genommen, heute ist daraus längst die Sparte Crossover erwachsen, die sich größter Beliebtheit erfreut. Peter Hofmann war aber auch der erste, der sich nicht scheute, die Hauptrolle in der deutschen Uraufführung des Musicals „Das Phantom der Oper“ oder die Rolle des Old Firehand bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg zu übernehmen.

Liegt es an der kurzlebigen Zeit, dass diese ungewöhnliche Karriere doch etwas verblasst ist? Doch es gibt sie noch, die Kollegen, die an Peter Hofmann erinnern. Der Tenor Manfred Jung etwa, der im April 2011 der in Bayreuth erscheinenden Fränkischen Zeitung gegenüber zum Ausdruck brachte: „Wichtig war für mich, bei der Beerdigung (von Peter Hofmann) dabei zu sein.“ Bei der Hochzeit mit der Sopranistin Deborah Sasson Anfang der 1980er Jahre, einem damals wichtigem gesellschaftlichem Ereignis seien alle dabei gewesen. Bei der Beisetzung habe er (Manfred Jung) nur seine Sängerkollegen Hans Sotin und Ekkehard Wlaschiha gesehen, „sonst niemanden“. Jung vermisste auch einen Kranz von der Festspielleitung, während sogar Franz Beckenbauer einen Kranz geschickt hatte.

Beckenbauer war es auch, der bis zuletzt an Peter Hofmann gedacht hatte. Zusammen mit den „Eagles“ veranstaltete der Fußball-Kaiser Promi-Golfturniere, mit deren Erlös unter anderem der behindertengerechte Umbau von Peter Hofmanns letzter Wohnstätte finanziert wurde. Nur die Klatschpresse hatte in den Jahren schwerster Krankheit das Schicksals des Heldentenors genüsslich breit getreten und ihre Leser immer wieder darüber unterrichtet, welche Pflegestufe Peter Hofmann erreicht habe, von welchen Hartz-IV-Bezügen er angeblich leben müsse und wie weit seine Demenz inzwischen vorangeschritten sei.

Mit der Grabstätte in Wunsiedel fand Peter Hofmann seine letzte Ruhestätte ziemlich genau zwischen Marienbad und Bayreuth, dem Ort seiner Geburt und dem Ort seines größten Triumphes. Mit dem Fichtelgebirge war er eng verbunden. Peter Hofmann bewohnte mit seiner zweiten Ehefrau Deborah Sasson viele Jahre lang das Schloss Schönreuth bei Kemnath, später zusammen mit der dritten Ehefrau Sabine das ehemalige Schulhaus in Friedersreuth bei Pressath. Bereits von Krankheit gezeichnet lebte die Familie danach in einer Doppelhaushälfte in Thiersheim (ebenfalls Landkreis Wunsiedel) und zuletzt in dem umgebauten Bauernhaus in Göpfersgrün.

Bild: An zentraler Stelle ist auf dem städtischen Friedhof von Wunsiedel die letzte Ruhestätte von Peter Hofmann zu finden. Das geschmackvolle Ensemble stammt von dem örtlichen Steinmetzkünstler Roland Wolf.

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07/2012

Falterfantasien, Farbenlyrik und Wagnerillustrationen / Die Designerin Cordelia Maria Mertel hat einen Teil ihres Schaffens den Werken Richard Wagners gewidmet.

Viele ihrer Bilder entstehen mit Musik im Hintergrund. Barockmusik allerdings, oft Händel: „ Ich höre ganz gerne Countertenöre“, sagt Cordelia Maria Mertel, in Würzburg geboren, in Bayreuth aufgewachsen und heute in Pechgraben bei Neudrossenfeld im Landkreis Kulmbach beheimatet.

Trotzdem ist Richard Wagner einer ihrer Schwerpunkte. Immer wieder hat sie sich mit seinen Werken befasst und sie in ihrer kräftigen Bildsprache umgesetzt. „Die Musik und die Atmosphäre dieser Geschichten versuche ich bildnerisch darzustellen“, erklärt Cordelia Maria Mertel. Mit 17 hat sie ihren ersten „ Holländer“ im Festspielhaus gesehen. „Wenn man in Bayreuth groß wird, kommt man an Wagner ja kaum vorbei“, so die Künstlerin, die nach ihrem Abitur am musischen Gymnasium in Bayreuth zunächst Völkerkunde, dann Kommunikationsdesign in Würzburg studiert und mit dem Diplom abgeschlossen hat.

Ausgezeichnet mit dem Unterfrankenpreis des Deutschen Kommunikationsverbandes BDW ist die Mutter zweier Kinder seitdem freischaffend tätig. Lange Zeit gab sie Malkurse an verschiedenen Volkshochschulen, heute konzentriert sie sich auf Auftragsarbeiten. Gelegentlich zeigt sie ihre Bilder bei Ausstellungen, wie etwa auf der Kulmbacher Plassenburg, im Haus des Frankenweins in Würzburg im alten Amtshaus in Bad Neustadt an der Saale oder zuletzt in der Galerie Wehrfritz in Bayreuth.

„Durch meine Bilder will ich mich mit Menschen verständigen, möchte Freude, Besonderheiten, Träume und Gedanken mit anderen teilen“, sagt Cordelia Maria Mertel. Sie malt und zeichnet, seitdem sie sich erinnern kann. Ihre Arbeiten unterliegen einem ständigen Wandel:“ Ich möchte mich weder langweilen, noch träge werden.“ Vielmehr habe sie große Freude daran, stets neue Erfahrungen und Entdeckungen zu machen.

So geht ihr Schaffen auch weit über Wagner-Illustrationen hinaus: Neben Inspirationen aus der Natur, Insekten und Orchideen, ist ihr Thema immer wieder der Mensch. Auch mit Lyrik befasst sie sich und mit Wildkräutern. Mit letzteren kocht sie auch gerne und so finden sich in einem ihrer jüngsten Bücher neben ihren Bilder auch ausgefallene Kochrezepte, die sie alle selbst erdacht und ausprobiert hat.

Cordelia Maria Mertel hat keine künstlerischen Vorbilder, aber sie bewundert die russischen Symbolisten und schwärmt von der Zeichentechnik des Grafikers Horst Janssen(1929-1995). „Meine Bilder sind Geschichten, die ich manchmal in lyrischer Form beschreibe. Worte, Bilder und Musik verbinden sich zu einem Kunstwerk, das dem Betrachter die Augen und die Seele für eigene Interpretationsmöglichkeiten öffnen soll“, so die Künstlerin. Genauso bunt wie ihr Themenspektrum sind auch die Materialien, mit denen sie sich beschäftigt: Öl, Acryl, Buntstift, Kreide, Metall, Holz, Stein.

Während der Festspielzeit sind einige ihrer Wagner-Bilder im Landhaus Obergräfenthal zu sehen. Im kommenden (Wagner-)Jahr ist geplant Cordelia Maria Mertels  Illustrationen ab 21. April in der Reihe „Kunst im Klinikum“ in Bayreuth zu zeigen.

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07/2012

15000 Bücher auf 50 Quadratmetern / Der Bayreuther Antiquar Walter Bösch hat sich unter anderem auf Richard Wagner und die Festspiele spezialisiert

Bayreuth. E-Bay zum Trotz: die Faszination des Antiquariats ist ungebrochen. Bestes Beispiel dafür ist Walter Bösch. In der Carl-Schüller-Straße 9 in Bayreuth betreibt der 73-Jährige seit 1989 sein kleines Buchantiquariat, in dem er sich neben den Schwerpunkten Orts- und Landeskunde Nordbayern sowie Naturwissenschaft und Technik vor allem der Musik verschrieben hat. Auch wenn im Schaufenster gerade der Titel „Mozart auf Reisen“ prangt stellt Bösch unmissverständlich fest: „Musik heißt in Bayreuth natürlich zwangsläufig Richard Wagner.“.

Vor 23 Jahren machte der gelernte Betriebswirt, der zuvor in der Bauindustrie tätig war, sein Hobby zum Beruf. „Das alte Buch hat mich schon immer fasziniert“, sagt er. Schon während seiner Schulzeit habe er an keinem Antiquariat einfach so vorbeigehen können. Mit einem Buch könne er sich Stunden, Tage, Wochen beschäftigen. Der Weg zum eigenen Antiquariat sei da natürlich schon vorgezeichnet gewesen.

Walter Bösch, gebürtig im Sudentenland und in der Nachkriegszeit in Bayreuth aufgewachsen, jammert auch nicht, wie so viele andere in der Branche. Eine Überalterung seiner Kundschaft, wie von vielen Kollegen beklagt könne er nicht feststellen. Das Durchschnittsalter seiner Kunden beziffert er auf 40 Jahre, viele 18- bis 20-Jährige seien darunter. „Allerweltstitel“, kauften sie natürlich längst über das Internet, doch für alles andere sei sein Antiquariat zuständig. „Ausgefallenes und Seltenes kann ich gar nicht genug kriegen“, sagt Bösch, der gerne vom ausgezeichneten Verhältnis zu seinen Mitbewerbern schwärmt.

Auch eine starke Spezialisierung bei den typischen Sammlern stellt er immer wieder fest. Zu echten Ladenhütern hätten sich dagegen allgemeine Nachschlagewerke, wie etwa die „Schöne Tier- und Pflanzenwelt“ entwickelt. Seit Wikipedia ist die Zeit der Nachschlagewerke eben vorbei, und selbst das historische Zeppelin-Album, das er gerade von einem Kunden angeboten bekommt, muss der wieder mitnehmen. Der gebotene Preis stellt den jungen Mann nicht zufrieden, aber, so Bösch: „Das Thema Zeppelin ist momentan leider etwas abgestürzt.“ Soll heißen, es wird sehr schwierig einen Käufer dafür zu finden.

Neben Taschenbüchern, verschiedensten Ausgaben der klassischen Weltliteratur oder prachtvollen Bildbänden hat Walter Bösch auch viele historische Ansichtskarten und Fotografien von Bayreuth und der Umgebung vorrätig. Überhaupt habe es ihm die Gegend angetan: die prachtvolle Natur mit ihrer reichen Geschichte und das Kulturleben der Stadt. Obwohl er kurzzeitig auch in Köln und München gelebt habe, sei er immer wieder gerne zurück nach Bayreuth gekommen.

Teure und wertvolle Exemplare gehören aktuell genauso zu seinem Bestand, wie echte Schnäppchen. Die Programmhefte der Festspiele stehen lückenlos im Regal, viele Sängerbiographien von Anja Silja bis Wolfgang Windgassen und so manche handschriftliche Kostbarkeit. Selbst echte Briefe und eigenhändige Notizen Richard Wagners gingen bereits über den Tresen. Für den Preis sei es dabei von entscheidender Bedeutung, ob sich Wagner zur Baugeschichte des Festspielhauses äußert oder für eine Weinlieferung bedankt. Auch Zusätze wie Ort und Datum wirkten sich positiv auf den Wert aus, erläutert der Fachmann.

Prominente Dirigenten und Solisten der Festspiele gehören genauso zu seiner Stammkundschaft, wie namhafte Buchautoren oder Festspielgäste. Überhaupt sei die Festspielzeit die umsatzstärkste Zeit. Dann erweitert Walter Bösch auch seine Öffnungszeiten. Zuvor geht er aber noch einmal ein paar Tage in den Urlaub, damit er rechtzeitig zum Probenbeginn auf dem Grünen Hügel wieder da ist.

Für die Zukunft des Buches ist ihm nicht bange. Natürlich werde die allgemeine und schnelle Information vom Buch weggehen. Doch für alles, was irgendwie Tiefgang braucht, wird das Buch auch in Zukunft bleiben, ist der Antiquar fest überzeugt.

Bild: „Ein sehr schöner und spannender Beruf“: Der Antiquar Walter Bösch in seinem kleinen Laden in der Carl-Schüller-Straße in Bayreuth.

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Zum Tod von Jean Cox am 24.06.2012

Ein deutscher Heldentenor aus den USA:
Siegfried aus Alabama – 90 Partien in 42 Bühnenjahren

Er war einer der wenigen, für die das Fränkische nicht nur zur künstlerischen Heimat wurde. Das kleine Dörfchen Peesten bei Kasendorf im Landkreis Kulmbach, eine gute halbe Stunde von Bayreuth entfernt, wurde ihm zum Lebensmittelpunkt: Jean Cox, deutscher Heldentenor aus den USA und in Bayreuth zwischen 1956 und 1984 unter anderem als Lohengrin, Parsifal, Stolzing und immer wieder als Siegfried gefeiert. Am 24. Juni 2012 ist er im Alter von 90 Jahren verstorben.

Es ist ein kleines Gut mit großem Garten und einem alten Bauernhaus, das Cox zusammen mit seiner zweiten Frau, der englischen Mezzosopranistin Anna Reynolds, in Peesten bewohnte und auf das er durch einen Maskenbildner aus Bayreuth gestoßen war. Angeblich sogar 1776 erbaut, in dem Jahr, in dem durch die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung die Vereinigten Staaten von Amerika offiziell gegründet wurden, und am 4. Juli 1976, dem 200. amerikanischen Unabhängigkeitstag, mit dem wohl größten Fest der Dorfgeschichte zusammen mit dem kompletten Bayreuther Festspielensemble eingeweiht.

Lange lebte er im Unruhestand und kümmerte sich um den sängerischen Nachwuchs, der Tenor John Treleaven, bislang einziger Tristan, der aus Cornwall stammt, gilt als einer seiner prominentesten Schüler. „Es macht viel Spaß, den Leuten etwas Neues zu bringen“, sagte Jean Cox in einem Rundfunkinterview zu seinem 80. Geburtstag. Danach lebte er völlig zurückgezogen.

Text ist für ihn immer sehr wichtig gewesen: „Manche Sänger singen nur Töne ohne Worte, das kann ich nicht leiden“, äußerte sich der Tenor einmal. Zumal er selbst während seiner langsamen Reifung zum Heldentenor stets auch den lyrischen Gesang gepflegt hatte. In Kiel beispielsweise, seiner ersten Station während der 1950er Jahre in Deutschland. Als „kleiner Meister“ Kunz Vogelgesang machte er dort auch seine ersten Erfahrungen mit Wagner.

Wolfgang Wagner hatte Jean Cox 1956 in Kiel entdeckt und als „Steuermann“ im „Holländer“ unter Joseph Keilberth nach Bayreuth verpflichtet. Der Tenor hatte damals den Don Ottavio in Mozart Don Giovanni gesungen. Geboren wurde Jean Cox in in Gadsden, einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Alabama. Die stimmliche Begabung wurde bereits bei dem 12-Jährigen entdeckt. Es folgten Studien an der Universität seines Heimatstaates und am New England Conservatory in Boston, erste Auftritte in Tanglewood, dann lockte Europa, zunächst mit einem Stipendium für die Oper in Rom und in Spoletto als „Rudolfo“ in Puccinis „La Boheme“.

An seiner zweiten deutschen Station, dem Niedersächsischen Staatstheater Braunschweig, verkörperte Jean Cox bereits den Lohengrin mit Birgit Nilsson als Elsa, ehe er am Nationaltheater Mannheim Fuß fasste und viele Jahre lang zum festen Ensemble gehörte. Mannheim wurde das Stammhaus von Jean Cox, 37 Jahre lang von 1959 bis 1996 hielt er dem Haus am Goetheplatz die Treue und machte es zu einer berühmten Wagner-Bühne. Neben Jean Cox stehen dafür Namen wie Horst Stein, Hannelore Bode oder Franz Mazura. Noch 1990, also mit 69 Jahren, überzeugte er als kraftvoller Parsifal, wie es Aufnahmen heute eindrucksvoll belegen.

Als Heldentenor hat Jean Cox parallel dazu alle großen Bühnen der Welt erobert: Metropolitan Opera New York, Staatsoper Wien, die Scala in Mailand oder den Covent Garden in London. Noch 1983 sprang er für Manfred Jung als Siegfried in der Götterdämmerung unter Georg Solti ein, 1984 für Siegfried Jerusalem als „Walther von Stolzing“ in den Meistersingern unter Horst Stein.

Falsch wäre es, Jean Cox auf Wagner zu reduzieren. Als „Florestan“ in Beethovens „Fidelio“ oder als „Max“ in Webers „Freischütz“ beweist er auf einer CD-Aufnahme mit dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim unter Frank Shipway, dass er seine Stimme stets auch leicht führen und frei ausschwingen lassen konnte. Zu seinem Repertoire gehörten über 90 Partien, darunter „Modernes“ von Werner Egk, Benjamin Britten, Igor Strawinsky, Paul Hindemith, das italienische Fach mit dem „Othello“ als Paraderolle, Slawisches von Leos Janacek, längst Vergessenes wie den „Smiley“ in „The jumping frog of Calaveras County“ von Lukas Foss oder „Leichtes“ wie den „Alfred“ in der Fledermaus“ von Johann Strauss, den „Sandor Barinkay“ im „Zigeunerbaron“ (sogar in französischer Sprache) oder den „Ted“ in der „Trauminsel“ von Robert Stolz bei den Bregenzer Festspielen 1962, als er längst ein gefeierter Parsifal, Lohengrin oder Othello war.

Mit dem modernen Regietheater kann Jean Cox dagegen wenig anfangen. „Sie (Jean Cox und seine Frau Anna Reynold) sehnen sich nach der Stimmgewalt vergangener Tage, können der Show der Neuzeit wenig abgewinnen“, schrieb die Kulmbacher Zeitung 2007 nach einem Besuch bei dem Tenor zum 85. Geburtstag. Regelrecht schockiert seien beide von der Parsifal-Inszenierung Christoph Schlingensiefs gewesen. „Nach dem zweiten Akt sind wir gegangen“, wird Anna Reynolds zitiert, die zwischen 1970 und 1975 ebenfalls in Bayreuth als Fricka, Waltraute, Zweite Norn, Siegrune und Magdalene aufgetreten war.

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Zum 100. Geburtstag von Martha Mödl am 22.03.2012:
„Kundry! Brünnhilde! Isolde! Keine wie du!“

In einer Würdigung wurde Martha Mödl als einziger Weltstar aus Nürnberg, wenn nicht sogar aus Franken bezeichnet. Ob der Superlativ „einziger“ stimmt, ist nicht bewiesen. Das mit dem Weltstar stimmt in jedem Fall. Martha Mödl verstarb am 17. Dezember 2001 an den Folgen eines Schlaganfalls, ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Münchner Ostfriedhof.

Zusammen mit Astrid Varnay und Birgit Nilsson bildete Martha Mödl das bis heute unerreichte Trio der großen Wagnerschen Nachkriegsprimadonnen, eine Persiflage über die drei großen Sängerinnen schaffte es sogar auf die Theaterbühnen. In Bayreuth verkörperte Martha Mödl zwischen 1951 und 1967 die Partien der Kundry („Parsifal“), der Gutrune, der Waltraute und der dritten Norn („Götterdämmerung“), der Isolde, der Sieglinde („Walküre“), der Fricka („Rheingold“ und „Walküre“) und natürlich der Brünnhilde, die sie zwischen 1953 und 1958 sowohl in der „Walküre“, als auch im „Siegfried“ und in der „Götterdämmerung“ sang und die nachhaltig ihren Ruhm begründen sollte. Dennoch war sie sich noch 1967 für das Altsolo im Parsifal nicht zu schade.

Wie sie sich überhaupt nie für etwas zu schade war, was für die meisten großen Stars von heute undenkbar wäre. So spielte Martha Mödl bei den niedersächsischen Bad Gandersheimer Domfestspielen 1978 die Titelrolle in Federico Garcia Lorcas spanischer Tragödie „Das Haus der Bernarda Alba“. Auch ihre „Alterskarriere“ ist in jeder Hinsicht nicht nur bemerkenswert, sondern einzigartig. Bis kurz vor ihrem Tod war Martha Mödl noch auf der Bühne zu erleben. Ein Video auf der Internetplattform „You Tube“ zeigt sie ein halbes Jahr vor ihrem Tod bei den Richard-Strauss-Tagen in Garmisch-Partenkirchen. Dort erklärt Martha Mödl der Sopranistin Hildegard Behrens, dass sie mit 89 Jahren nicht mehr so gut hören könne. Kurz zuvor hatte die Hochbetagte unter anderem in Saarbrücken und in Düsseldorf die „Golde“ in dem Musical „Anatevka“ von Jerry Bock oder in Köln, Wien und Mannheim die Gräfin in Peter Tschaikowskis „Pique Dame“. Eine Rolle, für die sie zum Synonym werden sollte.

Ende 2000 sang sie in der Neuproduktion der ursprünglich für sie komponierten Oper „Gespenstersonate“ von Aribert Reimann. Überhaupt, die sogenannte zeitgenössische Musik. Martha Mödl hatte Gefallen daran gefunden und die Notwendigkeit der Aufführung erkannt. Nicht nur Reimann, auch Hans Werner Henze, Giselher Klebe, Walter Haupt oder Wilfried Hiller verehrten Martha Mödl und arbeiteten gerne mit ihr zusammen.

Abzusehen war eine derartige Karriere lange nicht. Erst mit 28 Jahren hatte sie überhaupt begonnen, am Nürnberger Konservatorium Gesang zu studieren. Die Musik war ihr nicht in die Wiege gelegt worden. Stattdessen bestritt sie ihren Lebensunterhalt in ihrer Heimatstadt Nürnberg lange Jahre als (Brezn-)Verkäuferin und Buchhalterin in einem Versandhaus. Der Vater hatte die Familie verlassen, als Martha zwölf Jahre jung war.

Ihr erstes Engagement führte sie noch während des Krieges 1943 nach Remscheid als Hänsel in Engelbert Humperdincks  unverwüstlicher Märchenoper „Hänsel und Gretel“. „Ich sang einfach drauflos“, sagte sie später in einem Interview. Dann wurden die Opernhäuser geschlossen. Doch schon 1945 sollten Düsseldorf, Duisburg und Hamburg folgen, ehe sie ihre Weltkarriere antrat. In Hamburg soll sie auch auf Wieland Wagner getroffen sein, der den auf Wilhelmine Schröder-Devrient gemünzten Satz seines Großvaters „Kundry! Brünnhilde! Isolde! Keine wie du!“ später einfach auf die Mödl übertrug. Für Bayreuth engagiert hatte sie Wieland angeblich, ohne jemals eine Wagner-Partie von ihr gehört zu haben. Abseits der Wagner-Welt hatte sich Martha Mödl vor allem die großen Frauenrollen von Richard Strauss erarbeitet.

„Sie war die letzte Tragödin des Musiktheaters alter Schule, eine Heroine mit menschlichem Format, beschrieb der ausgewiesene Kenner Dieter David Scholz Martha Mödl in einem Nachruf in der „Opernwelt“. Dort heißt es weiter: „Martha Mödl war ihr Leben lang eine sympathische, uneitle, herzlich-unkomplizierte, geradezu erfrischend normale, ja schlichte und aufrichtige Persönlichkeit ohne Starallüren.“

Über ihr Privatleben wurde so gut wie nie etwas bekannt. Wahrscheinlich ist, dass es keines gab. Offenherzig äußerte sie in einem Radiointerview, das der Bayerische Rundfunk erst kürzlich wiederholte: „Als Nachfrage war, wollt ich keinen Mann, und als ich einen wollte, war keine Nachfrage mehr.“

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17.01.2012

Aus für Gewerkschaftsaufführungen auf dem Grünen Hügel
Gewerkschaften werfen den Festspielen mangelnden Anstand vor

Bayreuth. Mit scharfen Worten hat der Vorsitzende der DGB-Region Oberfranken-Ost Jürgen Jakob (Bild) gegen das Ende der Gewerkschaftsaufführungen bei den Bayreuther Festspielen protestiert. „So viel Anstand hätte seitens der Festspielleitung schon sein müssen, dass man mit uns wenigstens gesprochen hätte“, sagte Jakob beim DGB-Neujahrsempfang am Donnerstagabend in Bayreuth.

Wie berichtet hatten die Festspiele Ende 2011 verlautbaren lassen, dass es künftig keine Gewerkschaftsaufführungen mehr geben wird. Bislang waren bei jeweils zwei, zuletzt noch bei einer ausgesuchten Aufführung die Karten ausschließlich Mitgliedern des Deutschen Gewerkschaftsbundes vorbehalten, lange zu verbilligten, zuletzt nur noch zu regulären Preisen. Das endgültige Aus hatte die Festspielleitung mit der Kritik des Bundesrechnungshofes begründet.

Allerdings wüssten viele nicht, dass es ohne den DGB nach den zweiten Weltkrieg auch keine Wiederaufnahme des Festspielbetriebs auf dem Grünen Hügel gegeben hätte, sagte Jakob. Die Gewerkschaft sei damals von Wolfgang Wagner um Unterstützung gebeten worden, da die Alliierten sonst kein grünes Licht für die Festspiele gegeben hätten. „Es war der DGB, nicht die Politik, die sich damals für die Festspiele verwandt hat“, so Jakob.

Unter der Leitung Wolfgang Wagners seien die Gewerkschaftsaufführungen auch nie ein Thema gewesen, die Abmachung mit Wolfgang Wagner habe 60 Jahre lang Bestand gehabt. Kaum hatte Wolfgang Wagner die Leitung abgegeben, seien die Preise angehoben und eine der traditionellen Aufführungen gestrichen worden. Nun habe die Festspielleitung auch noch die zweite Aufführung gestrichen. „So geht man nicht mit dem Vermächtnis eines Ehrenbürgers um, man hätte mit uns wenigstens einen Gesprächstermin vereinbaren können.“

Doch offensichtlich hätten die Gewerkschaften ihre Schuldigkeit getan: „Man braucht uns nicht mehr“, bedauerte Jakob und warf der Festspielleitung mangelnden Anstand vor. „In Ordnung ist das jedenfalls nicht“, so Jakob weiter.

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16.01.2012

Masterplan Festspielhaus hat oberste Priorität / Gesellschaft der Freunde von Bayreuth will sich auch weiterhin nicht in künstlerische Fragen einmischen

Bayreuth. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth hat die Richard-Wagner-Festspiele im zurückliegenden Jahr mit rund drei Millionen Euro unterstützt. Damit ist die Mäzenatenvereinigung nach den Worten ihres Vorstandsvorsitzenden Georg von Waldenfels der größte Einzelzuschussgeber der Festspiele. Oberste Priorität in den kommenden Jahren werde die Generalsanierung des Festspielhauses haben, kündigte Waldenfels am Montag vor der Presse in Bayreuth an.

Viele langjährige Mitglieder und namhafte Spender kämen mit den aktuellen Inszenierungen nicht klar, räumte Waldenfels ein. Die Gesellschaft werde aber dennoch an ihrer seit Jahrzehnten bewährten Position festhalten, keinen Einfluss auf die künstlerische Seite der Festspiele auszuüben.  „Wir wollen die Festspielleitung nicht korrigieren“, sagte der frühere bayerische Finanzminister. Eine Bewertung der „Wagner-Damen“ stehe der Gesellschaft nicht zu. „Das ist nicht mein Thema“, so Waldenfels. Als Vorstand habe er darüber nicht zu befinden.

Vielmehr will sich die Gesellschaft in den kommenden Jahren darauf konzentrieren, dass das Festspielhaus nicht einstürzt, wie es Vorstandsmitglied und IHK-Präsident Wolfgang Wagner formulierte. Die Finanzierung des Masterplanes „Generalsanierung Festspielhaus“ werde von den Freunden übernommen. Dabei soll der Finanzierungsbedarf ermittelt und nach Prioritäten gewichtet werden. Bereits in wenigen Wochen rechnen die Verantwortlichen mit ersten Ergebnissen. Sicher sei allerdings schon jetzt, dass es zu keinerlei Beeinträchtigung der Festspiele kommen wird.

Kritisch sehen die Verantwortlichen der Gesellschaft, dass die Masse der bayerischen Kulturförderung in München landen soll. Auch Bayreuth brauche die massive Unterstützung des Freistaates, gegenüber den Planungen für einen neuen Konzertsaal in München sei der Finanzbedarf für Bayreuth ein „Klacks“, so Waldenfels. Wenn der neue Münchner Konzertsaal tatsächlich umgesetzt wird, werde der Freistaat allerdings über kurz oder lang nicht umhin kommen, auch Bayreuth zu fördern.

Kein Problem hat die Gesellschaft mit der Kritik des Obersten Bayerischen Rechnungshofes. Das Kartenkontingent der Vereinigung werde an die Mitglieder im Namen und auf Rechnung der Bayreuther Festspiele verkauft. „Wir als Gesellschaft haben keine Freikarten“, stellte Waldenfels klar. Insgesamt wurden bei der Gesellschaft im zurückliegenden Jahr rund 17000 Karten bestellt.

Kein Thema ist für die Gesellschaft das Public Viewing, also die Live-Übertragung einer Aufführung auf den Bayreuther Volksfestplatz, für die der bisherige Hauptsponsor Siemens seine Unterstützung zurückgezogen hatte. „Wir sind nicht gefragt worden und drängen und auch nicht auf, denn das können wir nicht noch zusätzlich stemmen“, sagte Waldenfels. Er verwies stattdessen auf die Investitionen der Gesellschaft im zurückliegenden Jahr. So seien unter anderem sämtliche Böden der Seiten- und Hinterbühne erneuert, die Solistenzimmer modernisiert, neue Beleuchtungsanlagen und EDV angeschafft sowie ein neuer Hauptvorhang  finanziert worden.

Bereits am Tag vor der Festspielpremiere, am 24. Juli 2012 will die Gesellschaft der Freunde wieder mit einem großangelegten Sommerfest in der Eremitage an die Öffentlichkeit treten. „Ich würde mich freuen, wenn diesmal auch die Festspielleitung kommt“, sagte Waldenfels, und weiter: „Es gibt immer Gründe zu kommen oder nicht zu kommen.“

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20.08.2011

Meilenstein der europäischen Theatergeschichte:
Dr. Markus Kiesel über die Architektur des Festspielhauses

Bayreuth. Das Bayreuther Festspielhaus ist auch architektonisch ein Meilenstein der europäischen Theatergeschichte.“ Das sagt Dr. Markus Kiesel, der sich seit mehr als 35 Jahren mit dem Festspielhaus beschäftigt und seine Ergebnisse vor wenigen Jahren in einem populären Bildband veröffentlicht hat. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth nannte Kiesel das Festspielhaus ein „Modelltheater ohne Gleichen“. Bis heute sei das Festspielhaus ein weltweites Unikat ohne Nachfolger geblieben.

Nur zwei Theaterbauten wusste der Musikwissenschaftler, die zumindest im Aussehen dem Festspielhaus nachempfunden sein könnten: Das Prinzregententheater in München und das sogenannte König-Ludwig-Festspielhaus in Füssen.  Während letzteres nach den Worten des Fachmanns wohl eher einer Groteske als einem Theater gleiche, komme das Prinzregententheater klanglich auch nicht annähern an Bayreuth heran, weil es zum einen komplett aus Stein erbaut wurde und zum anderen keinen verdeckten Orchestergraben besitze.

Noch einen entscheidenden Unterschied wusste Kiesel, der auch europäische Theaterarchitektur an der Universität Bayreuth lehrt. Das Festspielhaus in Bayreuth geht im Gegensatz zum Prinzregententheater auf einen rechteckigen Grundriss zurück. Damit sei der Raum dem berühmten Goldenen Musikvereinssaal in Wien gar nicht so unähnlich. In Bayreuth sei das Rechteck allerdings zumindest im Bereich des Zuschauerraums gut kaschiert worden, im Wesentlichen durch seine amphitheatralische Anordnung und den jeweils acht Proszeniumswänden an den Seiten.

Viele Anregungen für die Realisierung des Festspielhauses hatten sich Wagner und sein heute vergessener Leipziger Architekt Otto Brückwald erstaunlicherweise im benachbarten Coburg geholt. Das dortige Theater war damals das nächstgelegene Hoftheater. An ihm habe sich Brückwald orientiert, was noch heute an vielen architektonischen Details, an der Dekoration und am Baustil nachzuvollziehen sei.

Dabei habe Richard Wagner bei seinen Überlegungen zum Bau eigentlich nur zwei Grundprinzipien verfolgt: Der Zuschauer sollte gut sehen und gut hören können.  Ansonsten sei es Richard Wagner einzig und allein um die technische Realisierung seines „Ring des Nibelungen“ gegangen. Deshalb habe man zwischen 1872 und 1876, was heute undenkbar wäre, auch ohne Plan, ohne Baugenehmigung  und ohne feuerpolizeiliche Gutachten einfach darauf los gebaut.

Obwohl das Festspielhaus noch zu Lebzeiten Richard Wagner als unantastbares Monument galt, seien in den vielen Jahrzehnten seitdem zahlreiche Maßnahmen erfolgt, die vom Anbau des Königsportals 1882 bis zur kompletten Erneuerung der Bühnentechnik in den Jahren 2006 bis 2008 reichen. Als auffälligste Maßnahmen nannte Kiesel die Erweiterung des Zuschauerraums um 400 auf fast 2000 Plätze durch den Einbau von Balkons zwischen Logen und Galerie im Jahr 1930, und das komplette Zumauern der Frontansicht in einer Nacht- und Nebelaktion 1957, als plötzlich während der Generalprobenzeit ein Teil der Vorderfront auf den Platz gefallen war. Die jetzige Fachwerkansicht sei erst in den 90er Jahren wieder hergestellt worden, allerdings nur als Zierblenden auf Beton.

Große Verdienste, für den Erhalt des Festspielhauses schrieb Kiesel dem Wagner-Enkel Wolfgang zu, der neben seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Festspielleiter auch ein genialer Bauherr gewesen sei. Er habe seit den 50er Jahren Stück für Stück immer wieder bauliche Erneuerungen realisiert. Dennoch gebe es aktuell viel zu tun, so der Fachmann. Nicht nur, dass die Fassade wieder einmal bröckle, sowohl die Garderobenbereiche, als auch die Treppenhäuser seien immer noch baulich auf dem Stand der 1960er Jahre.

Bilder:
- Von Richard Wagner ursprünglich als Provisorium gedacht galt es doch bereits zu seinen Lebzeiten als Monument: Das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth.
- „Das Bayreuther Festspielhaus ist ein Theaterbau ohne Gleichen“: Dr. Markus Kiesel, Buchautor und Spezialist in Sachen europäischer Theaterarchitektur.
- "Freunde treffen Freunde“ heißt die Veranstaltungsreihe der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, in der Dr. Markus Kiesel, im Bild mit der Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler, über die Architektur des Festspielhauses referierte.

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14.08.2011

Wagner mit fast 300000 Watt / Ring für Kinder, Lohengrin für alle: Siemens Festspielnacht lockte Zehntausende nach Bayreuth

Bayreuth. Es ist wie im richtigen Leben: Hat der eine einen neuen I-Pod, möchte ihn der andere auch haben, und schon geht der Streit los. So erklärt Festspielleiterin Katharina Wagner den „Ring des Nibelungen“, den ihr Urgroßvater vor rund 150 Jahren geschrieben hatte. Gezeigt wurde der „Ring“ in einer kind- und jugendgerechten Fassung erstmals Ende Juli auf einer Probebühne des Festspielhauses. Am Sonntag war die Produktion Teil der 4. Siemens Festspielnacht. Im Vorprogramm zur Direktübertragung des Lohengrin vom Grünen Hügel auf den Bayreuther Volksfestplatz waren bereits Tausende gekommen, um Wagner umsonst und draußen zu erleben.

Am Ende waren sich die mehreren zehntausend Besucher einig: Das spektakuläre Public-Viewing der Jubiläumsfestspiele war ein einmaliges Erlebnis und für fast alle der Höhepunkt des diesjährigen Musiksommers. Als Geburtstagsgeschenk für die 100. Bayreuther Festspiele hatte Hauptsponsor Siemens eine neue LED-Bildwand aufstellen lassen, die satte 180 Quadratmeter und damit doppelt so groß wie noch im vergangenen Jahr war. „Diese Wand gehört zu den lichtstärksten Videowänden für Freilicht-Veranstaltungen“, erklärte Michael Roßnagl, der Leiter des Siemens-Kunstprogramms. Dabei kämen die visuellen Effekte besonders zur Geltung. Die Mischung der Farben in den einzelnen LEDs führe zu einer ungeahnten detailgetreuen und natürlichen Wiedergabe. Auch das speziell auf den Volksfestplatz abgestimmte, digital gesteuerte High-End-Raumklangsystem mit 86 Einzellautsprechern und einer Gesamtleistung von 27300 Watt (!) sorgte für musikalischen Hochgenuss.

Der Aufwand dazu war gigantisch: Im Umfeld des Festspielhauses waren allein drei Satellitenwagen postiert, die Bild und Ton von Bayreuth zum Volksfestplatz und für den gleichzeitigen Internet-Stream nach München sowie für die Live-TV-Übertragungen von Arte nach Straßburg und von NHK-Japan nach Tokio übertrugen. Auf dem Volksfestplatz waren Annette Dasch als Elsa und Klaus Florian Vogt als Lohengrin in der Tat selten so klar zu hören, und zwar unabhängig vom Standort auf dem Platz. Jedes Detail kam glasklar rüber, das die Musiker des Festspielorchesters unter der Leitung von Stardirigent Andris Nelsons musizierten. Selbst die denkwürdige Inszenierung durch Hans Neuenfels, in der der Chor drei Aufzüge lang als Ratten verkleidet durch das Bild läuft, schreckte kaum mehr jemanden.

Damit auch wirklich jeder etwas davon hatte, gab es vor den einzelnen Aufzügen nicht nur einen lockeren Einführungsvortrag mit Wagner-Spezialist Axel Brüggemann, vor Ort gaben zahlreiche „mobile Opernführer“ Auskunft  zu Richard Wagner, dem Lohengrin und der Inszenierung durch Hans Neuenfels. Viel Interessanter war für viele derweil das kulinarische Angebot, das zahlreiche Gastronomen aus der Region auf die Beine gestellt hatten, und das von den fränkischen Bratwurst-Klassikern bis zu exotischen Drinks an der Beach Bar reichte. Dem Wetter hatten dabei viele wohl nicht recht getraut, so dass noch während des Vorspiels ein wahrer Run auf den Platz einsetzte.

Vor dem „Lohengrin“ gab es den „Ring“ für Kinder. Die Fassung stammte von Regisseur Maximilian von Mayenburg , der eine Kinderoper mit schönen Nixen, finsteren Zwergen mit einem Goldschatz inszenierte, der von einem „echten“ Drachen bewacht wurde. Für die Musik sorgten dabei das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter der Leitung von Hartmut Keil und jede Menge festspielerfahrene Solisten.

Passend zum „Ring für Kinder“ hatten die Macher auch wieder einen „Wagner Erlebnisparcours für Kinder“ errichtet: An fünf Stationen durften die Jüngsten ihrer eigenen Fantasie freien Lauf lassen. Erfahrene Theaterpädagogen, zwölf Kostümmeister, zwei Rüstmeister, vier Techniker und Regisseure bastelten, bauten, malten, komponierten mit den Kleinen an den Elementen einer Kinderoper. Gezeigt wurden dabei die Originalkostüme aus der Kinderoper, jede Menge Bühnenwaffen und Rüstungen, die Mädels wurden als Rheintöchter, die Jungs als Helden geschminkt

Einen weiteren Höhepunkt gab es dann zu später Stunde: Die Stars aus dem Lohengrin kamen direkt vom Schlussapplaus im Festspielhaus auf den Volksfestplatz, um sich auch dort ihrem Publikum zu präsentieren. Bis weit in die Nacht ließen sich die Protagonisten dort feiern, schrieben Autogramme und nahmen die Ovationen der vielen tausend Opernfreunde entgegen.

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12.08.2011

Richard Wagners Gedanke lebt in der Stipendienstiftung
Eva Märtson über die außergewöhnliche Förderung angehender Künstler – 250 Stipendiaten aus aller Welt zu Gast bei den Festspielen

Bayreuth. „Dieser Gedanke hat Festspielgeschichte geschrieben.“ Eva Märtson, Präsidentin des internationalen Richard-Wagner-Verbandes, konnte gerade wieder 250 Stipendiaten zu den Bayreuther Festspielen begrüßen.  Rund 19000 junge Sänger und Dirigenten waren es seit 1882, viele davon haben auf den Bühnen der Welt Karriere gemacht. Bei der Veranstaltungsreihe „Freunde treffen Freunde“ der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, konnte die Professorin aus Hannover, die selbst als Sängerin gewirkt und viele Preise bekommen hatte, nachweisen, dass die Idee der Stipendien für angehende Künstler direkt auf Richard Wagner und indirekt bis auf Franz Liszt zurückgeht. Auch bei den 100. Festspielen in Bayreuth habe sie nichts von ihrer Aktualität verloren: „Richard Wagners Gedanke lebt in der Stipendienstiftung weiter“, so Eva Märtson.

Ob Waltraud Meier oder Christian Thielemann, Sebastian Weigle oder Ralf Lukas, sie alle und viele weitere internationale Künstler der Musikwelt waren irgendwann einmal Stipendiaten der Richard-Wagner-Stipendienstiftung. Das Geld dazu kommt von den Richard-Wagner-Verbänden. Sie schlagen der Stiftung alljährlich auch geeignete Bewerber vor, die dann kostenlos jeweils drei Aufführungen besuchen können und deren Reise und Unterkunftskosten bei Bedarf bezahlt werden. Unter den Solisten der diesjährigen Festspiele sind es alleine 21, die früher schon einmal den Grünen Hügel als Stipendiaten besucht hatten.

Indirekt gehe die Idee der Stipendienstiftung sogar auf Franz Liszt zurück, sagte Eva Märtson. Er hatte bereits 1876 die Einnahmen eines Wohltätigkeitskonzertes für die Ausbildung junger Künstler zur Verfügung gestellt. Dieses Geld, das Liszt eingespielt hatte, die Rede ist von 5000 Goldmark, bildete später den Grundstock der Stiftung. Unterbrochen von zwei Weltkriegen und einer wechselvollen Geschichte der Festspiele, in der die Stiftung zeitweise viele Jahre ruhte, habe der Gedanke erst 1951 mit dem Beginn von „Neu-Bayreuth“ wieder an Fahrt aufgenommen. Über 200 Stipendiaten seien bereits im ersten Festspieljahr nach dem Zweiten Weltkrieg nach Bayreuth gekommen.

Seit der Gründung des ersten Richard-Wagner-Verbandes 1909 in Leipzig sei es ein wichtiges Anliegen gewesen, nicht nur das Werk Richard Wagners zu unterstützen, sondern auch die Stipendienstiftung, die bis heute von den Verbänden getragen und mit 10000 Euro jährlich auch von der Gesellschaft der Freunde Bayreuth unterstützt werde.

Heute komme die Hälfte der Stipendiaten aus Deutschland, die andere Hälfte aus allen nur denkbaren Ländern von Albanien über China, Japan, Korea, Südafrika und den USA. Sogar aus Israel gebe es heuer erstmals einen Stipendiaten, nachdem im zurückliegenden Jahr der erste Richard-Wagner-Verband in Israel gegründet wurde. Die Auswahl der jungen Leute liegt dabei einzig und allein in der Hand der Verbände, oft würden geeignete Kandidaten beispielsweise von den Musikhochschulen vor Ort vorgeschlagen. Welche finanzielle Leistung damit verbunden ist machte Eva Märtson an der Tatsache deutlich, dass ein Stipendiat der Stiftung im Schnitt rund 600 Euro koste. Untergebracht sind die Stipendiaten seit vielen Jahren im Internat der Handwerkskammer für Oberfranken, ihren Sitz hat die Stiftung in Bayreuth, Vorstandsvorsitzender ist traditionell der Bayreuther Oberbürgermeister.

Bild: Der New Yorker Stipendiat Simon Frisch von der Juilliard School of Music, Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Wagner von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, die Präsidentin des internationalen Richard-Wagner-Verbandes Eva Märtson und Horst Eggers (von links) vom Stiftungsvorstand referierten vor den Freunden Bayreuth über die Richard-Wagner-Stipendienstiftung.

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06.08.2011

Auch Fechthelm, Tauchflossen und Gummihandschuhe gehören zum Beruf
Chordirektor Eberhard Friedrich diskutierte mit Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth

Bayreuth. Oper muss exakt geplant sein, nur so ist es möglich Illusionen beim Publikum zu wecken. Das gilt ganz besonders für den Chor, sagt Eberhard Friedrich, der seit dem Jahr 2000 an der Spitze des Bayreuther Festspielchores steht. Bei einer Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth gestattete Friedrich, der seit 1998 auch Chordirektor der Staatsoper Unter den Linden in Berlin ist, einen Blick hinter die Kulissen der Arbeit mit 150 Sängerinnen und Sängern aus 16 Nationen.

Während Inszenierungen wie Solisten zumeist kontrovers diskutiert werden gilt der Bayreuther Chor als die konstante Größe der gesamten Festspiele. Kaum eine öffentliche Kritik, in der seine Leistung nicht entsprechend positiv gewürdigt ist. Doch die Chorarbeit ist kein Selbstläufer: „Es braucht klare technische Ansagen hinsichtlich Klang und Ausdruck“, sagte Eberhard Friedrich, der vor seiner Berufung zum Chordirektor sieben Jahre lang als Assistent seines Vorgängers Norbert Balatsch in Bayreuth tätig war.

Die meisten der Sängerinnen und Sänger des Festspielchores kommen aus Berufschören des In- und Auslandes und seien deshalb bestens vorbereitet, so Friedrich. Jeder Einzelne müsse das Stück auswendig beherrschen. Während des Jahres fänden immer so um die 100 Vorsingen statt, wer nicht gleich zum Zuge kommt, werde auf eine Warteliste gesetzt. Schließlich müsse bei einem Ausfall immer sofort ein Ersatz bereitstehen, der sich hinsichtlich seiner stimmlichen Voraussetzungen harmonisch in das Ensemble einfügt.

Als seine Hauptaufgabe beschrieb es Friedrich, einen ausgewogenen Klang und einen stimmigen Ausdruck zu erreichen. „Chöre haben bei Wagner immer eine Funktion und sind nie nur Begleitung, wie in vielen anderen Opern, deshalb ist die Umsetzung der Stimmen in Klang und Ausdruck so wichtig“, sagte er. Doch auch innerhalb der Wagnerschen Werke gebe es ein großes Klangspektrum von den zarten und leisen Chören des ersten Aufzugs „Tannhäuser“ bis zu den aggressiven und brutalen Chorpartien der Mannen in der „Götterdämmerung“.

Wie sehr die Rolle des Chores auch mit der Inszenierung zusammenhängt, machte der gebürtige Darmstädter an der aktuellen „Lohengrin“-Inszenierung von Hans Neuenfels deutlich. Das Rattenkostüm, in das sämtliche Sängerinnen und Sänger dabei tragen müssen, sei schon eine schweißtreibende Angelegenheit. Aber auch Neopren-Anzug, Fechthelm, Tauchflossen und Gummihandschuhe gehörten eben zum Beruf.

Möglich werde die immer wieder gerühmte klangliche Geschlossenheit aber auch dadurch, dass Friedrich und seine vier Assistenten bei jeder Aufführung von den Seitenbühnen oder aus Kulissenbauteilen heraus die Einsätze geben und sämtliche Partien mitdirigieren. Nur durch die Konzentration auf den Chor und seine klare Steuerung werde die Geschlossenheit möglich, denn eine Hörkontrolle gebe es bei den akustischen Verhältnissen des Festspielhauses mit dem verdeckten Orchestergraben kaum.

Ausdrücklich bedankte sich Friedrich bei der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth für die Anschaffung des neuen Chorflügels, der die Arbeit mit den Sängerinnen und Sängern erheblich erleichtert. Die Gesellschaft war es auch, die 1987 den Bau des neuen Chorsaales östlich des Festspielhauses ermöglicht hatte. „Dieser Saal ist das Juwel unter allen Chorsälen, die ich kenne“, sagte Friedrich. Der Bau sei von seiner Grundstruktur her absolut perfekt, noch nie sei ein Chormitglied damit unzufrieden gewesen.

Eberhard Friedrich hatte bei Helmuth Rilling in Frankfurt am Main das Dirigieren studiert. Nach Stationen in als Chordirektorin Koblenz und Wiesbaden kam er 1993 nach Bayreuth als Assistent und wurde 2000 zum Chordirektor berufen. Seit 1998 ist er außerdem Chordirektor der Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Besondere Aufmerksamkeit hatte Friedrich durch die Einspielung des Tannhäuser unter Daniel Barenboim erlangt, für die neben allen anderen Beteiligten auch dem ihm geleitete Staatsopernchor ein Grammy Preis verliehen wurde. Für seine Einstudierung und die Chorleistung in Arnold Schönbergs Moses und Aron, ebenfalls unter Daniel Barenboim, bekam der Staatsopernchor die Auszeichnung zum Chor des Jahres 2004.

Bild: Ina Besser-Eichler, Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth konnte in der Reihe „Freunde treffen Freunde“ den Chordirektor der Festspiele Eberhard Friedrich begrüßen. Mit im Bild Udo Schmidt-Steingraeber von der gleichnamigen Piano-Manufaktur, sowie Wolfgang Wagner und Horst Eggers (von links) von der Gesellschaft der Freunde.

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29.07.2011

Zur Zeit wird hier der Raum / Premierenwoche ging mit Christoph Marthalers ausgeklügelter „Tristan“-Inszenierung zu Ende

Bayreuth. Die Katastrophe hat längst stattgefunden, als die Oper beginnt. Ordnungsmechanismen verlieren an Bedeutung, der Liebestrank ist eine Liebesdroge, der den letzten Rausch auslöst. Ein Zustand, nach dem nichts mehr kommen kann. Die Inszenierung von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ durch den Schweizer Christoph Marthaler kommt dagegen noch einmal: obwohl sie schon seit 2005 auf dem Spielplan steht, soll sie auch 2012 noch einmal gezeigt werden.

Grundidee des Konzeptes, das Marthaler ganz wesentlich mit seiner Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock realisiert hat und das heuer die junge Berliner Regisseurin Anna-Sophie Mahler in Bayreuth betreut, war es von Anfang an, die Zeit als Raum zu zeigen. Doch anders als im „Parsifal“ wird der Raum hier nicht zur Zeit, sondern die Zeit zum Raum und der Raum zur Erinnerung. Selten ist es einem Bühnenbildner gelungen, das Vergehen der Zeit so eindrucksvoll darzustellen. Der Raum bleibt immer der Gleiche, doch ein neuer baut sich darunter, nicht darüber, auf. Hier vergeht die Zeit eben ganz anders, als im realen Leben, will das Team Marthaler, Viebrock und Mahler damit sagen.

Konkret stellt der Raum die große Halle auf einem alten Kreuzfahrtschiff, vielleicht eine ehemalige königliche Yacht dar, auf der Isolde und Brangäne „transportiert“ werden. Doch wirklich konkret ist hier eigentlich nichts mehr, außer vielleicht der Rettungsring im hinteren Bereich des Bühnenbildes. Niemandem ist bei dem Transport so ganz wohl, man kennt den Bräutigam der Isolde noch nicht. Alles ist sehr bewegt, auch das Meer, was an den Lichtern im ersten Aufzug deutlich wird.

Das Licht ist die zweite wesentliche Komponente der Inszenierung. Gezeigt wird im ersten Aufzug ein Sternenhimmel aus sich bewegenden Leuchstoffringen, der über dem Schiff schwebt und seine Stimmungen ständig verändert. Im zweiten, betont antierotischem Aufzug ist die Halle leer geräumt, das Licht ist zu einen unheimlich vertrackten System verkommen, das Fremdheit symbolisiert. Erst beim Auftritt von König Marke knallt alles durch. Fast könnt man meinen, es gehöre zur Inszenierung, wenn plötzlich gleich mehrere Handys im Publikum im Minutentakt klingeln. Im dritten Aufzug hängen die Lampen nur noch an den Wänden und warten auf ihre Entsorgung. Das Lebenslicht ist verlöscht, trotzdem flackern die Lampen noch auf, so wie Galaxien und Sterne am Himmel auftauchen, die seit Millionen von Jahren erloschen sind. Es ist die Hoffnung von Tristan, spätestens im „Wunderreich der Nacht“ doch noch auf Isolde zu treffen.

Dirigent Peter Schneider nimmt es mit dem Festspielorchester dankbar auf, dass diese Inszenierung der Musik den nötigen Raum lässt. Der erfahrene Routinier am Pult sorgt für Dauerspannung im Graben des Festspielhauses, lässt extreme Zeitumstände wie selbstverständlich aufeinanderprallen und macht die Momente des Verlöschens hörbar, ohne dass die Musik dabei zum Stillstand kommt. Der einzelne, aber sehr markante Buh-Ruf am Ende gegen Schneider war deshalb nicht gerechtfertigt.

Kaum verändert worden ist in den zurückliegenden Jahren dieser Inszenierung die Besetzung, die zum Abschluss der Premierenwoche geradezu frenetisch gefeiert wurde. Kräftig und stets präsent gestaltet die schwedische Sopranistin Irene Theorin ihre Isolde sehr eindrucksvoll, wenngleich sie in den Höhen zumindest im ersten Aufzug stark forciert und die Textverständlichkeit durchwegs auf der Strecke bleibt. Ganz anders beim US-amerikanischen Tenor Robert Dean Smith als Tristan.  Er bringt seine Rolle geradezu auf den Punkt, gestaltet im zweiten Aufzug wunderbare lyrische Momente und bewältigt auch den mörderischen dritten Aufzug mit Bravour.

Stimmlich wie darstellerisch, soweit sie dazu den Raum haben, können auch Michelle Breedt als Brangäne, Jukka Rasilainen als Kurwenal und Robert Holl als König Marke überzeugen. Besonders der aus Helsinki stammende Bassbariton Rasilainen bleibt stimmlich durch die Bank alle drei Aufzüge hindurch auf gleichbleibend höchstem Spitzenniveau. Bleiben noch die undankbaren kleinen Partien, die durch die Bank mit dem Bayreuther  Ralf Lukas als Melot, mit Arnold Bezuyen als Hirten, mit Clemens Bieber als jungen Seemann und Martin Snell als Steuermanns bestens besetzt sind.

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29.07.2011

Festspiele sind zum festen Bestandteil der demokratischen Gesellschaft geworden / Wagner-Experte Udo Bermbach zur Bayreuther Festspielidee

Bayreuth. Die Bayreuther Festspiele sind mittlerweile ganz normale Festspiele geworden, gleichwohl mit einem ganz besonderen Flair. Diese Ansicht vertritt Professor Udo Bermbach, emeritierter Politikwissenschaftler der Universität Hamburg. Bermbach gilt als die Kompetenz in Sachen Richard Wagner. Bermbach ist nicht nur Mitbegründer und Mitherausgeber der angesehenen Zeitschrift „wagnerspectrum“, auch zahlreiche Bücher künden von seiner Jahrzehntelangen Beschäftigung mit Richard Wagner und seinem Werk. Nicht zuletzt war Bermbach auch im 2000er „Ring“ von Jürgen Flimm als Dramaturg involviert.

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Freunde treffen Freunde“, die von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zu den 100. Festspielen veranstaltet wird, stellte Bermbach die Bayreuther Festspielidee vor. Spätestens seit den 1990er Jahren seien die Festspiele zum festen Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft geworden. „Wir haben damit eigentlich den Normalzustand“, sagte der Professor.

Bermbach zitierte eine Studie, die Soziologen der Universität Bayreuth über das Festspielpublikum ausgearbeitet hatten. Die Mehrzahl der Festspielbesucher, so heißt es darin, sei überdurchschnittlich gut gebildet, verdiene auch überdurchschnittlich gut und sei stark konservativ eingestellt. Gleichwohl gebe es aber auch einen ähnlich großen Anteil an Festspielbesuchern, der sich selbst als liberal oder sozialdemokratisch einstuft. Auch damit spiegle die Statistik die Gesellschaft wider, was eigentlich dem Normalzustand entspricht.

Dies war nicht immer so. Professor Bermbach zitierte einen Text aus dem offiziellen Festspielführer des Jahres 1912, in dem der Festspielbesuch gleichsam als „Sinnstiftung des Lebens“ und als „Liturgie einer Kunstreligion“ gepriesen wurde. Schon bei Richard Wagners erster Erwähnung seiner Festspielidee im Jahr 1850 habe er selbst von der „Vermittlung einer Botschaft“ gesprochen und wollte keinesfalls bloße Unterhaltung liefern. „Wagner zielte auf eine völlige Neubestimmung des Theaters“, sagte Bermbach. Wagner habe an die Neubelebung der sozialen Gemeinschaftserfahrung geglaubt, in der die „Offenbarung der Wahrheit des rein Menschlichen“ genauso im Mittelpunkt stehen sollte, wie das „existenzielle Überdenken der eigenen Situation“.

Viele von Wagners hehren Prinzipien seien in der Folge an Fragen der Organisation, der Finanzierung und an der mangelnden Breitenwirkung gescheitert. Spätestens seit seiner Begegnung mit dem bayerischen König Ludwig II. sei dann die Zweckmäßigkeit in den Mittelpunkt von Wagners Planungen gerückt. Von da an habe seine Festspielidee nicht mehr auf die revolutionär gesinnte Masse, sondern eher auf ein bürgerliches Klientel gezielt. Erhalten hätten sich bis heute das eigene Theater und die auf Zeit verpflichteten Musiker und Sänger. Völlig aufgegeben worden sei dagegen der moralische Impetus. „Wagner ging es darum, dass sein Ring überhaupt zur Aufführung gelangt“, so Bermbach.

Die gezielte Institutionalisierung der Festspiele sei in der Folge dann erst nach Wagners Tod durch seine Witwe Cosima erfolgt. Eine Sakralisierung von Wagners Festspielidee habe erst wieder nach der Jahrhundertwende eine zentrale Rolle gespielt, wobei Bayreuth das Zentrum einer kulturellen, mentalen und an der Kunst orientierten Elite werden sollte. Deshalb sei Bayreuth nach der Wiedereröffnung der Festspiele 1924 nicht nur der Gegenpol zur Weimarer Republik geworden, sondern auch Kristallisationspunkt der kommenden NSDAP. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers seien die Festspiele schließlich vollkommen in der nationalsozialistischen Bewegung aufgegangen, Thomas Mann sprach vom „Hitler´schen Hoftheater“.

Selbst nach 1951 habe die Reaktion auf Wieland Wagners Inszenierung gezeigt, dass sich ein Großteil des Publikums noch der Ästhetik vor 1945 verpflichtet sah. Man habe analog zur gesamten Gesellschaft versucht, die Erfahrungen des Dritten Reiches zu verdrängen, die neue Leitung habe so getan, als hätten die Festspiele nicht mit Politik zu tun. Tatsächlich machte es Bermbach erst in den 90er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts fest, dass die Festspiele zum festen Bestandteil der demokratischen Gesellschaft geworden sind.

Zur Demokratisierung des Publikums möchte auch die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth beitragen, so Vorstandsmitglied Professor Stephan Götzl. Die Besucher hätten ein überdurchschnittliches Wissen um das Werk Wagners und würden ein außerordentliches Interesse mitbringen, ganz im Gegensatz zur Schicki-Micki-Gesellschaft anderer Festspiele, bei denen es mehr darum gehe, wer es in die „Bunte“ schafft.

Bild: Stephan Götzl, Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Geschäftsführerin Ina Besser-Eichler, Professor Udo Bermbach und Udo Schmidt-Steingraeber (von links) von der Pianomanufaktur Steingraeber, bei der die Gesellschaft in diesem Festspielsommer mit ihrer Veranstaltungsreihe „Freunde treffen Freunde“ zu Gast ist.

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27.07.2011

„Freunde“ und Festspielleitung üben den demonstrativen Schulterschluss
Mäzenatenvereinigung verteidigt Kartenkontingent
Kritik an „Skandal-Tannhäuser“

Bayreuth. Die wichtigste Nachricht verkündete Festspielleiterin Katharina Wagner gleich zu Beginn der mit Spannung erwarteten Mitgliederversammlung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth: Das Kartenkontingent der weltweit bedeutenden Mäzenatenvereinigung soll erhalten bleiben. „Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass wir da nicht an einem Strang ziehen“, sagte Katharina Wagner und weiter: „Leute, die die Festspiele unterstützen haben auch ein Anrecht auf Karten.“

Genauso wie Katharina Wagner übte auch Eva Wagner-Pasquier demonstrativ den Schulterschluss mit den Freunden: „Wir wissen sehr wohl, wie viele Millionen sie schon gegeben haben, weltweit gibt es so etwas nicht noch einmal“, sagte sie. Die Bayreuther Festspiele seien auf die Gesellschaft der Freunde angewiesen, ohne sie könnte man das Festspielhaus wohl erst einmal zusperren. Eva Wagner-Pasquier übte dabei auch leise Kritik an der Politik. 65 Millionen Euro würden für das Gärtnerplatztheater in München ausgegeben und rund 100 Millionen Euro stünden für das Deutsche Museum in München bereit. Da könnte man, was Bayreuth angeht, von gewissen öffentlichen Stellen schon etwas großzügiger sein, so Wagner-Pasquier unter dem Applaus im vollbesetzten Festspielrestaurant.

Damit war das Eis zwischen „Freunden“ und Festspielleitung gebrochen. Noch im vergangenen Jahr waren die Wagner-Halbschwestern (krankheitsbedingt) der Versammlung fern geblieben. Diesmal schwärmte Eva Wagner-Pasquier von einem wunderbaren gemeinsamen Weg. Alles laufe hervorragend, die ersten Festspieltage seien sehr reibungslos gewesen, ebenso die äußerst harmonische Probenzeit.

Nicht so ganz harmonisch war dagegen die Meinung einiger Mitglieder über die heftig umstrittene Neuinszenierung des „Tannhäuser“ durch Sebastian Baumgarten. Ein Mitglied nannte die Inszenierung „peinlich und primitiv“ und nannte das Gezeigte „lächerlich, trivial und unappetitlich“. Doch da hatten Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier die Versammlung bereits wieder verlassen. An Stelle des Regisseurs Sebastian Baumgarten waren Dramaturg Carl Hegemann und die Produktionsassistentin Janine Ortiz gekommen um derartige Einwürfe zu parieren.

Das Produktionsteam habe nicht provozieren, sondern eine Inszenierung zeigen wollen, die jeder versteht, versicherte Hegemann. „Offenbar ist uns das nicht gelungen“, so der Dramaturg weiter. Den Vorwurf, dass Bayreuth zur Sommerspielstätte der Berliner Volksbühne umfunktioniert werde, wies Hegemann strikt von sich. Er selbst arbeite seit sechs Jahren nicht mehr dort, Regisseur Sebastian Baumgarten habe nur ein einziges Mal an der Volksbühne inszeniert.

Auf das Kartenkontingent der Freunde ging auch Vorstandsvorsitzender Georg von Waldenfels ein. Er bezifferte das Kontingent der „Freunde“ auf 14000 bei insgesamt rund 59000 zu vergebenden Tickets. „Jede Karte wird von uns bezahlt“, widersprach er dem Bericht des Rechnungshofes und nannte das Kontingent die Basis des Miteinanders zwischen Festspielen und Freunden. Die Mitgliederentwicklung bezeichnete Waldenfels als „nahezu stabil“. Mit 5369 Mitgliedern habe die Gesellschaft nur marginal weniger als vor rund einem Jahr. Fast genau ein Viertel davon komme aus dem Ausland, knapp 300 Mitglieder seien Jugendliche. „Wir sind die größte Mäzentengesellschaft Deutschlands, alle blicken neidisch auf uns“, so Waldenfels.

Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth unterstützt die Festspiele in diesem Jahr mit rund drei Millionen Euro. Das Geld fließt ausnahmslos in Modernisierungsmaßnahmen, Neuinvestitionen und den Betrieb des Festspielhauses. Zusätzlich sollen heuer rund 100000 Euro in einen sogenannten Masterplan zur dringend notwendigen Generalsanierung des Festspielhauses bereitgestellt werden. Seit der Gründung der Mäzenatengesellschaft 1949 seien bereits über 60 Millionen für Betriebskosten, bauliche und technische Investitionen sowie für den Erhalt des Festspielhauses zur Verfügung gestellt worden.

Bild: Schulterschluss zwischen „Freunden“ und Festspielleitung: Vorstandsvorsitzender Georg von Waldenfels (rechts) und Vorstandskollege Dr. Wolfgang Wagner konnten bei der Mitgliederversammlung erstmals die beiden Festspielleiterinnen Katharina Wagner (links) und Eva Wagner-Pasquier begrüßen.

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25.07.2011

Bundeskanzlerin verließ Premierenfeier vorzeitig
Staatsempfang in Bayreuth: Promis machen gute Miene zum bösen Spiel

Bayreuth. Biogasanlage, Tanks, Kessel, Schläuche und Spermakostüme statt Wartburg und Venusberg: Die Neuinszenierung der Oper „Tannhäuser“ von Richard Wagner durch den Berliner Regisseur Sebastian Baumgarten (42) zur Eröffnung der 100. Bayreuther Festspiele hat den Geschmack des Premierenpublikums ganz und gar nicht getroffen. Auch das Bayreuth-Debüt von Lars Clevemann in der Titelpartie rief nur mäßige Begeisterung hervor. Selten wurde bei der Premierenfeier am Montagabend im markgräflichen Neuen Schloss so negativ über eine Inszenierung gesprochen. Deutlichstes Zeichen für die Verärgerung: Bundeskanzlerin Angela Merkel wartete nicht wie üblich das Eintreffen der Mitwirkenden ab, um zu gratulieren und Blumen zu überreichen, sie verließ den Empfang stattdessen schnell wieder, genauso wie viele andere Prominente.

Schnell wird bei der Feier klar, die Inszenierung ist bei einem Großteil des Premierenpublikums komplett durchgefallen. Deutlichster Beweis dafür waren die vielen Buh-Rufe, die auch in der Live-Übertragung des Bayerischen Rundfunks zu hören waren. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer machte gute Miene zum bösen Spiel und würdigte die Leistung von Sängern, Chor und Orchester. Er räumte aber auch ein, dass über alles andere in den kommenden Tagen wohl viel diskutiert werde. Dies wiederum gehöre freilich zu Bayreuth, nicht darüber zu sprechen, wäre auch nicht gut, sagte er mit dem ihm typischen Lächeln.

„Es war nicht meins“, sagte Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler. Vielleicht müsse man erst einmal darüber schlafen. Auf den Punkt brachte es der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Er habe schon vielen in Bayreuth erlebt, aber gegen diese Aufführung sei Schlingensief eine Offenbarung gewesen. Er spielte daraufhin auf die „Parsifal“-Inszenierung von 2004 durch den mittlerweile verstorbenen Aktionskünstler Christoph Schlingensief an. Positive Stimmen waren an diesem Abend von Festspielleiterin Kathatrina Wagner zu hören. Sie sprach von einer sehr mutigen Auswahl des Regieteams, einer prima Leistung von Dirigent Thomas Hengelbrock und einer sehr guten Auswahl der Sänger.

Derweil verdichteten sich bei der Premierenfeier die Anzeichen dafür, dass der Berliner Volksbühnen-Chef Frank Castorf im Richard-Wagner-Jahr 2013 in Bayreuth den „Ring des Nibelungen“ inszenieren wird. Einen schriftlichen Vertrag gebe es allerdings noch nicht, außerdem stehe auch noch kein Team fest, sagte Katharina Wagner.

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25.07.2011

Kultur trifft Promis: Wagner trotz Euro-Krise

Das alljährliche Schaulaufen der Prominenz auf dem Grünen Hügel – Kleiner Zwischenfall sorgte für Aufregung – Rinderspacher und Rabenstein fuhren mit E-Bikes vor

Bayreuth. Gestern Nachmittag, Punkt 16 Uhr war es soweit: Dirigent Thomas Hengelbrock (53) hebt den Taktstock zur Ouvertüre von Richard Wagners Oper „Tannhäuser“. Die 100. Bayreuther Festspiele seit 1876 sind mit der Neuinszenierung durch den Berliner Sebastian Baumgarten (42) eröffnet worden. Während sich die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur für das (mit Pausen) fast fünfstündige Opernspektakel gemütlich zurücklehnte, zogen die Zaungäste, Reporter, Kamerateams draußen schon wieder ab. Das Schaulaufen auf dem Roten Teppich war beendet.

Zuvor hatte ein kleiner Zwischenfall für Aufregung gesorgt: Exakt zehn Minuten vor 16 Uhr, als Bundeskanzlerin Angela Merkel aus ihrem Wagen ausgestiegen war, warf ein 47-jähriger Mann aus Offenbach einen Stapel Flugblätter in die Luft, begann lauthals zu schimpfen und wollte die Absperrung überspringen. Die Polizei nahm den Mann sofort fest und sammelte eilig die Flugblätter wieder ein. Kanzlerin Merkel hatte davon wohl kaum etwas mitbekommen, sie nahm sogar noch das berühmte „Bad in der Menge“ und schrieb gutgelaunt Autogramme. Für sie sei Bayreuth „keine Pflicht, sondern eine Freude“, erklärte sie den Zaungästen noch.

Für einen außergewöhnlichen Auftritt hatten zuvor auch der bayerische SPD-Fraktionsvorsitzende und sein Landtagskollege Christoph Rabenstein aus Bayreuth gesorgt. Statt mit den üblichen großen Limousinen, waren sie mit Fahrrädern auf dem Hügel vorgefahren. „Da wir mit Smoking und Fliege gefahren sind und nicht ins Schwitzen kommen wollten, haben wir uns für Elektro-Fahrräder entschieden“, diktierten beide den Reportern in die Mikrofone. Außerdem sollte die Aktion auch ein kleines Zeichen für eine Energiewende sein.

Während von den beiden Festspielleiterinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner diesmal zumindest vor dem Königsportal nichts zu sehen war, konnte der Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl mit goldener Amtskette und seine Frau Hannelore zahlreiche Promis begrüßen. Das teilweise stundenlange Warten inklusive dem Kampf um die besten Plätze hat sich gelohnt, meinen die Schaulustigen, von denen die meisten alle Jahre kommen, für ein paar Blicke, für ein Foto, vielleicht sogar für ein Autogramm.

Dabei waren es diesmal ganz klar die Schauspieler, die den Politikern die Schau stahlen. So konnten sich die Schaulustigen, die teilweise bereits seit Vormittag auf dem Grünen Hügel waren, unter anderem über die aus zahlreichen TV-Produktionen bekannten Edgar Selge, Maria Furtwängler, Veronica Ferres, Michaela May, Sebastian Koch, Erol Sander, Wayne Carpendale, Christian Wolff und die Sopranistin Eva Lind freuen. Weitere prominente Gäste waren der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Johannes Friedrich. Der langjährige Bayreuth-Besucher Thomas Gottschalk wurde dagegen schmerzlich vermisst.

Ob Bundeskanzlerin Angela Merkel auch diesmal angesichts der Euro-Turbulenzen wieder Zeit dazu haben wird, einige Tage ihres Urlaubs in Oberfranken zu verbringen, war aus dem Umfeld der Kanzlerin nicht zu erfahren. Die ebenfalls angekündigte bisherige französische Finanzministerin und jetzige geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatten ihr Kommen bereits wenige Tage zuvor abgesagt.

Auf der Ebene der Bundespolitik schritten Außenminister Guido Westerwelle, Innenminister Hans-Peter Friedrich, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gesundheitsminister Daniel Bahr und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer über den Roten Teppich. Manche wurden mehr (Westerwelle), manche weniger (Leutheusser-Schnarrenberger) beklatscht, manche kaum zur Kenntnis genommen, wie etwa Daniel Bahr.

Aus der bayerischen Landespolitik fuhr traditionell das gesamte Kabinett mit Ministerpräsident Horst Seehofer an der Spitze vor: Europaministerin Emilia Müller, Innenminister Joachim Herrmann, Justizministerin Beate Merk waren unter den Opernfreunden, genauso wie  Wirtschaftsminister Martin Zeil, Kultusminister Ludwig Spaenle, Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Sozialministerin Christine Haderthauer und Umweltminister Markus Söder. Seehofer war dabei fast gleichzeitig zum seinem Vor-Vorgänger Edmund Stoiber eingetroffen. Ihnen zuvor kam Vorgänger Günther Beckstein, dessen Autogramme noch immer sehr begehrt waren.

Die erste Premiere war zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich über die Bühne gegangen. Bei der seit einigen Jahren so beliebten Kinderoper wurde diesmal eine spezielle Fassung des „Ring des Nibelungen“ auf einer Probebühne gezeigt. Wagner ganz umsonst heißt es dann wieder am 14. August bei der 4. Siemens Festspielnacht auf dem Volksfestplatz. Dort werden mehrere zehntausend Zuschauer die Gelegenheit haben, eine Live-Übertragung des „Lohengrin“ in der Inszenierung von Hans Neuenfels und unter der musikalischen Leitung von Andris Nelsons in hochauflösender Bildqualität und mit vollem Raumklang zu erleben.

Neben „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ stehen bis zum 28. August „Parsifal“ in der Regie von Stefan Herheim und unter der Stabführung des Italieners Daniele Gatti, „Tristan und Isolde“ in der Inszenierung von Christoph Marthaler und unter der Leitung von Peter Schneider sowie Katharina Wagners „Meistersinger“-Inszenierung unter der musikalischen Leitung von Sebastian Weigle auf dem Spielplan. Absolut überflüssig zu erwähnen ist es wohl, dass sämtliche Aufführungen seit Monaten ausverkauft sind.

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25.07.2011 (erschienen)

Franz Liszt und Bayreuth: „O Freund! Mein Franz! Du Erster und Einziger!

Bayreuth. Markgräfin Wilhelmine, Jean Paul, Richard Wagner und Franz Liszt: Mit diesen vier herausragenden Persönlichkeiten geht die Stadt Bayreuth seit Jahren in die Tourismus-Werbung. Während die ersten drei mehr oder weniger ihren Lebensmittelpunkt in Bayreuth hatten, verbrachte Liszt zusammenrechnet höchstens ein paar Monate in der Stadt, in der sein späterer Schwiegersohn Richard Wagner seine Festspielidee verwirklichte. Neben der Tatsache, dass Liszt auf dem Stadtfriedhof seine letzte Ruhestätte fand, ist es wohl vor allem die enge geistige und familiäre Bindung zu Wagner, die Liszt zu einer Bayreuther Persönlichkeit werden lässt.

Erst ab 1872, Liszt war damals 61 Jahre alt, kam er regelmäßig hierher. Einen ersten Besuch verzeichnet die Chronik für die Woche vom 15. bis zum 21. Oktober 1872. Liszt war wohl hin- und her gerissen, da er zum einen die Trennung seiner Tochter Cosima von Hans von Bülow nur mit schmerzlicher Zurückhaltung verfolgte (so ganz einverstanden war er ja nie), zum anderen aber seinen „glorreichen Freund“ Richard Wagner neidlos bewunderte und förderte. Cosima hatte sich Richard zu dieser Zeit aber längst vollends hingegeben.

Nach einem zweiten Besuch zum Richtfest des Festspielhauses am 2. August 1873 traf Liszt am 1. August 1876 zur Eröffnung des Opernhauses auf dem Grünen Hügel wieder in Bayreuth ein. Verbürgt ist, dass er damals in Wahnfried wohnte, die Künstlervilla, die Wagner bereits seit zwei Jahren mit seiner Familie bewohnte. Liszt gehörte zu den Zeitzeugen, die der denkwürdigen Uraufführung des Ring-Zyklus vom 13. August 1876 an, beiwohnten. Bei der Premierenfeier am 18 August soll Wagner Liszt mit den viel zitierten Worten vorgestellt haben: „Hier ist derjenige, welcher mir zuerst diesen Glauben entgegen getragen, als noch keiner etwas von mir wusste, und ohne den sie heute vielleicht keine Note von mir gehört haben würden, mein lieber Freund Franz Liszt!“ Derart aufrichtige Worte des Dankes aus dem Mund von Richard Wagner waren selten, sonst fiel wohl er eher dadurch auf, dass er bedenkenlos zu nehmen verstand.

Liszt gehörte auch zu denjenigen, die einen ersten vollständigen Klavierauszug von Wagners letzter Schöpfung, dem Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ erhielten. In der Widmung Wagners aus dem Uraufführungsjahr 1882 an ihn heißt es: „O Freund! Mein Franz! Du Erster und Einziger! Nimm hin den Dank Deines Richard Wagner.“ Vom 15. Juli bis 5. August 1882 ist ein weiterer Festspielbesuch Liszt in Bayreuth verzeichnet. Schon am 24. August des gleichen Jahres kam Liszt erneut, um an der Hochzeit seiner Enkelin Blandine mit dem charismatischen Grafen Gravina teilzunehmen. Liszt wohnte zu dieser Zeit bereits nicht mehr in Wahnfried, sondern nebenan, im bis heute unveränderten roten Backsteingebäude des Oberforstmeisters Frölig (nach anderen Quellen Frölich) in der heutigen Wahnfriedstraße 9. Dort standen ihm die Zimmer zur Verfügung, die heute das Franz-Liszt-Museum ausmachen. Das Eckzimmer, von dem aus damals Stufen in den Garten führten, war sein Schlafzimmer und wurde später zu seinem Sterbezimmer. Liszt Tagesablauf sah im Wesentlichen so aus: Morgens Besuch der Messe, Mittagessen in Wahnfried, abends Besuch der Proben. Anlässlich von Gesellschaften und Empfängen in Wahnfried ließ es sich Liszt nicht nehmen, wieder in die Tasten zu greifen, obwohl er doch bereits Jahrzehnte zuvor seine Virtuosentätigkeit als beendet erklärt hatte. Das waren Momente, die etwa der Münchner Schriftsteller Felix Philippi als die „Weihevollsten“ seines Lebens bezeichnete. „Liszt war ein Dichter, ein Gestalter“, schrieb Philippi, und weiter: „Unter seinen Händen blühten alle Wunder auf, jauchzten alle Engel und frohlockten alle Teufel!“

Zum letzten Wiedersehen mit Wagner kam es im Winter 1882/1883 in Venedig, die Todesnachricht Wagners erhielt Liszt im ungarischen Budapest. Zu Wagners Beisetzung kam Liszt nicht nach Bayreuth, angeblich auf Wunsch von Cosima. Nachvollziehbare Gründe für diese Abwehrreaktion gibt es aus heutiger Sicht nicht. Doch schon 1884 kam Liszt wieder nach Bayreuth, das er allerdings gekränkt verließ, weil es zu keinem Zusammentreffen mit seiner Tochter gekommen war. Ob sich Cosima in ihrer Trauer tatsächlich gänzlich der Welt verschlossen hatte oder ob sie dermaßen mit den Vorbereitungen für die Festspiele beschäftigt war, auch das lässt sich heute nicht mehr genau nachvollziehen. Vielleicht mag es Cosima auch irritiert haben, dass einige Anhänger in ihrem Vater bereits den neuen Festspielleiter gesehen hatten. Aus heutiger Sicht erscheint diese Variante aber durchaus als denkbar.

Im Schicksalsjahr 1886 kam Liszt bereits am 3. Juli nach Bayreuth, um der Hochzeit seiner Enkelin Daniela mit dem Kunsthistoriker Henry Thode beizuwohnen. Aufgrund seines sich bereits abzeichnenden schlechten Gesundheitszustandes kehrte es noch einmal kurz nach Weimar zurück, um schon am 21. Juli wieder in Bayreuth einzutreffen. Zehn Tage später, am 31. Juli 1886 gegen halb zwölf Uhr nachts endete sein Leben in direkter Nachbarschaft zu Wahnfried, nachdem er sich wenige Tage zuvor, ständig gegen den Hustenreiz ankämpfend, wie es Zeitzeugen berichten, noch Zeuge der „Parsifal“-Premiere und der erste Festspielaufführung des „Tristan“ (25. Juli 1886) wurde. Außer zu den Aufführungen soll er seine Wohnstätte bereits nicht mehr verlassen haben. Besucher, so wird berichtet, zeigten sich erschüttert von seinem Gesundheitszustand. Als ein eigens aus Erlangen herbeigerufener Arzt eine schwere doppelseitige Lungenentzündung feststellte, war es bereits zu spät. In der Liszt-Biographie von Peter Raabe aus dem Jahr 1931 sind die letzten Stunden folgendermaßen beschrieben: „Liszt musste furchtbar leiden. Qualvolle Träume schreckten ihn immer wieder auf. Oft war es schwer, den Tobenden auf seinem Lager festzuhalten. Dem durchs Leben gehetzten ist es nicht beschieden gewesen, ruhig einzuschlafen.“ Offensichtlich hatte sich aber das Verhältnis zwischen Vater und Tochter wieder eingerenkt. Cosima hielt in den letzten Tagen Nachtwache am Krankenbett, auch in der Stunde des Todes.

Liszt wurde zunächst in der Halle von Wahnfried aufgebahrt. Am 3. August fand er auf dem Stadtfriedhof seine letzte Ruhestätte, obwohl auch Weimar, Budapest und der Franziskanerorden in Rom bereits erste Schritte zu einer Überführung des Leichnams unternommen hatten. Viele hundert Trauergäste hatten sich zur Beerdingung eingefunden, darunter auch Anton Bruckner, der am Tag darauf beim Requiem in der Schlosskirche an der Orgel zum Glaubensthema aus dem Parsifal improvisierte. Eine Gedenktafel an der östlichen Außenwand der Kirche erinnert seit einigen Jahren an den wohl berühmtesten Organisten, den das Gotteshaus je gesehen hatte. Nach dem Prinzip „The show must go on“ wurden die Festspiele aber ohne Programmänderung fortgesetzt.

Über 100 Jahre später im Sommer 1990 war Franz Liszt Pate für eine Kulturpartnerschaft zwischen der Stadt Bayreuth und dem österreichischen Bundesland Burgenland. Damit wurde eine Brücke von der Wiege bis zur Bahre, zwischen dem Geburtsort Raiding und dem Sterbeort Bayreuth geschlagen. Drei Jahre später, zum 182. Geburtstag von Franz Liszt am 22. Oktober 1993 erfolgte die längst überfällige Eröffnung eines Museums als Gedenkstätte in den Räumen des Sterbehauses. Grundstock dafür bildete die Sammlung des Pianisten Ernst Burger. Das Material umfasste mehrere 100 zeitgenössische Gemälde, Stiche, Karikaturen, Autographen und Drucke und wurde bereits 1988 von der Stadt angekauft. Schon 1986 war die Sammlung zum 100. Todestag Liszts in einer Sonderausstellung begleitend zu den Festspielen im Bayreuther Rathaus zu sehen. Ergänzt wird die Ausstellung durch Dauerleihgaben, die sich bis dahin im Besitz der Richard-Wagner-Gedenkstätte befanden. Das Museum erstreckt sich auf fünf Räume mit zusammen 140 Quadratmetern. Um den Ibach-Flügel (das Instrument stammt allerdings aus dem Besitz Richard Wagners und befand sich vorher in der Halle des Hauses Wahnfried) gruppieren sich 23 Vitrinen und Schaukästen, mehrere Büsten, Liszts Stummklavier, einer Kopie seines Taufsteins aus dem Burgenland, mehreren persönlichen Gegenständen sowie zahlreiche Tafeln mit Bildern und biographischen Texten, die das außergewöhnliche Künstlerleben recht überschaubar, aber dennoch vollständig biographisch strukturiert dokumentieren. Seit dem Jahr 2002 ziert auch eine historische Bronzebüste den kleinen Vorgarten des Sterbehauses. Es handelt sich dabei um ein außergewöhnliches Werk des österreichischen Bildhauers Johann Jakob Silbernagl aus dem Jahr 1878. Außergewöhnlich deshalb, da die Büste noch zu Lebzeiten Liszt gegossen wurde, und zwar in Wien. Eine weitere Erinnerungsstätte ist im Festspielpark zu finden. Dabei handelt es sich um eine Büste des wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit umstrittenen Bildhauers Arno Breker (1900 – 1991). Weil der überdimensionale Kopf aus dem Jahr 1976, genauso wie die Breker-Büsten von Cosima und Richard Wagner in unmittelbarer Nachbarschaft immer wieder für Schlagzeilen sorgen, wurde vor wenigen Jahren eine erklärende Tafel angebracht. Sie soll ein wenig entschuldigend darauf hinweisen, dass der Bildhauer auch nach 1945 noch öffentliche Aufträge erhielt und zahlreiche Portraitbüsten prominenter Persönlichkeiten schuf.

Eine weitere Spur Liszts in Bayreuth ist in der Friedrichstraße zu finden. Hier im barocken Prachtbau der Pianomanufaktur Steingraeber steht im Rokokosaal im ersten Stock der Liszt-Flügel, ein auch optisch außergewöhnliches Instrument, das bis heute für Konzerte und CD-Aufnahmen benutzt wird. Von 1878 bis zu seinem Tod, so ist es verbrieft, hat Liszt mehrfach darauf gespielt. Bereits 1846 betreute Eduard Steingraeber, der spätere Firmengründer und Ur-Ur-Urgroßonkel des heutigen Firmenchefs Udo Schmidt-Steingraeber, im Auftrag seines Arbeitgebers, der Wiener Firma Streicher, Liszts Konzerte. 1882, dem Jahr vor Wagners Tod gab Liszt sogar eines seiner selten gewordenen öffentlichen Konzerte im Rokokosaal.

Seit dem Jahr 2002, in dem die Klavierfabrik ihren 150. Geburtstag feierte, schmückt auch ein Ausschnitt aus der Handschrift der „Bagatelle sans Tonalite“, Liszts allerletzter Komposition, das offizielle Streingraeber-Logo. Das Unternehmen hatte seinerzeit die Restaurierung der Handschrift bei der Stiftung „Weimarer Klassik“ finanziert.

Bilder:
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Wegen der Nähe des Bildhauers Arno Breker zum Nationalsozialismus sorgt seine Franz-Liszt-Büste im Festspielpark immer wieder für Zündstoff.
- Noch zu Lebzeiten des Komponisten entstand diese Büste des österreichischen Bildhauers Johann Jakob Silbernagl. Sie steht seit einigen Jahren vor dem Sterbehaus in unmittelbarer Nähe zu Richard Wagners Künstlervilla Wahnfried.
- Unter der Überschrift „Tod in Bayreuth“ sind im Franz-Liszt-Museum in dem Zimmer, in dem der Komponist am 31. Juli 1886 verstorben war interessante Dokumente aus den letzten Tagen im Leben Liszt zu sehen.
- An der Ostseite der Schlosskirche weist seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts diese Tafel darauf hin, dass Anton Bruckner am 4. August an der Orgel des Gotteshauses das Requiem für Franz Liszt spielte.
- In einer schmucken Grabkapelle auf dem Bayreuther Stadtfriedhof fand Franz Liszt unter dieser schwarzen Platte seine letzte Ruhestätte.
- Im Rokokosaal des Steingraeber-Palais an der Friedrichstraße steht dieser außergewöhnliche Flügel, auf dem Franz Liszt mehrfach musiziert hat.
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In Erdgeschoss dieses charakteristischen roten Backsteinbaus in der Wahnfriedstraße 9 wohnte und starb Franz-Liszt. Seit 1993 beherbergt das Sterbehaus das Bayreuther Liszt-Museum.

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25.07.2011 (erschienen)

Der Stern von Raiding / Franz Liszt und das Burgenland: „Über seinem Haupte schwebte die Unsterblichkeit“

Raiding. Zwei große Komponisten der Musikgeschichte sind eng mit dem Burgenland verbunden Joseph Haydn und Franz Liszt. Während sich Haydns Wirken auf die heutige Landeshauptstadt Eisenstadt konzentriert, sind die verwaltungstechnisch zusammengehörenden Nachbargemeinden Raiding und Unterfrauenhaid komplett Franz Liszt vorbehalten. In Raiding wurde er geboren, in Unterfrauenhaid getauft.

Nur wenige Gewerbetreibende lebten Anfang des 19. Jahrhunderts in Raiding, größter Baukomplex war der ehemalige Esterházy´sche Meierhof. Der Ort gehörte damals noch zum ungarischen Kronland, hieß eigentlich Doborján und wurde erst 1921 österreichisch. Hier erblickte Franz Liszt am 22. Oktober 1811 als einziges Kind des Herrschaftsbeamten Adam List (erst Franz Liszt selbst fügte den Buchstaben „z“ in seinen Namen ein, weil er auf Ungarischen sonst als „Lischt“ auszusprechen gewesen wäre) und der aus Krems an der Donau stammenden Bäckerstochter Maria Anna Lager das Licht der Welt. Adam List (1776 – 1827) war 1798 als Amtsschreiber in die Dienste des Fürsten Nikolaus II. Esterházy eingetreten und wurde 1811, also im Geburtsjahr von Franz, als Rechnungsführer der Schäferei nach Raiding versetzt. Im gleichen Jahr heiratete er Maria Anna Lager (1788 – 1866). Vater Adam ist es auch, über den sich eine Verbindung zu Joseph Haydn herstellen lässt. Er spielte wohl recht passabel Cello und gehörte zeitweise dem Sommerorchester des Fürsten an, das wiederum bis 1804 unter Haydns Leitung stand.

Der Legende nach hatte sich schon vor der Geburt etwas Besonderes angekündigt. Angeblich soll eine Zigeunerin der Mutter prophezeit haben, dass sie im „Jahr des großen Cometen“ einem außergewöhnlichen Sohn das Leben schenken würde. Den Kometen von Raiding soll es im Gegensatz zum Stern von Bethlehem tatsächlich gegeben haben. Immerhin verzeichnet die Wissenschaft für März (?) 1811 einen Kometen mit dem Namen „C/1811F1“, den der französische Astronom Honoré Flaugergues (1755 – 1830 oder 1835) entdeckt hatte. Zweifel an der Existenz der Zigeunerin und ihrer Voraussagung sind aus heutiger Sicht freilich erlaubt, schließlich war das Umfeld großer Geister auch immer ein Tummelplatz für die Bildung von Legenden.

Sicher ist, dass Franz Liszt  in der Pfarr- und Wallfahrtskirche der Nachbargemeinde Unterfrauenhaid getauft wurde. Die Kirche gilt als sehenswertes Juwel sakraler Baukunst. Dem Kirchenführer zufolge wurde das Gotteshaus 1450 auf den Mauerresten eines romanischen Kirchenschiffes aus dem Jahr 1200 erbaut, um 1660 barockisiert und seitdem beinahe unzählige Male renoviert.

Wie damals üblich wurde der kleine Franz schon einen Tag nach seiner Geburt am 23. Oktober 1811 über dem aus dem 17. Jahrhundert stammenden steinernen Taufbecken mit dem Engelkopfrelief vom damaligen Unterfrauenhaider Kaplan und Raidinger Seelsorger Georg Mersich getauft. Der 1853 als Pfarrer von Kaisersdorf verstorbene Mersich soll es auch gewesen sein, der dem Kind im Alter von sechs Jahren erste Grundzüge der Musik, insbesondere des Klavierspiels beibrachte. Bereits mit acht Jahren war Liszt in Baden bei Wien, Eisenstadt, Ödenburg und Pressburg öffentlich aufgetreten, mit zwölf Jahren kam er schon nach Paris. Noch zuvor wurde der „Wunderknabe“ ein Jahr lang vom Beethoven-Schüler Carl Czerny in Wien unterrichtet, die Grundlagen der Komposition erfuhr er von dem italienischen Komponisten Antonio Salieri.

Das mit Schindeln bedeckte und heute freistehende Geburtshaus mit der Verwalterwohnung in Raiding ist das einzige Überbleibsel des dortigen Meierhofes und beherbergt heute ein Museum, das bereits zum 100. Geburtstag Liszts eröffnet wurde. Über den Dreiecksgiebeln der Eingangstüren befinden sich zwei historische Gedenktafeln. Die eine, in ungarischer Sprache, wurde vom Ödenburger Verein für Literatur und Kunst gestiftet und 1881 in Anwesenheit Liszts zu dessen 70. Geburtstag enthüllt. Die zweite Tafel mit dem berühmten, nach rechts gerichteten Reliefbild, trägt die schwülstige Inschrift „Diese Gedenktafel weihte dem deutschen Meister das deutsche Volk“. In dem Museum, das auf die Initiative des damaligen Raidinger Ortspfarrers zurückgeht, sind unter anderem Notenblätter, Autographen, Fotos, Dokumente und eine Ahnentafel der Familie Liszts zu sehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Museum erst 1951 wieder als Gedächtnisstätte eröffnet, 1979 wurde es erweitert und mit Originalbeständen des burgenländischen Landesmuseum ausgestattet. Seitdem sind dort auch Bronze- und Marmorbüsten, der Pariser Erard-Flügel aus dem Jahr 1852 und die Raidinger Kirchenorgel aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgestellt. Eine völlige Neugestaltung als Franz-Liszt-Zentrum erfuhr das Areal im Jahr 2006. Neben dem Museum gibt es jetzt auch einen Konzertsaal mit 600 Plätzen, in dem ein regelmäßiges Liszt-Festival stattfindet

Wenn auch jeweils nur für kurze Zeit, so war Franz Liszt zwischen 1840 und 1881 nachweislich immerhin fünf Mal an die Stätte seiner Geburt zurückgekehrt. Schon 1840 schrieb der damals 29-Jährige an seine erste Lebensgefährtin und Mutter seiner Kinder, der französischen Adeligen Marie d´Agoult (1805 – 1876), von einer „Pilgerreise nach Raiding“. „Auf meinem Weg erkannte ich alle Dörfer, alle Kirchtürme, alle Straßenkreuzungen und sogar einige Häuser wieder“, schrieb Liszt, der den damals westungarischen Landstrich seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Der außergewöhnliche Rang des „Superstars“ Liszt wird schon daran deutlich, dass zu seiner Stippvisite die ganze Bevölkerung, Liszt selbst schreibt von „etwa 1000 Menschen“, versammelt war. „Die Kinder, Knaben und Mädchen knieten nieder, als ich vorüberging, …, einige Bauern kamen, um mir die Hand zu küssen, die meisten hielten sich in respektvoller Entfernung.“ Das Haus soll damals, im Februar 1840 noch in dem gleichen Zustand, wie zu Liszts Kindheitstagen gewesen sein. Der Besuch dauerte insgesamt allerdings nur wenige Stunden.

Ein weiterer Abstecher ist für August 1846 verzeichnet. Schon zwei Jahre später zeigte er Carolyne von Seyn-Wittgenstein, die gerade mit ihrer Tochter Russland verlassen und Scheidungsklage gegen ihren Gatten eingereicht hatte, sein Geburtshaus. Dann dauerte es 24 Jahre, bis Liszt wieder nach Raiding kam. Die Bauern seines Geburtshauses erkannten ihn wieder, heißt es wenig euphorisch in einer historischen Schilderung des 4. November 1872. Sie machen im Gasthaus ihre Aufwartung und läuteten bei seiner Abfahrt die Kirchenglocken. Am 7. April 1881 kam es dann zum letzten Besuch anlässlich der Gedenktafel-Enthüllung. Auch hier wird in verschiedenen Schilderungen des Ereignisses wieder die außergewöhnliche Anziehungskraft des Künstlers sichtbar. In den 1913 erschienenen Lebenserinnerungen eines Grafen Géza Zichy, der damals zu den Begleitern gehörte, ist von einem langen Wagenzug die Rede, von einer Reiterstaffel als Ehrengeleit, von Fahnenschmuck an jedem Haus und von festlich gekleideten Bewohnern, „die ihren großen Sohn mit begeisterter Liebe empfingen“. Zichy schreibt weiter: „Aus dem kleinen blonden Franzl war ein weißer großer Franz geworden, ein alter Mann, neben dem schon der Tod saß, aber über dessen Haupte die Unsterblichkeit schwebte.“ Zu sehen ist die begeisterte Aufnahme Liszts im Kreise der Raidinger Bevölkerung auf einem bemerkenswerten Bild, das der Frühzeit der Fotografie entstammt und das heute im Liszt-Museum Sopron ausgestellt ist. Liszt selbst ist darauf zwar nur stecknadelkopfgroß zu sehen, doch sticht er aus der Menschenmenge regelrecht hervor. Während man den Besuchern des kleinen Festaktes die Aufregung wegen des prominenten Besuchs ansieht, strahlt Liszt Ruhe und Gelassenheit aus. Zumindest bezeugt das Bild eindrucksvoll, dass tatsächlich die gesamte Raidinger Bevölkerung auf den Beinen war.

Neben den Gedenkstätten in Raiding und Unterfrauenhaid gibt es im österreichischen Burgenland ein weiteres lebensgroßes Liszt-Denkmal am Esterhazyplatz nahe dem Schloss von Eisenstadt. Es wurde 1936 zum 125. Geburtstag Liszts enthüllt.

Unter dem Motto „Lisztomania 2011“ weiß das Burgenland im Jubiläumsjahr seinen großen Sohn gebührend zu feiern. So gibt es an mehreren Schauplätzen in Eisenstadt und dem Mittelburgenland groß angelegte Ausstellungen, die dem Besucher ein eindrucksvolles Bild von wesentlichen Lebensabschnitten Liszts vermitteln und einen Blick auf eine schillernde, facettenreiche Persönlichkeit werfen sollen: So werden unter anderem im Liszt-Haus in Raiding seine Herkunft und die frühen Jahre als Wunderkind thematisiert. In der Pfarrkirche Unterfrauenhaid geht es um die Taufe Liszts, aber auch um die Prophezeiung der Zigeunerin und die dadurch initiierte frühe Legendenbildung. Das Landesmuseum Burgenland in Eisenstadt greift das Thema „Lisztomanie“ auf, die Jahre der mitreißenden Bühnenauftritte und großen europaweiten Konzertreisen, die Franz Liszt zum Superstar und den Begriff „Lisztomanie“ zum geflügelten Wort machten. Im Haydn-Haus Eisenstadt wird eine Parallele zwischen Franz Liszt als Hofkapellmeister in Weimar und Joseph Haydn als Hofkapellmeister am Hofe Esterházy, aber auch als musikalische Erneuerer gezogen. Im Diözesanmuseum Eisenstadt widmet man sich Liszts tiefer Religiosität und sakraler Musik. Das Lisztzentrum Raiding wird eine Instrumentenausstellung rund um das Weimarer Orchester Liszts, kuratiert von Martin Haselböck, das Thema ergänzen. Sämtliche Ausstellungen sind noch bis zum 11. November 2011 zu sehen. Öffnungszeiten täglich von 9 bis 17 Uhr.

Bilder:
- Dieses Lebensgroße Liszt-Denkmal am Esterhazyplatz in Eisenstadt wurde 1936 zum 125. Geburtstag enthüllt.
- In der Pfarr- und Wallfahrtskirche von in Unterfrauenhaid wurde Franz Liszt am 23. Oktober 1811 getauft.
- Geschmückt mit Lorbeerkränzen wurde dieser Gedenkraum im Raidinger Lisztmuseum.
- Diese Marmorbüste im Raidinger Geburtsthaus wurde 1867 und damit noch Lebzeiten von Franz Liszt geschaffen.
- Ein Blick ins Innere des Geburtshauses noch vor der großen Umgestaltung im Jahr 2006.
- In diesem Haus erblickte Franz Liszt am 22. Oktober 1811 das Licht der Welt.
- Der Ödenburger Verein für Literatur und Kunst stiftete diese Gedenktafel am Raidinger Geburtshaus. Sie wurde 1881 im Beisein von Franz Liszt enthüllt.
- Das ist wohl die berühmteste Gedenktafel, die für Franz Liszt existiert. Sie zeigt das charakteristische, nach rechts gerichtete Reliefbild.

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25.07.2011 (erschienen)

Franz Liszt und Weimar: Ein Europäer in Thüringen
Die Klassiker-Stadt an der Ilm gilt als bedeutendste deutsche Liszt-Stätte

Weimar. England, Frankreich, Schweiz, Italien: Als 37-jähriger hatte Franz Liszt auf seinen Konzerttourneen Europa ausgiebig kennen gelernt, als er sich 1848 entschloss in der thüringischen Residenz Weimar, damals gerade mal 11000 Einwohner zählend, sesshaft zu werden. Später, ab 1869 kam er auf Bitte des Weimarer Großherzogs wieder, verbrachte aber nur noch die Sommermonate in Thüringen und lebte hauptsächlich in Budapest und Rom. Dennoch gilt die Klassiker-Stadt an der Ilm als wichtigste deutsche Liszt-Station, denn von seinen 74 Lebensjahren hat der Komponist über ein Drittel in Weimar verbracht.

Liszt kannte Weimar bereits, denn 1842 wurde er hier im Umfeld eines Konzerts von Großherzog Carl-Friedrich zum Hofkapellmeister ernannt. Seinen Verpflichtungen, drei Monate im Jahr die Hofkapelle zu leiten soll er aber nur sehr unregelmäßig nachgekommen sein. Sein Dirigentendebüt in Weimar verzeichnet die Chronik für den 7. Januar 1844. Erst 1848 kam er, um zu bleiben, zumindest 13 Jahre lang.

Liszt führte das Musikleben Weimars nicht nur zu weithin geachteter Blüte, die Weimarer Jahre gelten auch als seine künstlerisch produktivsten. Er widmete sich hier vor allem seiner Kompositionstätigkeit. In Weimar entstanden fast alle großen Kompositionen, unter anderem die „Faust“- und die „Dante“-Symphonie, 15 Ungarische Rhapsodien, die „Graner Messe“ und die Klaviersonate in h-Moll. Auch die „Legende von der heiligen Elisabeth“ nahm in Weimar ihren Anfang.

Seine Virtuosentätigkeit, die ihn nie so recht zufrieden stellte, hatte er trotz allen Glanzes und der jubelnden Zuhörerschaft bereits aufgegeben. Erfüllung sollte er zunächst als Dirigent finden, wobei er ungeachtet des Publikumsgeschmacks auf zeitgenössische Werke setzte. Wie richtig er dabei lag, zeigt sich aus heutiger Sicht in der Uraufführung von Richard Wagners Lohengrin am 28. August 1850 im berühmten Nationaltheater, die Liszt zum Sensationserfolg machte. Drei Jahre später veranstaltete er eine reine „Wagner-Opern-Woche“ und im November 1852 sowie im Februar 1855 zwei „Berlioz-Wochen“. Die komplette europäische Musikwelt soll damals davon gesprochen haben.

Auch seine eigenen Werke brachte Liszt in Weimar zur Uraufführung. So etwa am 23. Februar 1854 die symphonische Dichtung „Les Préludes“, am 10. November 1854 seinen „Orpheus“, ursprünglich als Einleistungsmusik für eine Aufführung von Christoph Willibald Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“ komponiert, und am 17. Februar 1855 sein Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur mit Hector Berlioz am Dirigentenpult. Wohnsitz nahm Liszt mit seiner zweiten Lebensgefährtin, der verheirateten polnischen Adeligen Carolyne zu Sayn-Wittgenstein in der Altenburg, die damals Marija Pawlowna, Schwester des russischen Zaren, Gattin des Weimarer Großherzogs und enger Freundin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein gehörte. Einen engen Bezug zu Liszt hat auch das weltberühmte Weimarer Goethe-Schiller-Denkmal. Anlässlich der Enthüllung 1857 dirigierte Liszt seine „Faust“-Symphonie.

Die Gründe für Liszts Abschied aus Weimar im Jahr 1861 liegen zum einen darin, dass er seine Idee von einem „Neuen Weimar“ nicht weiterentwickeln konnte. Wie auch, mit einem Orchester, das gerade mal eine Stammbesetzung von 40 Musikern aufwies. Zum anderen waren sämtliche Versuche gescheitert, einen rechtmäßigen Bund fürs Leben mit der Fürstin zu schließen. Enttäuscht zog er sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück, empfing 1865 in Rom die niederen Weihen eines Abbé und widmete sich ausschließlich seinen geistlichen Kompositionen.

Erst 1869 kam er auf Drängen des Fürsten zurück und zog für die Sommermonate der Jahre 1869 bis zu seinem Sterbejahr 1886 in das obere Stockwerk der einstigen Hofgärtnerei in der heutigen Marienstraße 17. In dem kleinen, 1798/1799 erbauten Haus am Eingang zum Park unterrichtete Liszt von nun an Klavierschüler aus aller Welt und schuf somit einen Vorläufer zu den heutigen Weimarer Meisterkursen. Auch die Musikhochschule, die seit 1956 offiziell und etwas sperrig „Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar“ heißt, verdankt ihre Gründung einer Anregung des Komponisten. Nur zu besonderen Anlässen ergriff er noch einmal den Taktstock, etwa 1870 zur Beethoven-Feier des von Liszt 1861 gegründeten Allgemeinen Deutschen Musikvereins.

Heute ist das ehemalige Hofgärtnerhaus in der Marienstraße ein Museum, das über Leben und Werk seines berühmten Bewohners informiert. Rechtzeitig zum Jubiläumsjahr wurde dem Häuschen ein neuer Anstrich verpasst, sein Inneres auf Hochglanz getrimmt und medial aufgerüstet. Nach Angaben der dafür zuständigen Klassik Stiftung Weimar war man bemüht, mit der neun Monate andauernden und einer 370000 Euro teueren Sanierung eine „ideale Mischung aus der Darstellung der Lebenssituation von Franz Liszt und der musealen Inszenierung zu finden“. Deshalb wurden auch die Tapeten, die Vorhänge und die Stuhlbezüge nach originalen Vorbildern erneuert und der museale Teil im Erdgeschoss um ein „Hörkabinett“ ergänzt. „Die Innenräume und die Fassade erstrahlen jetzt wieder in der Farbigkeit der Liszt-Zeit“, sagte der Baureferent der Klassik Stiftung Weimar, Reimar Frebel bei der Wiedereröffnung im März. Fast die gesamte Einrichtung ist noch vorhanden und zahlreiche Widmungsgeschenke sind zu sehen.

Unweit davon im Park an der Ilm erinnert ein bereits 1902 enthülltes Standbild aus weißem Carraramarmor des Künstlers Hermann Hahn an Franz Liszt. Die lebensgroße Statue mit einem eingerollten Notenblatt in der Hand ist eingebettet in ein halbrundes Podest, in dem zwei steinerne Sitzbänke angebracht sind.
Bemerkenswert ist es auch, dass das mittlerweile renommierte und internationale Kunstfest Weimar im Jahr 2004 von Liszts Ururenkelin Nike Wagner neu gegründet und seitdem von ihr geleitet wird. Sie gab dem Festival den Titel „pelerinages“, was soviel heißt wie „Pilgerfahrten“. Nike Wagner nimmt damit einen direkten Bezug auf den Klavier-Zyklus „Années de pélerinage“ ihres Ururgroßvaters. Das Kunstfest widmet sich allerdings nicht nur der Musik, sondern will alle Sparten der Kunst, Musik, Theater, Tanz, Ausstellungen, Literatur, neue Medien und Film bündeln. „Das Kunstfest bringt jene Weltoffenheit nach Weimar, die der Stadt der Klassiker aufgrund ihrer unvergleichlichen Stellung in der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte gebührt“, heißt es in einem Werbetext des Festivals. Franz Liszt selbst hätte es wohl nicht anders formuliert.

Bilder:
- Franz Liszt in weißem Carraramarmor: dieses Denkmal steht in Weimar im Park an der Ilm.
-
Eine Gedenktafel an der ehemaligen Hofgärtnerei in der Weimarer Marienstraße erinnert an den prominenten Bewohner.
- In der ehemaligen Hofgärtnerei wohnte Franz Liszt nicht nur ab dem Jahr 1869, hier traf sich auch die damalige Musikwelt.
 

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24.07.2011

„Früher war nicht unbedingt alles besser“ / Bayreuth-Legenden ließen „alte Zeiten“ aufleben - Gesellschaft der Freunde von Bayreuth startete neue Spendenaktion

Bayreuth. Vergangenheit und Zukunft der Festspiele standen im Mittelpunkt des ersten Sommerfestes, das die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zum Auftakt der 100. Richard-Wagner-Festspiele im markgräflichen Park der Eremitage gefeiert hatte. Während langjährige Mitwirkende bei Künstlergesprächen in die Vergangenheit blickten, startete die renommierte Mäzenatenvereinigung  unter dem Motto „Instrumente von Freunden“ eine Spendenaktion, mit deren Erlös ein neuer Flügel für den Chorsaal des Festspielhauses finanziert werden soll.

Den Auftakt machte die Versteigerung eines Kostümentwurfes für ein Blumenmädchen des Parsifal in der aktuellen Inszenierung von Stefan Herheim. Auf 1200 Euro belief sich das Spitzengebot für den Entwurf der Kostümbildnerin Gesine Völlm, der eine echte Rarität darstellt, weil er in der vorliegenden Form nie realisiert wurde. Daneben rührt die Gesellschaft der Freunde die Werbetrommel auch erstmals mit neu kreierten Espressotassen aus der Bayreuther Porzellanmanufaktur „Walküre“. Eigens für das Sommerfest wurde die Espressotassen „Freund“ und „Freundin“ in limitierter Auflage hergestellt, deren Verkaufserlös direkt in die Sonderspendenaktion für den neuen Flügel stoßen soll.

Für den Blick zurück konnte Vorsitzender Georg von Waldenfels hochkarätige Mitwirkende der zurückliegenden Jahrzehnte begrüßen. So etwa Hans Sotin, der vor knapp 40 Jahren im Festspielhaus seinen ersten Landgrafen im „Tannhäuser“ gesungen und der die Festspielstadt mittlerweile zu seinem Wohnsitz auserkoren hat. Obwohl die Inszenierung des aus der DDR kommenden Regisseurs Götz Friedrich damals so heftig angegriffen wurde, dass sogar die Subventionen für die Festspiele in Frage gestellt wurden, sprach Sotin im Rückblick von einer fantastischen Regiearbeit. Grund für den Kammersänger: „Das Stück hat stattgefunden und genau das vermisst man heute bei so vielen Inszenierungen weltweit.“

Auch Ekkehard Wlaschiha sah den Opernbetrieb der Gegenwart eher skeptisch. Egal ob Artikulation, Textverständlichkeit oder Sprecherziehung, auf viele dieser Dinge werde heute gar nicht mehr geachtet, bedauerte der aus der Nähe von Dresden stammende Bariton, der nicht nur in Bayreuth, sondern auch an der MET in New York oder am Covent Garden in London gesungen hatte. Vielleicht sei er mit seinem Projekt einer internationalen Musikerstiftung einige Jahre zu spät gekommen, sagte Manfred Jung, weltweit gefeierter Siegfried im berühmten „Chereau-Ring“ zwischen 1977 und 1980. Die 2006 in der Schweiz gegründete Stiftung veranstalte mittlerweile mehrere Orchesterprojekte pro Jahr, einen Gesangswettbewerb im zweijährigen Turnus sowie Meisterkurse mit prominenten Sängern und Sängerinnen. Sämtliche Musiker, die aus dem „Jungen Tonkünstlerorchester Bayreuth“ hervorgegangen seien, gehörten mittlerweile den renommierten großen Orchestern an und viele der Teilnehmer aus den Gesangswettbewerben und Meisterkursen seien international an vielen großen Häusern engagiert.

Eva Randova, tschechische Mezzosopranistin und ebenfalls vor rund 40 Jahren zum ersten Mal in Bayreuth, wundert sich dagegen noch heute, dass der „Chereau-Ring“ nicht gleich von Anfang an als Erfolg betrachtet wurde. Sie selbst wirkte als Fricka im „Chereau-Ring“ mit und wurde danach viele Jahre lang als Kundry in Bayreuth gefeiert. Randova war in den 90er Jahren auch als Intendantin der Tschechischen Staatsoper in Prag tätig und begrüßte die geplante Zusammenlegung von Nationaltheater und Staatsoper in der tschechischen Metropole; „Man geht eben wieder zu den Ursprüngen zurück“, sagte sie.

Eine Lanze für den Opernbetrieb von heute brach dagegen der Geiger Ulf Klausenitzer, der seit 30 Jahren dem Festspielorchester angehört. Früher sei nicht unbedingt alles besser gewesen, widersprach er seinen Kollegen aus dem Sängerfach. Heute gebe es einen wesentlich höheren Perfektionsgrad. Zumindest für den Instrumentalbereich konnte Klausenitzer von einer sehr guten Entwicklung berichten. Der Geiger regte dabei auch an, eine eigene Wagner-Akademie für Orchestermusiker zu gründen, bei der Instrumentalisten speziell für das Wagnerfach gefördert werden sollten.

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01.06.2011

Biergenuss für einen guten Zweck: Mit der Gaststätte „Mohrenbräu“ lassen Klaus Kopszak und sein Verein „MenschenWürde“ ein Stück fränkischer Wirtshaustradition wieder aufleben

Bayreuth. Grünes Bier am Grünen Hügel, ein sogenannter Portertrunk, den angeblich schon Richard Wagner seinen Bühnenarbeitern ausgeschenkt hat, und eine Wirtshauseinrichtung, die seit 100 Jahren unverändert ist und die aus nicht mehr benötigten Holzteilen des Festspielhauses gezimmert worden sein soll: Klaus Kopszak, Präsident des Vereins MenschenWürde E.V., der im „Vereinsheim“, dem ehemaligen Gasthaus Kropf am Fuße des Hügels, als Wirt fungiert, hat viele solche Geschichten auf Lager. Sicher ist, dass Kopszak mit seinem Verein ein Kleinod der Bayreuther Wirtshaustradition vor dem Aussterben bewahrt hat, das einzige fränkische Lokal betreibt, das in drei Minuten vom Festspielhaus aus zu Fuß zu erreichen ist und dabei noch Geld für einen sozialen Zweck sammelt.

Fast hundert Jahre lang war der Gasthof Kropf in der Tristanstraße eine feste Institution in der örtlichen Gastronomieszene. Hier spielten immer wieder auch zu später Stunde die Festspielmusiker auf, hierher zog es das Premierenpublikum in den Pausen. Bis der letzte Wirt aus nicht näher bekannten Gründen aufgab und das Haus in eine Art Dornröschenschlaf verfiel. Der Prinz, der es wachküsste und dem Lokal wieder Leben einverleiben sollte war Klaus Kopszak, Urgestein der Bayreuther Gastronomieszene, ehemaliger Bayreuther Faschingsprinz und gelernter Kellner, Koch und Metzger. Allerdings nur auf den ersten Blick als ganz gewöhnliches Lokal. Denn Kopszak ist mittlerweile Rentner und suchte nach einer Beschäftigung. Gleichzeitig steht er an der Spitze des Vereins „MenschenWürde“, ein 1999 gegründeter Zusammenschluss, der sich um junge Leute kümmert, die in einer persönliche Schieflage geraten sind und der lediglich 20 aktive Mitglieder hat. „Wir stellen übergangsweise Wohnungen zur Verfügung, helfen den Menschen einen Arbeitsplatz zu finden und wieder Fuß zu fassen“, bringt Kopszak den Vereinszweck auf den Punkt. „Wir retten diejenigen, die man noch retten kann“, sagt er und stellt dabei besonders eines heraus: „Wir fragen nicht nach Schuld.“ Das Ganze, so steht es in der Präambel des Vereins, geschieht ohne Ansehen von Herkunft, Hautfarbe oder Religion, Grundlage seien einzig und allein humanitäre Grundsätze wie Zusammengehörigkeit, Gleichheit und Toleranz.

Allerdings kosten hehre Ziele auch Geld, und das wurde mit der Zeit immer weniger. „Das Spendenaufkommen war zuletzt so dramatisch eingebrochen, dass wir vor der Frage standen, den Verein wieder aufzulösen“, erinnert sich Kopszak. Da kamen er und seine Mitstreiter, die ebenfalls meist gastronomische Erfahrungen mitbrachten, vor gut zwei Jahren auf die Idee, ein Gasthaus zu eröffnen, es ehrenamtlich zu betreiben und die Überschüsse der Vereinskasse zuzuführen. Über den Eigentümer, der Unternehmensfamilie Meyer vor der benachbarten Porzellanfabrik Walküre, die sich dem Projekt von Anfang sehr aufgeschlossen gezeigt habe, war man schnell beim Gasthaus Kropf angelangt. „Im Prinzip ist es heute ein Vereinsheim mit gewerblicher Nutzung“, beschreibt Kopszak die juristische Einordnung des Hauses, in dem manchmal bis zu acht ehrenamtlich tätige Mitglieder in Küche und Service zu Gange sind und das eine, vom Mohrenburger abgesehen, typisch fränkische Speisekarte anbietet.

Wenn die zurückliegenden zwei Jahre bestätigt haben, dass der Verein damit auf dem richtigen Weg war, so liegt dies in erster Linie am Einfallsreichtum des Präsidenten. Mit dem „Mohren Bräu Bayreuth“ hat das Haus sein eigenes Bier, das nach eigenem Rezept im Lohnbrauverfahren von der Brauerei Göller in Zeil am Main eingebraut wird. Mehrere Sorten sind im Angebot: ein Pils, ein Dunkles, das hier „Kupfer“ heißt, und einen Maibock.

Sogar ein Buschenbier gibt es, das nur am ersten Wochenende eines jeden Monats ausgeschenkt wird. Es ist ein ungefiltertes und deswegen folgerichtig hefetrübes Bier, in dem noch alle gesunden, natürlichen und für den Organismus bekömmlichen Schweb- und Trübstoffe enthalten sind. Ganz wie die Werbestrategen großer Brauereien beschreibt Kopszak „sein Bier“ als äußerst verträglich, würzig und natürlich als süffig.

Eine weitere Bierspezialität ist das „Green Hill Porter“. Porter, das sind die ehemaligen Lastenträger im Londoner Hafen, die so schlecht bezahlt wurden, dass sie mit einem speziellen, malzhaltigen Bier, das Kraft gibt, immer wieder bei Laune gehalten werden mussten. Richard Wagner hatte das bei seinem London-Aufenthalt erfahren und das gleiche System bei seinen ersten Bühnenarbeitern und Kulissenschiebern angewandt. Eineinhalb Krüge, sogenannte „Schimmerla“, sollen sie pro Tag erhalten haben. In der offiziellen Wagner-Literatur sucht man diese Geschichte freilich vergebens, doch Kopszak, der selbst zwölf Jahre auf hoher See unterwegs war und so einige Häfen dieser Welt kennengelernt hat, schwört Stein und Bein, dass die Geschichte stimmt.

Bleibt noch offen, warum das Bier den Namen „Mohren Bräu“ trägt. Dazu muss man wissen, dass die Bayreuther seit Jahrhunderten den Spitznamen Mohrenwäscher haben, weil sich zur Markgrafenzeit ein weitläufiger Verwandter des nubischen Königshauses im neuen Schloss mit dunkler Hautfarbe aufhielt. Als der sich eines Tages auf einen Spaziergang durch die Stadt machte, sollen einige besonders eifrige Bayreuther einen rußgeschwärzten Spaßvogel in dem Mohren ausgemacht haben und versucht haben, ihn die schwarze Farbe aus dem Gesicht zu waschen. Zu der aus heutiger Sicht fast schon etwas fremdenfeindlich angehauchten Anekdote gehört allerdings auch, dass die Bürger der umliegenden Gemeinden die Bayreuther seitdem als Mohrenwäscher verspotten. Allerdings trägt sogar eine Faschingsgesellschaft heute wieder den Namen „Mohrenwäscher“.

Damit ist man auch wieder bei Klaus Kopszak angelangt, dem einstigen Faschingsprinzen, der einmal im Jahr, nämlich am Gründonnerstag, sogar ein grünes Bier am Fuße des Grünen Hügels anbietet. Keine Berliner Weisse mit Waldmeistergeschmack, sondern ein Bier, bei dem die Hopfenstängel einfach mit eingebraut wurden. Grünes Bier gelte in der alten Kelten-Mythologie als glücksbringendes Getränk, weiß Kopszak. „Wer das Glück hat, eines zu bekommen, dem bleibt das Glück das ganze Jahr hold.“

Bilder:
- Den Mohren immer im Blick: Klaus Kopszak, Präsident des Vereins „MenschenWürde e.V.“ fungiert im wieder eröffneten Gasthof Kropf als Wirt.
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Fränkisches Traditionswirtshaus am Fuße des Hügels: Das ehemalige Gasthaus Kropf heißt jetzt Mohrenbräu und wurde vom Verein „MenschenWürde“ als typischer Bayreuther Gasthof wiederbelebt.

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17.02.2011

Fünf Vorsitzende in einem Jahrhundert
Richard-Wagner-Verband Bayreuth feiert sein 100-jähriges Bestehen

Bayreuth. Diana Damrau und Jonas Kaufmann, Hildegard Behrens und Peter Hofmann, Gerd Albrecht und Christian Thielemann, sie alle und noch viele weitere international renommierte Künstler der Musikwelt haben eines gemeinsam: Sie waren alle irgendwann einmal Stipendiaten der Richard-Wagner-Stipendienstiftung. Das Geld dazu kommt in erster Linie von den Richard-Wagner-Verbänden. Sie schlagen der Stiftung alljährlich auch geeignete Bewerber vor, die dann kostenlos die Aufführungen besuchen können und deren Reise und Unterkunftskosten bei Bedarf bezahlt werden. 250 junge Musiker und Sänger, die Hälfte davon aus Deutschland, kommen so heute alljährlich mit dem Werk Wagners in Kontakt.

„Damit kann jeder ein Mäzen für junge Künstler sein“, sagt Paul Götz (Bilder), 1. Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes Bayreuth, der heuer sein 100-jähriges Bestehen feiert. Ursprünglich habe auch mal 1910 als Gründungsjahr im Raum gestanden, so Götz. Nachforschungen in den Protokollbüchern der 1920er Jahre hätten allerdings eindeutig 1911 ergeben, das genaue Datum sei dagegen noch immer ungewiss. Erste Vorsitzende war damals Hedwig Wölfel, eine Schwiegertochter des Baumeisters Carl Wölfel, der auch an der Errichtung des Festspielhauses und Wagners Künstlervilla Wahnfried beteiligt war. Daniela Thode, die Tochter von Cosima Wagner, soll eine der treibenden Kräfte gewesen sein und den Anstoß zur Gründung gegeben haben.

Nach Hedwig Wölfel, Dorle Angerer, Adolf Hopf und der „Bayreuther Institution“ Heddy Beer ist Paul Götz erst der fünfte Vorsitzende in der 100-jährigen Verbandsgeschichte. Andere Zusammenschlüsse könnten sich bei einer derartigen Kontinuität glücklich schätzen. Vier Mal wurde Paul Götz seit seinem Amtsantritt 1990 einstimmig wieder gewählt. Der heute 74-Jährige Götz war bereits von Jugend an mit dem Bazillus Wagner infiziert. Bis heute ist sein Leben durch Interesse und mehrere Zufälle eng mit Richard Wagner verbunden. Seit 1990 steht er an der Spitze des Bayreuther Verbandes und von 1985 bis 2009 war er in guter Tradition zu seinen Vorgängern auch Geschäftsführer der Richard-Wagner-Stipendienstiftung. Götz stammt aus dem unterfränkischen Würzburg, der Stadt, in der Wagner sein Erstlingswerk „Die Feen“ schuf. Nach Jura-Studium und Zweitem Juristischen Staatsexamen verschlug es ihn zufällig nach Bayreuth zur damaligen Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken (heute Deutsche Rentenversicherung), wo er bis zu seiner Pensionierung beschäftigt war. Zwei Mal hatte er zuvor schon die Festspiele besucht, 1958 sah er den „Lohengrin“ und 1963 die „Meistersinger“. Schnell suchte er damals Kontakt zum Richard-Wagner-Verband und durfte feststellen, dass Adolf Hopf, mit dem er in der gleichen Studentenverbindung war, als Vorsitzender an der Spitze des Verbandes stand.

1911, und damit nur zwei Jahre nach Gründung des ersten Richard-Wagner-Verbandes, war also die Idee der Richard-Wagner-Verbände auch in der Stadt der Festspiele angekommen. Heute hat der Zusammenschluss rund 750 Mitglieder. „Im Moment mit etwas fallender Tendenz“, wie es der Vorsitzende beschreibt. Natürlich sei die Altersstruktur schon ein Problem, doch, so Götz: „Es gibt immer wieder auch Neueintritte.“ Sinn und Zweck des Verbandes ist es natürlich, die Stipendienstiftung zu unterstützen, aber auch das Interesse für das Werk Richard Wagner zu wecken, beziehungsweise das Verständnis zu vertiefen. Neben der Förderung des künstlerischen Nachwuchses, besonders für das Wagner-Fach, hat es sich speziell der Bayreuther Verband auch auf seine Fahnen geschrieben, das Kulturprogramm der Stadt mitzugestalten. Seit 1953 veranstaltet der Kreis die traditionellen Einführungsvorträge, die freilich in den zurückliegenden Jahren erhebliche Konkurrenz bekommen haben. Über 1700 Vorträge waren es seit 1953, mit denen Maximilian Kojetinski, Erich Rappl, Manfred Jung, Detlev Eisinger und zuletzt Sven Friedrich den Festspielsommer bereichert haben. Im laufenden Jahr wird es wegen der vorübergehenden Schließung des Hauses Wahnfried erstmals keine eigenen Vorträge geben. „Das heißt aber nicht, dass wir uns für immer davon verabschieden“, so Götz.

Zweites Aushängeschild des Verbandes waren die Konzertveranstaltungen, meist Liederabende im Markgräflichen Opernhaus. Astrid Varnay, Martha Mödl, George London, Wolfgang Windgassen und viele andere, darunter gleich zwölf Mal Hermann Prey: viele Stars des internationalen Opern- und Konzertlebens gaben sich fast schon die Klinke in die Hand. Den 100. Abend bestritt zuletzt der Tenor Robert Dean Smith. Seitdem ist auch hier erst einmal Schluss, denn, so Götz: „Große Stars machen ihren Auftritt vom Opernhaus abhängig.“ Doch das ist erst einmal auf nicht absehbare Zeit wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten geschlossen.

Partnerschaften bestehen mit den Verbänden in Bayreuths französischer Partnerstadt Annecy sowie mit Richard Wagners Sterbeort Venedig. Opern- und Konzertreisen führten den Verband bis nach New York, Peking und Abu Dhabi. Auf internationale Beachtung stieß auch der Gesangswettbewerb für Wagner-Stimmen, der zuletzt 2009 in Karlsruhe und zuvor 2003 in Bayreuth stattfand. Die Liste der bisherigen Preisträger liest sich wie ein Besetzungszettel der Festspiele während der zurückliegenden Jahre: Violeta Urmana, Mihoko Fujimura, Anja Kampe, Michaela Kaune oder Detlev Roth.

Die Gründung der Richard-Wagner-Verbände geht auf eine Anregung des Komponisten zurück, jungen, förderungswürdigen Musikstudenten, Sängern und Instrumentalisten einen Besuch der Festspiele durch die Bereitstellung der dazu erforderlichen Mittel zu ermöglichen. Wagners Idealvorstellung des kostenlosen Festspielbesuches für Jedermann hatte sich ja bekanntlich nie verwirklichen lassen, so dass sich die Leipziger Lehrerin Anna Held am 13. Februar 1909, Wagner 26. Todestag zur Gründung eines entsprechenden Verbandes entschloss. Viele kleine Beträge können am Ende genauso gut helfen, wie ein großer Betrag, so die Idee der Pädagogin. Ziel des Richard-Wagner-Verbandes, der damals noch den Zusatz „Deutscher Frauen“ trug, war es von Anfang an, die noch von Richard Wagner selbst gegründete Stipendienstiftung zu unterstützen. So flossen also schon damals "kleine Beträge" aus Spenden und Beiträgen der Mitglieder und aus Überschüsse von Veranstaltungen der Stipendiatenstiftung in Bayreuth zu.

Trotz Weltwirtschaftkrise, hoher Arbeitslosigkeit und einer schlechten wirtschaftlichen Lage setzte sich die Idee schnell durch und der Verband wuchs ständig. Keine große Überraschung dürfte dabei sein, dass die Arbeit sogar während des Zweiten Weltkrieges weiter ging. Nach kurzzeitiger Auflösung 1945 war es schon zwei Jahre später gelungen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die erste Hauptversammlung nach dem Krieg fand 1949 in Hannover statt, erst seitdem heißt der Zusammenschluss nur mehr Richard-Wagner-Verband. Schon 1951 konnten zu den ersten Nachkriegsfestspielen 16000 Mark für 219 Stipendien bereitgestellt werden. Jedem Stipendiaten wurde damals der Besuch von einer oder zwei Vorstellungen ermöglicht.

Noch relativ jung ist der Richard-Wagner-Verband International, der erst 1991 in Lyon gegründet wurde. Er umfasst 140 Verbände mit aktuell rund 37000 Mitgliedern, davon 47 Verbände in Deutschland. Seit der Gründung der Stipendienstiftung sind bis heute rund 19000 Stipendiaten nach Bayreuth eingeladen worden. Von den als gemeinnützig anerkannten Wagnerverbänden wurden allein zwischen 1951 und 2002 3,8 Millionen Mark für die Stipendiaten.

Im Gegensatz zur Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, die durch jährliche Geldspenden in Millionenhöhe die Bayreuther Festspiele direkt mitfinanzieren, sammelt der Richard Wagner-Verband Geld, um es an die Stipendienstiftung weiterzuleiten. Diese Mittel werden zum Ankauf von Festspielkarten, in Ausnahmefällen auch für Reise- und Aufenthaltskosten verwendet. Hauptkriterium für die Auswahl ist heute eine überdurchschnittliche künstlerische  Begabung (Sänger, Musiker oder sonstige Bühnenschaffende).

Verstärkt hat sich in der Arbeit der Richard-Wagner-Verbände die Präsentation junger Solisten aus dem Kreis herausragender Stipendiaten. Einige der ehemaligen Stipendiaten, wie etwa die Sopranistin Waltraud Meier, sind heute weltberühmte Opernsänger. Waltraud Meier ist übrigens auch Ehrenmitglied des Bayreuther Verbandes.

Auf eines hat der Verband allerdings keinen Einfluss: auf die Vergabe der begehrten Eintrittskarten. Gesonderte Bestellscheine gebe es zwar für die Mitglieder des Zusammenschlusses. Bei regelmäßiger Bestellung ist so eine frühere Zuteilung der Karten gewährleistet, doch einen Garantieanspruch auf Karten, den gebe es freilich nicht.

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26.10.2010

12,5 Millionen Euro teuerer Neubau soll Richard-Wagner-Museum ergänzen Neue Ausstellungshalle im Park der Künstlervilla Wahnfried geplant

Bayreuth. Richard Wagners Künstlervilla Wahnfried ist in die Jahre gekommen. Die Fassaden haben Risse, die Teppichböden Löcher, der Putz bröckelt. Zuletzt wurde der Keller des benachbarten Siegfried-Wagner-Hauses bei einem Unwetter im Juli 2007 überflutet, so dass die Räume nicht mehr zu Depotzwecken genutzt werden können. Aber auch Einrichtung und Ausstattung des Museums sind seit seiner Eröffnung 1976 praktisch unverändert geblieben, neue museumsdidaktische Ansätze finden derzeit keinerlei Berücksichtigung. Das soll sich ändern.

Spätestens im Jubiläumsjahr 2013, in dem die Musikwelt des 200. Geburts- und des 130. Todestages Wagners gedenkt, soll auch Wahnfried im neuen Glanz erstrahlen. Doch damit nicht genug. In einem Neubau in direkter Nachbarschaft soll die Ausstellung erweitert und Platz geschaffen werden für Veranstaltungen. Wie dieser Neubau aussehen wird, darüber ist zwischen Befürwortern und Gegnern in den zurückliegenden Monaten ein heftiger Streit entbrannt.

Mit dem Abschluss eines internationalen Architektenwettbewerbs und einem klaren Votum des Bauausschusses hat die Stadt jetzt Fakten geschaffen.

Sieger aus den europaweit über 200 Beteiligungen, von denen 23 Entwürfe in die engere Wahl gekommen waren, wurde das Berliner Büro „Staab Architekten“ in Person von Volker Staab und Peer Petersen. Das Büro gilt in Fachkreisen als eines der besten für Museumsarchitektur in Europa. Oberbürgermeister Michael Hohl überreichte den beiden Architekten am Dienstag das ausgelobte Preisgeld in Höhe von 22000 Euro, ehe sich am Nachmittag der Bauausschuss des Stadtrates mit nur einer Gegenstimme für den Staab-Entwurf ausgesprochen hatte.

Der Berliner Entwurf sieht einen flachen, gläsernen Neubau entlang der Grenzfläche im Park der Villa Wahnfried in Richtung Markgräflicher Hofgarten vor. Das Konzept ordne sich feinfühlig in das Ensemble ein und besteche im Gegensatz zu vielen anderen Entwürfen in seiner Unterordnung an die bestehende Bebauung, so heißt es. Die Realisierung des Modells wird auf 12,5 Millionen Euro veranschlagt, der erste Spatenstich soll bereits im kommenden Jahr stattfinden, erklärtes Ziel ist es, die neue Ausstellungshalle bis zum Wagnerjahr 2013 zu eröffnen.

Ungemach droht der Entscheidung allerdings von der „Interessengemeinschaft Wahnfried“, ein im Oktober 2009 gegründeter Zusammenschluss kulturell interessierter und engagierter Bürger über die Grenzen Bayreuths hinaus. Die „IG Wahnfried“ hatte die Modernisierung des Richard-Wagner-Museums von Anfang an begrüßt, allerdings den Neubau einer Ausstellungshalle im Park der Villa abgelehnt. Im Bebauungsplan von 1974 sei der Wunsch Richard Wagners festgeschrieben worden, den Park als Gesamteinheit zu erhalten, hieß es. Der Zusammenschluss fordert stattdessen, dass der Wahnfried-Garten mit seinem bis zu 130 Jahre alten Baumbestand im Zuge der Neugestaltung erhalten bleibt, so wie es im gültigen Bebauungsplan von 1974 festgeschrieben sei. Als Alternative schlug die Interessensgemeinschaft dem Stadtrat vor, für den Bau einer Ausstellungshalle Standorte außerhalb des Gartens der Villa Wahnfried zu prüfen. Nicht auszuschließen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass die Gegner des Projekts eine Klage gegen die Stadt anstrengen oder einen Bürgerentscheid initiieren.

Bilder:
1. Bis 2013 soll dieser Entwurf einer Ausstellungshalle im Park von Richard Wagners ehemaliger Künstlervilla Wahnfried verwirklicht werden.
2.
Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl zeichnete die Architekten Volker Staab und Peer Petersen (von links) als Erstplatzierte eines europäischen Wettbewerbs für ihren Entwurf der neuen Wahnfried-Ausstellungshalle aus.

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21.08.2010

„Oper für alle“: Wagners Werk bei Bier und Bratwürsten / “Die Walküre” lockte als Public Viewing wieder zehntausende Besucher auf den Bayreuther Volksfestplatz

Bayreuth. Mehrere 100000 Watt verteilt auf 60 Einzellautsprecher, eine 90 Quadratmeter große Videowand, zehn ferngesteuerte Kameras, die für über 1250 Einzeleinstellungen sorgen und weit über 20000 Besucher: die 3. Siemens Festspielnacht mit der Liveübertragung der Oper „Die Walküre“ aus dem Bayreuther Festspielhaus auf den Volksfestplatz war in jeder Hinsicht ein gigantisches Unterfangen. „Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen“, sagte Heimbach, Vorstandsvorsitzender der Siemens-Stiftung beim Festspiel-Public-Viewing am Samstag. Doch nicht nur auf dem Volksfestplatz, der kurzerhand zum Festspielplatz umbenannt wurde, stand am Samstag Wagners Werk im Mittelpunkt, auch per Live-Stream im Internet wohnten tausende Menschen rund um den Globus der „Walküre“-Aufführung bei. „Wir haben damit das Weltereignis Bayreuther Festspiele im umfassendsten Sinne einem Weltpublikum“ geöffnet, freute sich Heimbach.

Die Zuschauer vor Ort mussten nicht einmal auf die berühmten Fanfaren verzichten,  sie wurden vor dem Start der Übertragung live von acht Bläsern auf die „Walküre“ eingestimmt, bei der die Technik zumindest im ersten Akt mit einigen kurzen Tonausfällen zu kämpfen hatte. Geboten wurde darüber hinaus ein interessantes Pausenprogramm mit filmischen Interviews von Mitwirkenden. Die Moderation des Public Viewing übernahm auch in diesem Jahr wieder der Musik-Publizist Axel Brüggemann. Wagner sei nichts Elitäres, sagte Brüggemann vor seinem Auftritt und zitierte eine Studie aus dem vergangenen Jahr. Danach hätten 60 Prozent aller Besucher noch nie vorher Kontakt zur Musik Wagner gehabt. Diese Menschen an das großartige Werk heranzuführen, Hemmschwellen abzubauen und Dünkel abzustreifen, das sei das eigentliche Ziel der „Oper für alle“. Die junge Theaterwissenschaftlerin Katja Leber gab dem Publikum vor Ort eine Stunde vor dem Start des Public Viewing eine Einführung in die Welt der Walküre. So wurde auch Zuschauern, die sich bislang noch nicht mit Wagners Werk auseinandergesetzt hatten, ein unterhaltsamer Zugang zur Thematik und Handlung des Ring des Nibelungen eröffnet. Damit sei vor allem eine erste Grundlage geschaffen und hoffentlich auch das Interesse geweckt, meinte Leber, die auch auf dem Grünen Hügel Einführungsvorträge hält. Nach dem Ende der Aufführung kamen dann auch die Sänger vom Hügel auf den Volksfestplatz, um sich vom Publikum feiern zu lassen. Umrahmt wurde das Public Viewing von einem breiten gastronomischen Angebot. Von Bayreuther Bier und Bratwürsten bis hin zu kulinarischen Leckerbissen gab es so ziemlich alles, inklusive sommerliches Feeling mit Strandbar, leckeren Cocktails und Liegestühlen.

Nach Auskunft der Bayreuther Marketing- und Tourismus-GmbH kam etwa die Hälfte der Besucher im zurückliegenden Jahr aus Bayreuth. Die andere Hälfte der Besucher  zu 18 Prozent aus dem Landkreis Bayreuth, zehn Prozent aus Oberfranken und 22 Prozent aus dem restlichen Bundesgebiet und aus dem Ausland. Zahlen, die auch in diesem Jahr zutreffen dürften. Die Umfrage zeige, dass das Public Viewing einerseits von den Einheimischen sehr gut angenommen wird, so Frank Nicklas. Die Bayreutherinnen und Bayreuther hätten beim Public Viewing die Möglichkeit, „ihren“ Wagner in einer angenehmen und ungezwungenen Atmosphäre zu erleben. Andererseits entwickelt sich die Veranstaltung immer mehr zu einem touristischen Event, was Bayreuth überregional gesehen noch attraktiver macht.

Als absolute Welturaufführung hatten die Veranstalter, neben Siemens auch die Stadt Bayreuth und die Festspiele, die kindgerechte Inszenierung des „Tannhäuser“ angekündigt. Die Aufnahme vom 25. Juli, die vor der „Walküre“ gezeigt wurde, brachte den „Sängerkrieg auf Wartburg“ in die Moderne und machte den mittelalterlichen Helden Tannhäuser zu einem Jugendlichen von heute. Auf einem Wagner-Erlebnisparcours setzen sich Kinder unter fachkundiger Anleitung von Theaterpädagogen, Kostüm- und Maskenbildnern, Requisiteuren und Orchestermusikern auf kreative Art mit Wagners Werk auseinander. Ziel war es, über altersgerechte Aktionen Zugang zum Werk Wagner zu erschließen. Kinder und Jugendliche konnten in sechs Themen-Zelten die Welt Wagners selbst entdecken und die Geschichte des Tannhäuser nachspielen. Daneben konnten sich die Kinder nach der Filmvorführung entweder im „Schmink- und Kostüm-Zelt“ als Tannhäuser oder Venus verkleiden oder sich von erfahrenen Musikern im „Musik-Zelt“ die verschiedenen Instrumente erklären lassen. Ausprobieren war ausdrücklich erlaubt, ja sogar erwünscht. Im Zelt für Spezialeffekte lernten Kinder die Tricks der Requisiteure kennen, während der Rüstmeister seine Bühnenwaffen und Rüstungen präsentiert. Konzipiert und entwickelt wurde der Wagner-Erlebnisparcours von der Theaterpädagogin Ursula Gessat, die auch das Kinderprogramm der Bayerischen Staatsoper gestaltet. Bei der Siemens-Festspielnacht in Bayreuth gehe es vor allem auch darum, „Kultur auf intelligente Weise einem neuen und auch jugendlichen Publikum zu vermitteln“, so Michael Roßnagl, Leiter des Bereichs Kunst & Kultur der Siemens Stiftung.

Wagner weltweit hieß es schließlich auch wieder im Internet: Die Siemens AG legte den Schwerpunkt ihres Engagements auf die Technik als Transfermedium und bot Wagner-Fans gegen eine Gebühr von knapp 15 Euro die Möglichkeit, die Walküre entweder in Echtzeit oder zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl als On-demand-Version zu erleben. Da es sich bei einer Übertragung aus dem Festspielhaus um ein herausragendes musikalisches Ereignis handelt, lag der technische Fokus auf der erstklassigen Bild- und Tonqualität, die dem besonderen Musik- und Klangerlebnis im Festspielhaus auch einigermaßen gerecht werden sollte. Mit YouTube habe dies alles nichts zu tun, erklärte ein Techniker und sprach von Videosignalen in HD-Qualität und einem optimalen Hör- und Seherlebnis.

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12.08.2010

„Wir sind Festspiele“: Neuer Förderverein will keinen Ärger / Team aktiver Festspielförderer präsentierte sich in Bayreuth erstmals der Öffentlichkeit

Bayreuth. 100 Mitglieder, 300 Facebook-Freunde und den Slogan „Wir sind Festspiele“: Viel haben die neuen Förderer der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele mit dem Namen Taff („Team aktiver Festspielförderer“) noch nicht zu bieten. Doch schon in der kommenden Spielzeit sollen nach den Worten von Vorstand Peter Maisel „signifikante finanzielle Beträge“ für die Festspiele fließen. „Unser Ziel ist es, zusätzliche Mittel für die Festspiele bereitzustellen“, sagte Maisel bei der ersten öffentlichen Präsentation des neuen Fördervereins am Donnerstag in der neuen „Walhall-Lounge“ im direkten Umfeld des Festspielhauses.

Neben Maisel, im Hauptberuf Geschäftsführer eines Multimedia-Unternehmens in Bayreuth, waren seine Vorstandskollegen, der Bayreuther Stadtrat Stefan Müller, der Maschinenbauunternehmer Dr. Herbert Conrad und Tim Sternsdorff, Geschäftsführer einer Marketing-Agentur, als Pressesprecher auf dem Podium erschienen. Prominente Unterstützung erhielten das Quartett von Christian Thielemann, dem aktuellen Ring-Dirigenten. Es gehe nicht darum, Ärger zu machen, sagte Thielemann. Ungefragt spielte er damit auf die Konkurrenz zur alteingesessenen Gesellschaft der Freunde von Bayreuth an, die vor rund 60 Jahren gegründet wurde, 5000 Mitglieder hat und im Laufe der Jahrzehnte viele Millionen an die Festspielleitung zur Verwirklichung von Baumaßnahmen und Inszenierungen überwiesen hatte.

Man sei derzeit noch nicht in der Situation, um mit der Gesellschaft in Augenhöhe zu verhandeln, so Vorstand Maisel, der sich sichtlich um ein normales Nebeneinander bemühte. Gleichwohl hat auch Taff große Pläne. Ein Festspielball am 5. August 2011 gehört dazu, eine groß angelegte Herbstpressekonferenz noch in diesem Jahr in Berlin und ein aktives Vereinsleben. Letzteres nicht nur bundesweit, sondern, so Maisel wörtlich: „Eventuell weltweit.“ Aufnahmegebühren gebe es bei Taff nicht, bis zum 30. Lebensjahr liege der Jahresbeitrag bei 50 Euro, ab dem 30. Lebensjahr bei 200 Euro. Was es bei Taff derzeit auch nicht gebe, seien im Gegensatz zur Gesellschaft der Freunde die begehrten Festspielkarten. Aber diese Frage soll bereits bei einer der nächsten Vorstandssitzungen thematisiert werden.

Allerdings, so waren sich sämtliche Sprecher sicher, habe Taff seinen Mitgliedern auch etwas zu bieten. Der Besuch von Proben soll dazu gehören, der Blick hinter die Kulissen und die aktive Teilhabe an den Festspielen, wie immer diese auch aussehen soll. „Uns geht es darum, die Arbeit der Künstler live zu erleben“, sagte Vorstand Maisel. Der Besuch von Proben soll dabei eines der Pfründe sein, mit denen die neuen Festspielförderer werben wollen. Wer weiß, wie schwer es ist, an eine Generalprobenkarte zu kommen, kann sich allerdings nur wundern, wie Taff plötzlich das Haus öffnen möchte. Man sei mit den beiden Festspielleiterinnen (die bei der Pressekonferenz nicht zugegen waren) in Verhandlung, hieß es, eine „finale Abstimmung“ stehe aber noch aus.

Darüber hinaus wollen die neuen Mäzene in erster Linie auf neue Medien setzen. Multimedia-Unternehmer Maisel kündigte regelmäßige Newsletter und Mitgliederwerbung per Internet an. „Wir brauchen moderne Kommunikationsmittel, die auch junge Leute ansprechen“, so Vorstandsmitglied Dr. Conrad. Relativ bedeckt hielt sich der ansonsten als absolut redegewandt bekannte Christian Thielemann. Er unterstütze die Festspiele nach besten Kräften, sagte er und schwärmte in höchsten Tönen von den Bayreuther Arbeitsbedingungen. Die Proben beispielsweise auch für Schulklassen zu öffnen, das sei doch etwas ganz Normales, sagte Thielemann, um gleich darauf einzuschränken, dass dies natürlich nicht inflationär betrieben werden dürfe. Zur Konkurrenz mit der Gesellschaft der Freunde Bayreuth merkte der Dirigent an: „Man kann doch nie genug Freunde haben.“

Bild: „Wir sind Festspiele“: TAFF-Vorstandsmitglied Stefan Müller, Vorstand Peter Maisel und der Dirigent Christian Thielemann (von links) stellten die Förderer der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele TAFF vor.

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27.07.2010 (erschienen)

Markgrafen-Buchhandlung feiert 30. Geburtstag: Whisky mit Heiner Müller und Fotoorgien mit Christoph Schlingensief / Signierstunden bieten Bayreuth-Besuchern Gelegenheit zum persönlichen Kontakt mit den Stars vom Hügel

„Die Festspielzeit ist die schönste Jahreszeit.“ Buchhändler Rolf J. Geilenkirchen kommt ins Schwärmen wenn er an den Sommer in Bayreuth denkt. Der Inhaber der Markgrafen-Buchhandlung am Sternplatz betreibt nicht nur seit 1986 den Kiosk am Festspielhaus, er kennt sie auch alle persönlich: die Stars vom Hügel. Ob Dirigenten wie Daniel Barenboim oder Christian Thielemann, Sängerinnen und Sänger wie Waltraud Meier und Siegfried Jerusalem oder Regisseure wie Harry Kupfer, Heiner Müller, Christoph Schlingensief oder Tankred Dorst, sie alle waren in der Markgrafen-Buchhandlung schon zu einer der beliebten Signierstunden zu Gast, suchten Kontakt zu ihren Publikum und verewigten sich auf ungezählten Fotos, Programmheften, Poesiealben, Kalendern und CDs.

„Manche kommen extra für die Signierstunde aus München angereist“, weiß Geilenkirchen zu berichten. Ihm macht es sichtlich Freude, die prominenten Künstler vom Hügel mit individuellen Vierzeilern in den Laden zu locken. Fast alle reagieren auf seine schriftlichen Anfragen, die meisten positiv. Honorar hat er bis heute keinem zahlen müssen. Nur einige wenige haben sich hartnäckig verweigert, der Dirigent James Levine etwa, der Tenor Peter Seiffert oder auch Placido Domingo, den er natürlich gerne hier gehabt hätte.

Geilenkirchen war nach seiner Buchhändlerlehre, die er 1959 in Bochum abgeschlossen hatte über Stationen in Freiburg, Berlin, München und Frankfurt 1973 nach Bayreuth gekommen. Sechs Jahre lang war er als Geschäftsführer der hiesigen Gondrom-Filiale tätig, ehe er sich 1980 den „Traum eines Buchhändlers“ verwirklichte und den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Am 23. Januar 1980, also vor 30 Jahren, eröffnete er in der Maximilianstraße 32 seinen ersten Laden, bereits am 9. August des gleichen Jahres war mit dem österreichischen Charaktertenor Heinz Zednik ein prominenter Protagonist der Festspielbühne zu einer Signierstunde zu Gast.

Viele Bayreuth-Pilger schätzten damals die heimelige Atmosphäre in dem idyllischen Hinterhof mitten in der Stadt, die nur sechs Jahre später jäh zerstört wurde. Durch einen Großbrand wurde die gesamte Buchhandlung über Nacht zum Raub der Flammen, der Schaden lag bei 600000 D-Mark, die Brandspuren im Gästebuch künden noch heute davon. Doch schon drei Monate später eröffnete Geilenkirchen seine Buchhandlung wieder, ehe er 1998 in das neue Domizil am Sternplatz umzog. Anfangs habe er Zweifel gehabt, ob sich hier die Tradition der Signierstunden fortsetzen ließe. Doch mittlerweile könne er feststellen, dass auch deutlich mehr Bayreuther kommen, um sich ein Autogramm von den Stars zu holen.

Es sei schon wichtig solche Leute im Geschäft zu haben, nicht zuletzt auch für den Umsetz, gibt Geilenkirchen unumwunden zu. Doch auch außerhalb des Jahres ist die Markgrafen-Buchhandlung immer wieder für eine Bereicherung des Bayreuther Kulturlebens gut. Max von der Grün und Rainer Kunze waren bereits zu Lesungen da, die Jean-Paul-Rezitationen des Schauspielers Hans-Jürgen Schatz gelten längst nicht mehr als Geheimtipp und auch NASA-Manager Jesco von Puttkamer ist stets für ein volles Haus gut.

Ärger habe es mit den Stars vom Hügel nie gegeben. Im Gegenteil: mit Waltraud Meier rezitierte Geilenkirchen schon Gedichte von Heinrich Heine und mit Heiner Müller trank er leckeren Whisky. Gerne erinnert sich Geilenkirchen auch an Christoph Schlingensief, der im Jahr 2004 über 400 Besucher anzog, mehr als zwei Stunden lang habe das Enfant terrible der internationalen Theaterszene damals seinen Namen geschrieben, sich mit Verehrern fotografieren lassen („das waren wahre Fotoorgien“) und sogar die Postkarten mit dem Wagner-Konterfei verzierte er damals fantasievoll und gab sie an seine Fans weiter.

„Danke für das inspirierende Plauderstündchen“ schrieb die 2009 verstorbene Hildegard Behrens der Markgrafen-Buchhandlung ins Gästebuch. Dirigenten wie Christian Thielemann oder Peter Schneider bezeichnen sich schon selbst als Stammgäste, nur eine Brünhilden-Darstellerin sei ziemlich verschnupft gewesen, dass sich nur fünf oder sechs Fans zu ihrer Signierstunde verirrt hatten. Das ist längst wieder vergessen, denn ansonsten seien die Menschen sehr angetan von der Möglichkeit, mit Dirigenten, Sängern und Regisseuren direkt ins Gespräch zu kommen. Manche führen schon seit Jahrzehnten entsprechende Alben. Schön, dass es solche „Verrückte“ gibt, so Geilenkirchen.

Auch vom Festspielkiosk am Hügel weiß er jede Menge zu berichten. Bernd Weikl, der Hans Sachs in Wolfgang Wagners legendärer Meistersinger-Inszenierung der achtziger Jahre, habe sich aufgrund des Andrangs zur Pause kurz entschlossen selbst mit hinter die Ladentheke gestellt und Bücher verkauft. „Als Kioskbetreiber sind wir da oben ein richtiges Auskunfsbüro“, sagt Geilenkirchen. Viele Besucher wollten sich über die Inszenierung aussprechen und die Gastfreundschaft genießen. Aber auch Fragen, wie die nach der Nachmittagsvorstellung, versuchen Geilenkirchen und seine Mitarbeiter geduldig zu beantworten.

Bilder:
1. Besonders in den Mittagsstunden herrscht großer Andrang in der Markgrafen-Buchhandlung in Bayreuth, die heuer ihren 30. Geburtstag feiert.
2. Brünhilde Linda Watson und Rolf J. Geilenkirchen vor der Markgrafenbuchhandlung.
3. Rolf J- Geilenkirchen (rechts) mit Tankred Dorst, Ring-Regisseur 2008 und einer der meist gespieltesten Gegenwartsautoren, und dessen Frau Ursula Ehler.
4. Die Signierstunde mit den meisten Besuchern: Christoph Schlingensief lockte im Jahr 2004 an die 400 Besucher.

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27.07.2010 (erschienen)

Streit um Wahnfried / Pläne für neue Ausstellungshalle im Park sorgen bei Gegnern für Unverständnis

Richard Wagners Künstlervilla Wahnfried ist in die Jahre gekommen. Die Fassaden haben Risse, die Teppichböden Löcher, der Putz bröckelt. Zuletzt wurde der Keller des benachbarten Siegfried-Wagner-Hauses bei einem Unwetter im Juli 2007 überflutet, so dass die Räume nicht mehr zu Depotzwecken genutzt werden können. Aber auch Einrichtung und Ausstattung des Museums sind seit seiner Eröffnung 1976 praktisch unverändert geblieben, neue museumsdidaktische Ansätze finden derzeit keinerlei Berücksichtigung. Das soll sich ändern.

Spätestens im Jubiläumsjahr 2013, in dem die Musikwelt des 200. Geburts- und des 130. Todestages Wagners gedenkt, soll auch Wahnfried im neuen Glanz erstrahlen. Wie sich das Museum dem Besucher dann präsentieren wird, darüber ist ein heftiger Streit entbrannt. „Wenn die Glocke 2013 läuten soll, dann müssen wir sie jetzt gießen“, wird Museumsdirektor Sven Friedrich in den Medien zitiert. Er macht keinen Hehl daraus, dass an einem Neubau kein Weg vorbeiführt, um Leben, Werk und Schaffen Wagners angemessen darzustellen. Während der Leiter des Hauses die große Lösung samt Neubau einer Ausstellungshalle im Park der Villa favorisiert, lehnt eine breite Öffentlichkeit gerade dieses Ansinnen strikt ab.

Die „Interessengemeinschaft Wahnfried“, ein im Oktober 2009 gegründeter Zusammenschluss kulturell interessierter und engagierter Bürger über die Grenzen Bayreuths hinaus, begrüßt die Modernisierung des Richard-Wagner-Museums, ist aber gegen den Neubau einer Ausstellungshalle mit einer Gesamtfläche von geschätzt 1800 Quadratmetern auf drei Geschossen im Park der Villa. Im Bebauungsplan von 1974 sei der Wunsch Richard Wagners festgeschrieben worden, den Park als Gesamteinheit zu erhalten, so der Sprecher des Interessensgemeinschaft Helmut Beran aus Bayreuth. „Durch den geplanten Bau einer dreigeschossigen Ausstellungshalle im Park der Villa Wahnfried sehen wir Belange des Denkmalschutzes, den möglichen Status der Stadt Bayreuth als Weltkulturerbe und das globale Interesse am Erhalt des einmaligen Ensembles Villa Wahnfried gefährdet“, erläutert Beran.

Der Zusammenschluss fordert stattdessen, dass der Garten der Villa Wahnfried mit seinem bis zu 130 Jahre alten Baumbestand im Zuge der Neugestaltung erhalten bleibt, so wie es im gültigen Bebauungsplan von 1974 festgeschrieben sei. Als Alternative schlägt die Interessensgemeinschaft dem Stadtrat und dem Stiftungsrat der Richard-Wagner-Stiftung vor, für den Bau einer dreigeschossigen Ausstellungshalle Standorte außerhalb des Gartens der Villa Wahnfried zu prüfen. In Frage kämen dabei die Alte Musikschule oder das benachbarte Chamberlain-Haus. Sowohl aus ästhetischen Gründen als auch aus baurechtlichen Gründen biete der Garten der Villa Wahnfried keinen Platz für einen ausreichend groß dimensionierten Neubau. Helmut Beran und Uwe-Bernd Vogel von der IG Wahnfried spielen dabei auf die Sichtachse Wagner-Grabstätte-Brunnen-Villa sowie auf den Abstand zu Nachbargrundstücken an.

Ein gewünschter Neubau mit einem Bauvolumen von annähernd 2000 Quadratmetern, werde mit seiner schieren Baumasse das Haus Wahnfried erdrücken und das Denkmalensemble schädigen, sind sich Beran und Vogel einig. Darüber hinaus befürchten die Gegner, dass die Neubauwünsche zu viele Mittel binden, so dass sich dadurch die Prioritäten verschieben. „Die oberste Priorität sollte die denkmalgerechte Rekonstruktion des Wahnfried-Gartens (Rückbau der Bushaltestelle) und des Hauses Wahnfried haben.“

Die Gegner des Neubaus glauben auch, dass die Stadt ihre finanziellen Möglichkeiten überschätzt und bei einer zu geringen Beteiligung der Stadt von unter 20 Prozent erhebliche zugesagte Mittel anderer Zuwendungsträger wie Bund, Freistaat Bayern, oder Bezirk Oberfranken verloren gehen lassen. Beran: „Es steht zu befürchten, dass deshalb nur ein Planungstorso realisiert werden kann.“

Genau das aber wäre für die Mitglieder der Interessensgemeinschaft zum 200. Geburtstag Richard Wagners eine Katastrophe: „Die zeitlichen Verzögerungen bei der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs lassen erwarten, dass statt eines vollständig erneuerten Hauses eine Baustelle mit teilsaniertem Haus Wahnfried zu besichtigen sein wird.“ Bei einer Besprechung mit Vertretern der Interessengemeinschaft hatte Bayreuths Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl für den geplanten Neubau einer Ausstellungshalle frühzeitig einen offenen Architektenwettbewerb zugesichert.

Der Wettbewerb soll verschiedene Standorte, darunter auch die Vorschläge der Interessensgemeinschaft einschließen, so entschied der Stadtrat im Februar. Damit sei der Architektenwettbewerb völlig offen gehalten, er gebe in keiner Weise eine architektonische Lösung in Form eines Neubaus im Garten von Wahnfried vor, sagte Joachim Oppold, Pressesprecher der Stadt. Vielmehr habe der Stadtrat bei der Formulierung ausdrücklich Wert darauf gelegt, dass die Gebäude und Grundstücke im Umgriff von Wahnfried mit ins Wettbewerbsgebiet einbezogen werden.

Die Interessengemeinschaft Wahnfried hat damit ihr erstes Ziel erreicht. Sollten sich die Siegerentwürfe, die noch im Laufe der Festspielzeit vorgestellt werden, allerdings tatsächlich auf den Wahnfried-Park fokussieren, so schließen die Vertreter der Interessengemeinschaft ein Bürgerbegehren als letzte Möglichkeit gegen den Neubau nicht mehr aus.

Bild: Mit dieser Computersimulation warnen die Vertreter der Interessengemeinschaft Wahnfried vor einem Museumsneubau im Garten von Richard Wagners Künstlervilla.
Foto:
www.wahnfried.com

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25.07.2010

Wunderbare Stimmen und ein unvergesslicher Abend / 1200 Besucher feierten die Premiere der 99. Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele

Bayreuth. Beinahe 60 Sekunden lang wurde es mucksmäuschenstill bei der Premierenfeier anlässlich der Eröffnung der 99. Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele auf dem Gelände des Neuen Schlosses in Bayreuth. Der bayerische Ministerpräsident hatte zuvor der Opfer der Tragödie bei der Loveparade in Duisburg gedacht und zu einer Schweigeminute aufgerufen. Die Festspiele wurden am Sonntag mit der Wagner-Oper Lohengrin in der Inszenierung von Hans Neuenfels eröffnet. Es ist das erste Festival nach dem Tod des langjährigen Festspielleiters Wolfgang Wagner. Neben dem Lohengrin feierte zuvor auch der Tannhäuser in einer Adaption für Kinder Premiere auf dem Grünen Hügel.

Für eine weitere Premiere beim Empfang der Bayerischen Staatsregierung sorgte am Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach der Ansprache Seehofers ergriff sie das Mikrofon und sprach ihren ganz persönlichen Dank aus: „Danke an Richard Wagner, dass er uns vor 160 Jahren den Lohengrin geschaffen hat, danke an Wolfgang Wagner, dass er das heute Gehörte und Gesehene ganz wesentlich doch noch vorbestimmt hat“, sagte Merkel und vergas es nicht, auch allen Mitwirkenden für „einen unvergesslichen Abend“ zu danken. Die Sängerinnen und Sänger, Dirigent Andris Nelsons und die beiden Festspielleiterinnen Katarina Wagner und Eva Wagner-Pasquier standen zu diesem Zeitpunkt mit der  Bundeskanzlerin auf der Bühne und konnten sich anschließend über bunte Blumensträuße aus den Händen von Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer freuen.

„Der Lohengrin lässt niemand kalt“, sagte Seehofer. Er sprach von der „traurigsten aller Wagner-Opern“ und bezeichnete die Inszenierung von Hans Neuenfels als ausdrucksstark und mutig. Dennoch war es für den Ministerpräsidenten „eine der besten Premieren von Bayreuth“, die den Weltruf der Festspiele nachhaltig unterstreiche. Seehofers Vor-Vorgänger Edmund Stoiber differenzierte etwas genauer und nannte den Anfang der Inszenierung gewöhnungsbedürftig und das Bühnenbild herausfordernd. Die Absicht von Neuenfels erschließe sich allerdings durch den zweiten und dritten Akt, dazu kämen „wunderbare Stimmen“.

Für Ex-Außenminister Hans Dietrich Genscher war die Premiere „ein großer Durchbruch“ sowie eine mutige und ausgezeichnete Inszenierung. „Die Zeit geht weiter und das ist im Sinne Richard Wagners“, so Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Wagner könne mit gütigem Auge aus dem Jenseits auf die Eröffnung blicken. „Großartig“ fand auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Aufführung. Mit einem Seitenhieb auf die Buh-Rufer sagte zu Guttenberg: „Ich glaube immer, dass Buhs Ausdruck schlechter Erziehung sind.“ Von einer „Weltklasseinszenierung sprach schließlich Bundesaußenminister Guido Westerwelle: „Das hat absolutes Weltniveau, darauf kann Bayreuth nur stolz sein.

Uwe Werner, von der Gaststätte Wolffenzacher in Bayreuth hatte die rund 1200 Gäste des Staatsempfangs zuvor mit Wildragout, Semmelklößen mit Pfifferlingen. Sauerbraten mit Bayreuther Klößen, Reibekuchen mit Lachs, Antipasti-Teller, Obstsalat und Palatschinken versorgt. Dazu gab es Frankenwein vom Staatlichen Hofkeller in Würzburg und Bayreuther Bier.

Bilder:
- Freuten sich über eine gelungene Premiere: die beiden Festspielleiterinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel und Festspielleiterin Eva Wagner-Pasquier gratulierten Startenor Jonas Kaufmann, der heuer die Titelpartie des Lohengrin verkörpert.

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25.07.2010

Bayreuther Festspiele mit spektakuläre Neuinszenierung des „Lohengrin“ eröffnet / Bis zum 28. August wird der Grüne Hügel zum Nabel der Opernwelt

Bayreuth – Mit einer spektakulären Neuinszenierung des „Lohengrin“ sind am Sonntagnachmittag in Bayreuth die 99. Richard-Wagner-Festspiele eröffnet worden. Im Mittelpunkt standen dabei der lettische Dirigent Andris Nelsons und der berühmt-berüchtigte Regisseur Hans Neuenfels, der schon oft für einen Skandal gut war. Mit Startenor Jonas Kaufmann in der Titelpartie und der Sopranistin Annette Dasch als Elsa listete die Besetzung diesmal zwei überaus prominente Bayreuth-Debütanten auf.

Wie immer, stand zuvor der rote Teppich vor dem Königsbau des Festspielhauses im Mittelpunkt des Zuschauerinteresses. Vor der „Lohengrin“-Aufführung begrüßten traditionell Bayreuths Oberbürgermeister Michael Hohl und seiner Frau Hannelore die prominenten Besucher. Die beiden Festspielleiterinnen Eva Wagner-Paquier und Katharina Wagner ließen sich dagegen nur ganz kurz zwischen den Säulen des Königsportales sehen. Jede Menge Prominenz aus Politik, Gesellschaft und Showgeschäft galt von vornherein als sicher. Zahlreiche Schaulustige strömten schon zur Mittagszeit an die Absperrgitter zu kommen, Kamerateams und Fotografen nahmen den Hügel bereits am frühen Morgen in Beschlag.

Als eine der ersten Prominenten fuhr bereits kurz nach 15 Uhr Landtagspräsidentin Barbara Stamm vor, gefolgt von Bayerns Justizministerin Beate Merk und Umweltminister Markus Söder. Für einen Farbtupfer sorgte wie schon so oft in den vergangenen Jahren Schauspielerin und Tänzerin Margot Werner, die deismal ein hochgeschlossenes, farbiges Kleid sowie ein rotes Stirnband trug und damit minutenlang unter dem Gejohle der Fotografen posierte. Ganz in Schwarz trat dagegen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf, die zusammen mit dem Fraktionschef der FDP im Bayerischen Landtag Thomas Hacker das Festspielhaus betrat. Noch war Sternekoch Heinz Winkler aus Aschau nicht im Theater verschwunden, ging ein Raunen durch die Menge, denn kurz hintereinander fuhren der frühere Bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein mit Frau Marga und sein Nachfolger Horst Seehofer mit Frau Karin vor. Bester Laune nahmen beide ein Bad in der Menge, plauderten mit den Zaungästen und schrieben fleißig Autogramme. Premiere war der Festspielbesuch für die prominente Schauspielerin Veronika Ferres, die im dezent eleganten lindgrünen Kleid an der Seite ihres Lebensgefährten Carsten Maschmeier alle Blicke auf sich zog. Eleganz lautete auch das Thema bei der Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis im edlen grünen Mantelkleid vorgefahren war.

Danach ging es schlag auf Schlag und die VIPs mussten teilweise Schlange stehen, um vom Bayreuther Stadtoberhaupt begrüßt zu werden und den Weg in die Logen antreten zu können: Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher als langjähriger Stammgast in Bayreuth, Schauspieler Christian Wolff („Forsthaus Falkenau“), Sozialministerin Christine Haderthauer, Wirtschaftsminister Martin Zeil, Schauspieler Edgar Selge und mit Edmund Stoiber noch ein früherer Bayerische Ministerpräsident. Beinahe schon dezent betrat diesmal Paradiesvogel Thomas Gottschalk im schwarzen Anzug und mit schwarzer Fliege sowie silbernen Schuhen den roten Teppich. Glich danach folgte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit Ehefrau Stephanie, die im Gegensatz zum Vorjahr diesmal auf das Bad in der Menge verzichteten und eilig in den Zuschauerraum traten. Beinahe schon zuletzt kamen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle. Merkel im weißen Blazer und mit weitausladender grauer Hose fand sogar noch einige freundliche Worte für die Zaungäste in der ersten Reihe, während Westerwelle sogar einige Autogramme schrieb.

Neben dem „Lohengrin“ in der Regie von Hans Neuenfels stehen „Der Ring des Nibelungen in der Inszenierung des Dramatikers Tankred Dorst und unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann, der viel umjubelte „Parsifal“ des Regisseurs Stefan Herheim unter der Stabführung des Italieners Daniele Gatti sowie Katharina Wagners „Meistersinger“-Inszenierung unter der musikalischen Leitung von Sebastian Weigle auf dem Spielplan.

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25.07.2010 (erschienen)

Wallfahrtsort für Wagnerianer / Größtes Wagner-Denkmal, ältestes Wagner-Museum und Ausgangspunkt für den Lohengrin - Die Sächsische Schweiz hat für Wagner-Freunde einiges zu bieten

„Gott sei Lob, ich bin auf dem Lande, drei Stunden von Dresden, in der reizendsten Gegend von der sächsischen Schweiz und fange wieder an, als Mensch und Künstler aufzuatmen.“ Reizend ist die Gegend südöstlich der heutigen sächsischen Landeshauptstadt noch immer, wenn der Besucher von Dresden kommend heute auch keine drei Stunden sondern, je nach Verkehrslage, vielleicht 30 Minuten braucht, um nach Graupa bei Pirna zu gelangen. Für Richard Wagner, den sicher berühmtesten Gast dieses beschaulichen Dörfchens rechts der Elbe mit seinen heute rund 3000 Einwohnern muss der Sommer 1846, den er als 33-Jähriger im damaligen Schäferschen Bauerngut verbrachte, ein sehr glücklicher gewesen sein.

Wagner fand hier vom 15. Mai bis zum 20 Juli mit seiner ersten Frau Minna und dem Hund Peps Muße und Anregung, erlebte einen Sommer voller Schaffensinspiration und entwarf skizzenhaft binnen kürzester Zeit alle drei Akte des „Lohengrin“. Wenn der Schreibtisch von damals auch längst in Bayreuth steht, so gilt das frühere Bauernhaus heute als eine von vier weltweit original erhalten gebliebenen Wagner-Wohnstätten und zugleich als ältestes Wagner-Museum der Welt.

Schon im September 1881 stattete Cosima mit den Kindern Eva und Siegfried diesem denkwürdigem Ort einen Besuch ab, 1894 wurde die Gedenktafel angebracht und 1907 gab es in den beiden Räumen, die Wagner im Obergeschoss bewohnte, eine erste Gedenkstätte. Eine kleine Privatsammlung sowie Schenkungen aus Bayreuth bildeten damals den Grundstock. Ein erstes Museum im heutigen Sinne wurde im August 1935 eröffnet. Seit der letzten kompletten Überarbeitung und der Wiedereröffnung des Hauses im Frühjahr 2009 werden dort nicht nur Wagners Graupa-Aufenthalt anhand von zeitgemäßem Mobiliar, Schautafeln und Hörstationen, sondern auch die Gäste des Lohengrin-Hauses, die Geschichte des Museums und die Entdeckung der Sächsischen Schweiz im 19. Jahrhundert thematisiert. Außerdem gibt es drei Appartements für Stipendiaten und einen Saal mit 80 Plätzen für Veranstaltungen im Erdgeschoss. Hier finden regelmäßig Klavierkonzerte, Vorträge und Lesungen statt.

Der Ort Graupa, der seit 1998 Teil der Großen Kreisstadt Pirna ist, hat erkannt, dass sich der berühmte Gast von 1846 bestens touristisch nutzen lässt. Noch ist die Ausstellung „Richard Wagner und Sachsen“ in der alten Schule des Ortes zu sehen. Sie soll in stark erweiterter Form, mit modernster Technik und einem interaktiven Anspruch spätestens zum Wagner-Jahr 2013 im ehemaligen Jagdschloss gleich gegenüber dem Museum untergebracht werden. Dr. Christian Mühne, dem Direktor der Wagner-Stätten Graupa, zufolge wird dabei auch auf Sage und Mythos, Libretto und Komposition, Bühne, unsichtbares Orchester und Wagner-Rezeption in ganz unterschiedlich gestalteten Räumen eingegangen. Historische Noten, Bild- und Schriftdokumente sollen in Zukunft über Wagners Tätigkeit als königlich-sächsischer Kapellmeister informieren und Einblicke in die künstlerischen und vor allem politischen Auseinandersetzungen der Zeit geben. Auch der damalige Kreis um Wagner, allen voran der Musiker Karl-August Röckel (1814 – 1876), ein wichtiger Repräsentant der Dresdner Revolutionsbewegung, werden in der Schau eine Rolle spielen.

Längst fertig ist dagegen der Richard-Wagner-Kulturpfad im Schlosspark. 20 Tafeln laden zu einem kleinen Spaziergang ein, bei der Besucher stichpunktartig alles über Leben und Werk des Komponisten erfahren. Wagner für Eilige sozusagen, doch der Rundweg mit einer Länge von etwa einem Kilometer ist gut gemacht, lässt keine wichtige Station aus und wenn auf dem kleinen Schlossteich auch noch der Schwan, das Wappentier von Graupa, seine Kreise zieht, ist die Lohengrin-Illusion perfekt. Wären da nicht die Baustellenfahrzeuge, die den Spaziergänger in die Wirklichkeit zurückholen. Das ehemalige Großgraupaer Rittergut Raupenberg und späteres Barockschlößchen von Friedrich August II. wird derzeit für die geplante Dauerausstellung grundlegend restauriert. Eigentlich war die Fertigstellung schon für 2009 geplant, doch offensichtlich kam es zu Verzögerungen bei der Bauausführung.

Seinen Anfang nimmt der Rundweg an dem nicht zu übersehendem Wagner-Denkmal des Bildhauers und Malers Richard Guhr. Der Kopf ist ein Abguss des großen Wagner-Denkmals im nahe gelegenen Liebethaler Grund. Dieser Wallfahrtsort für Wagnerianer ist die eigentliche Attraktion der Gegend. Mit einer Höhe von 12,50 Meter ist es das größte Wagner-Denkmal der Welt. Ursprünglich sollte die eigentümliche Installation, die Richard Wagner als Gralsritter darstellt und fast schon ein wenig an eine ägyptische Pharaonenfigur erinnert, in Dresden platziert werden. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ das Denkmal aber in Vergessenheit geraten, ehe es um 1930 herum wieder entdeckt und am heutigen Standort errichtet wurde.

Den Liebethaler Grund zu finden, ist auch heute nicht ganz einfach. Doch die Suche lohnt. Hat man sich erst einmal durchgefragt und findet man einen der Zugänge in die eigentümliche Landschaft glaubt sich der Besucher zunächst in die Wolfsschlucht von Webers Freischütz versetzt. Tatsächlich hat wohl auch Carl-Maria von Weber hier seine Inspiration gefunden. Doch spätestens beim Anblick des Gralsritters Richard Wagner ist man in der Wagner-Welt zurück. Fünf Bronzefiguren, allein diese sind jeweils vier Meter hoch, gruppieren sich zu Füßen des Komponisten. Sie sollen die Elemente der Musik Wagners, sphärisch, lyrisch, dramatisch, dionysisch und dämonisch, verkörpern.

Information:
Das Richard-Wagner-Museum im Lohengrin-Haus ist in der Richard-Wagner-Straße 6 in Graupa, auf halbem Weg zwischen Dresden-Pillnitz und Pirna zu finden. Der Kulturpfad rund um das Graupaer Jagdschloss befindet sich gleich gegenüber dem Museum. Der Weg zum Denkmal im Liebethaler Grund ist leider nur dürftig ausgeschildert. An der Museumskasse gibt man aber gerne Auskunft.

Bilder:
1. Im ersten Stock oben rechts wohnten Minna und Richard Wagner im Sommer 1846 knapp neun Monate lang.
2. In diesen Räumen entstand binnen kürzester Zeit die Skizze zu allen drei Lohengrin-Akten.
3. Bereits 1894 wurde diese Gedenktafel an der Stirnseite des Lohengrin-Hauses in Graupa angebracht.
4. Hier hält Richard Wagner als Gralsritter Wacht: Das Denkmal im Liebethaler Grund ist das größte Wagner-Denkmal der Welt.

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24.07.2010

„Mein lieber Schwan“:

Bayreuther Festspiele erwarten spektakuläre Neuinszenierung des „Lohengrin“ Vom 25. Juli bis zum 28. August wird der Grüne Hügel zum Nabel der Opernwelt

Bayreuth – Einen Schwan wird es nicht geben. So viel hat Andris Nelsons schon im Vorfeld der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele in einem Interview verraten. Der lettische Dirigent wird heuer die mit Spannung erwartete Neuinszenierung des „Lohengrin“ leiten. Dabei steht nicht nur der erst 31-jährige Nelsons als Bayreuth-Debütant im Focus der Öffentlichkeit, sondern auch der berühmt-berüchtigte Regisseur Hans Neuenfels, der schon oft für einen Skandal gut war. Festspielleiterin Katharina Wagner hatte bereits zum Ende der Festspiele 2009 eine „absolut spannende und auch kontroverse Inszenierung“, die für „extrem viel Zündstoff“ sorgen werde, versprochen. „Ich freue mich, dass mit Hans Neuenfels eine Ikone des Regietheaters hier sein wird“, sagte Katharina Wagner, auch wenn sie Neuenfels nicht unbedingt in diese Schublade stecken möchte. Mit Startenor Jonas Kaufmann in der Titelpartie und der Sopranistin Annette Dasch als Elsa listet die Besetzung diesmal zwei überaus prominente Bayreuth-Debütanten auf.

Ansonsten könnte man meinen, herrscht auf dem Grünen Hügel in Bayreuth „business a usual“. Auch nach dem Tod Wolfgang Wagners im März haben die beiden Festspielleiterinnen Eva Wagner-Paquier und Katharina Wagner die Zügel fest in der Hand. Neben dem „Lohengrin“ in der Regie von Hans Neuenfels stehen „Der Ring des Nibelungen in der Inszenierung des Dramatikers Tankred Dorst und unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann, der viel umjubelte „Parsifal“ des Regisseurs Stefan Herheim unter der Stabführung des Italieners Daniele Gatti sowie Katharina Wagners „Meistersinger“-Inszenierung unter der musikalischen Leitung von Sebastian Weigle auf dem Spielplan.

Wer das Glück hatte, über das offizielle Kartenbüro der Festspiele Tickets für eine der Aufführungen zu ergattern, kommt vergleichsweise günstig weg. Die teuerste Karte kostet in diesem Jahr trotz deutlicher Preiserhöhungen 280 Euro, die günstigste Karte gibt es für 15 Euro, Hörplätze hinter einer der Säulen im Innern des Festspielhauses gibt es bereits für acht Euro. Allerdings übersteigt die Zahl der Kartenwünsche wie seit Jahrzehnten die Zahl der verfügbaren Tickets um ein Vielfaches. So standen im vergangenen Jahr rund 438000 Kartenwünschen cirka 54000 verfügbare Tickets gegenüber. Ein Missverhältnis, das gerade „schwarze Schafe“ ausnützen. So sollen im vergangenen Jahr einzelne Karten für bis zu 9000 Euro via Internet angeboten worden sein. Derartige Auswüchse werden von der Festspielleitung zwar seit Jahrzehnten massiv bekämpft, doch trotz aufgedruckten Namens und stichprobenartiger Kontrollen konnte bislang kein wirkliches Mittel gegen derartigen Wucher gefunden werden.

Für all diejenigen, die keine Karten bekommen haben, aber Wagner dennoch genießen möchten bietet sich das „Publik Viewing“ am 21. August an. So soll es auch in diesem Jahr eine „Siemens Festspielnacht“ auf dem Bayreuther Volksfestplatz geben, bei der die „Walküre“ live auf eine gigantische Großbildleinwand übertragen wird. Eine ausgeklügelte Technik wird wieder für ein gigantisches Sounderlebnis sorgen, ein eigens aufgeschütteter Sandstrand für ein extravagantes Opernfeeling.

Das überregional beachtete Massenereignis hat im vergangenen Jahr weit über 20000 Besucher auf den ansonsten recht tristen Volksfestplatz an der Friedrich-Ebert-Straße gelockt. Teilweise musste der Platz sogar gesperrt werden. Je nach Witterung werden in diesem Jahr ähnliche Zahlen erwartet. Wie 2009 sollen auch diesmal acht Kameras im Festspielhaus installiert werden. Vor Ort wird eine 90 Quadratmeter große, tageslichttaugliche Leinwand mit perfekter, hoch auflösender Bild- und dreidimensionaler Tonqualität über 20 Kanäle aufgebaut. Um eine maximale Ausfallsicherheit während der Live-Übertragung gewähren zu können, wird zusätzliche über eine Internet-basierte Back-up-Strecke übertragen. Selbst ein Unwetter könnte der Übertragung also nichts anhaben.

So könne sich jeder am besten auf unkomplizierte Art und Weise der schweren Kost Richard Wagners nähern, sagte Festspielleiterin Katharina Wagner. Oper sei nichts elitäres, zumindest nicht elitärer als Fußball, die einen mögen es eben, die anderen nicht, so die Urenkelin des Komponisten.

Spektakulär verspricht auch wieder die Auffahrt zur Premiere am 25. Juli zu werden. Vor der „Lohengrin“-Aufführung werden traditionell die beiden Festspielleiterinnen zusammen mit Bayreuths Oberbürgermeister Michael Hohl und seiner Frau Hannelore die prominenten Besucher vor dem Königsbau begrüßen. Wer genau über den roten Teppich kommt, steht dabei immer erst wenige Tage vorher fest. Jede Menge Prominenz aus Politik, Gesellschaft und Showgeschäft gilt allerdings als sicher. Allerdings empfiehlt es sich allen Schaulustigen, schon einige Stunden zuvor an die Absperrgitter zu kommen, Kamerateams und Fotografen nehmen an diesem Tag den Hügel bereits am frühen Morgen in Beschlag.

Bereits zur Mittagszeit gibt es nach der erfolgreichen Premiere im zurückliegenden Jahr auch heuer wieder eine Kinderoper in einer der benachbarten Probehallen. Hunderte Schülerinnen und Schüler zeigten sich 2009 nach der eigens für sie zugeschnittenen Version des Fliegenden Holländer absolut begeistert. Zumindest die Tickets für die Kinderoper sind genauso begehrt, wie die Eintrittskarten für die „echten“ Aufführungen. Binnen weniger Minuten war der Internetserver, über den der Vorverkauf heuer gesteuert wurde, zusammengebrochen, binnen einer halben Stunde waren sämtliche Aufführungen der Kinderoper ausverkauft.

In diesem Jahr zeigen die Festspiele einen eigens für Kinder erstellten "Tannhäuser“. Die Textfassung von Reyna Bruns basierend auf einer musikalischen Strichfassung von Alexander Busche wird am 25. Juli 2010 um 12.30 Uhr auf der Probebühne IV Premiere feiern. Die musikalische Leitung des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt/Oder liegt auch in diesem Jahr in den Händen von Christoph Ulrich Meier. Regie führt die Autorin, für das Bühnenbild zeichnet Lea Walloschke verantwortlich, die Kostüme entstanden innerhalb eines Kostümwettbewerb, der in Kooperation mit der Fair Play Stiftung an sechs Schulen deutschlandweit ausgerichtet wurde.

Die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele 2010 beginnen wie in jedem Jahr am 25. Juli und enden am 28. August.

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26.06.2010

Rettung der Republik durch Musik und Oper
Festival Junger Künstler bringt erstmals Wagners Prosaentwurf für das Lustspiel „Eine Kapitulation“ auf die Bühne

Mit einer spektakulären Erstaufführung will das Festival Junger Künstler in diesem Sommer in Bayreuth selbst eingeschworene Wagner-Kenner überraschen. Der deutsch-griechische Regisseur Georgios Kapoglou (Bild) wird Richard Wagners unbekanntes Lustspiel „Eine Revolution“ bearbeiten und in seiner eigenen Version erstmals auf die Bühne bringen. Bei dem Lustspiel, das in Wagners frühen Aufzeichnungen „Das braune Buch“ erstmals veröffentlicht wurde und im Wagner Werksverzeichnis (WWV) die Nummer 102 trägt, handelt es sich um einen Prosaentwurf, den der Komponist 1870 verfasst hatte. Die Musik dazu stammte ursprünglich nicht von Wagner selbst, sondern angeblich von dem Dirigenten Hans Richter. Die Komposition gilt allerdings als verschollen. Der Komponist Paul Leonard Schäffer von der Huchschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, hatte deshalb eine eigene Komposition für neun Instrumentalsolisten geschaffen, die der Italiener Fausto Nardi dirigieren wird.

In dem Stück thematisiert Wagner die Rettung der Republik durch Oper und Musik. Im Mittelpunkt der an die Werke Jacques Offenbachs angelehnten Handlung steht dabei das Paris des Jahres 1870, das am Boden liegt, während die kurz vor der Kapitulation stehende Regierung untätig zusieht. Regisseur Kapoglou kündigte bereits im Vorfeld gewisse Parallelen zwischen Paris 1870 und Berlin 2010 an, die gezielt von Wagner angesetzte Franzosenhäme soll dagegen weitgehend nivelliert werden. „Wir machen eine moderne Offenbachiade daraus, eine parabolischen Spaß auf die Zustände heute.“, so der Regisseur, der nicht ausschließen wollte, dass alles in einem frohen Treiben mit der Kurzlebigkeit eines Fußballsieges endet: „Katerstimmung garantiert.“

Kapoglour sieht einen Schwerpunkt in seiner Beschäftigung mit den Frühwerken Richard Wagners. Bereits 2003 hatte er „Die rote Brieftasche“, eine theatralische Collage von Wagners früher Biographie, und 2005 „Das Liebesverbot“ beim Festival Junger Künstler auf die Bühne gebracht. Mehrere Regiearbeiten im Bereich des Sprechtheaters führten ihn bereits an die Studiobühne Bayreuth, wo Kapoglou unter anderem 2003 „Endstation Sehnsucht“ und 2008 „Das Leben des Galilei“ inszenierte.

Neben den neun Musikern im Orchestergraben werden 18 Sänger und rund 50 Statisten die Bühne und auch den Zuschauerraum bevölkern, wie Bühnenbildnerin Michaela Muchina erläuterte. Die Statisten wurden dazu eigens in mehreren Castings ausgewählt. Premiere für „Die Kapitulation“ ist am 24. August um 20 Uhr im Europasaal des Zentrums in Bayreuth.

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08.01.2010

Ein Österreicher in der DDR / Zum Tod des Dirigenten Otmar Suitner

Ein Dirigent mit zwei Familien in zwei verschiedenen deutschen Staaten: Mit dem Tod von Otmar Suitner zu Jahresbeginn ist nicht nur eine überaus bemerkenswerte Karriere, sondern auch ein ungewöhnlicher Lebensweg zu Ende gegangen. Bayreuth und das Engagement der Dirigenten in den Jahren 1964 bis 1967 bei den Festspielen gilt dabei als Dreh- und Wendepunkt in der Vita von Otmar Suitner, der den aus heutiger Sicht völlig unverständlichen Weg vom Westen in den Osten gegangen war, um dort zu leben und zu musizieren.

Nach Stationen in seiner Geburtsstadt Innsbruck, einem Engagement im nordrhein-westfälischen Remscheid und als Generalmusikdirektor der Staatsphilharmonie in Ludwigshafen hatte sich Otmar Suitner 1960, ein Jahr vor dem Bau der Berliner Mauer entschieden, die Leitung der Staatskapelle Dresden zu übernehmen. Vier Jahre später wurde er Generalmusikdirektor der Deutschen Staatsoper im damaligen Ost-Berlin, eine Funktion, die er mit einer kurzen Unterbrechung bis 1991 inne hielt. Mit der offiziellen Kulturpolitik der DDR soll er dabei immer wieder übers Kreuz geraten sein, schon deshalb, weil er als Verfechter der Moderne sowie als Anhänger der so genannten „zweiten Wiener Schule“ um Alban Berg und Arnold Schönberg galt, Komponisten, die in der DDR lange als bürgerlich dekadent aufgefasst wurden.

Allerdings war es auch Otmar Suitner, der die Staatsoper trotz Mauerbaus zu einer international anerkannten Musikbühne führte und mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet wurde. Im damaligen Westdeutschland nahm man Suitner seinen Lebensmittelpunkt DDR übel. Gastspiele führten ihn in die ganze Welt, das NHK-Symphonieorchester in Tokio ernannte ihn gar zu seinem Ehrendirigenten, nur in Westdeutschland trat er kaum auf.

Mit einer Ausnahme: Bayreuth. 1964 übernahm er die Leitung von Wieland Wagners Tannhäuser-Inszenierung, 1965 dirigierte er den Fliegenden Holländer, 1966 den Ring des Nibelungen und 1967 sprang er für den erkrankten Karl Böhm noch einmal im Ring ein. Wagner war sicherlich einer der Schwerpunkte des Dirigenten, dessen Diskographie eine Gesamtaufnahme der Beethoven-Symphonien, fast sämtliche Bruckner-Symphonien, aber auch Joseph Lanners Hofballtänze, immer wieder Johann Strauss und sogar Paul Dessaus Opern „Puntila“, „Einstein“ und „Leonce und Lena“ verzeichnet. Diese drei Dessau-Opern hatte Otmar Suitner in Ost-Berlin zwischen 1966 und 1979 auch zur Uraufführung gebracht.

Bayreuth spielt im Leben von Otmar Suitner aber auch aus einem ganz anderen Grund noch eine wichtige Rolle. Hier lernte der damals 42.Jährige die junge Studentin Renate Heitzmann kennen. Obwohl er mit seiner Frau Marita damals in Ost-Berlin lebte, entwickelte sich mit der Studentin eine intensive Beziehung aus der 1971 der gemeinsame Sohn Igor hervorging. Unter der Woche war Suitner fortan in Ost-Berlin, am Wochenende besuchte er seine Geliebte und den gemeinsamen Sohn im Westen der Stadt. Als Inhaber eines österreichischen Passes war es für Otmar Suitner kein Problem sich frei zwischen den beiden deutschen Staaten zu bewegen.

Nachgezeichnet hatte dies alles im Jahr 2007 Sohn Igor Heitzmann in einem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm mit dem Titel „Nach der Musik“. Beide Frauen kommen darin zur Sprache, denn nach dem Fall der Mauer hatten sich beide immer wieder getroffen. „Frühe Stürme haben sich gelegt“, heißt es in dem Streifen des Sohnes, und weiter: „Die einmal getrennten Leben fließen zusammen. Alle wissen, viel gemeinsame Zeit bleibt nicht mehr.“

Auch politisch wurde Otmar Suitner nach dem Fall der Mauer nie ganz rehabilitiert, obwohl sich sogar der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl für den Dirigenten, den er noch aus seiner Ludwigshafener Zeit kannte, stark gemacht hatte. In den letzten Jahren wurde es ruhig um Otmar Suitner, der Anfang der 90er Jahre an Parkinson erkrankte. Was bleibt sind Erinnerungen und beinahe unzählige Aufnahmen, die ihm seinen Platz in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts sichern. Suitner, so schrieb es Thomas Brezinka bereits 1997 in „Das Orchester“, „repräsentiert den Typus des soliden deutschen, spätromantischen Kapellmeisters“. Der Mann, der den Balanceakt zwischen zwei Familien und zwei deutschen Staaten gemeistert hatte und dabei noch eine musikalische Weltkarriere machte, starb am 8. Januar 2010 in Berlin.

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07.09.2009

Mäzenaten und Miteigentümer
Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth feiert ihr 60-jähriges Bestehen 

Bayreuth. Ihren 60. Gründungstag feiert die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth am 22. September. Die ehemalige Mäzenatenvereinigung habe in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten eine beachtliche Entwicklung vom reinen „Freundeskreis“ zum jetzigen Mitgesellschafter der Bayreuther Festspiele GmbH genommen, sagt Peter Gloystein, der in der Nachfolge des ehemaligen Hofer Bankiers Karl Gerhard Schmidt seit Mai als Vorsitzender an der Spitze des weltweit rund 5000 Mitglieder umfassenden Zusammenschlusses steht. Nach den Worten des früheren zweiten Bremer Bürgermeisters und Wirtschaftssenators hat die Gesellschaft in den zurückliegenden knapp 60 Jahren knapp 40 Millionen Euro für Bauten und Technik auf dem Grünen Hügel bereitgestellt. Dazu kommen weitere rund 21 Millionen Euro für den künstlerischen Spielbetrieb.

1949, und damit noch zwei Jahre vor den ersten Festspielen nach dem zweiten Weltkrieg, hatte sich ein Kreis privater Wirtschaftsunternehmen um die Wagner Enkel Wolfgang und Wieland geschart, um die Festspielidee am Leben und halten und die Durchführung ideell und finanziell zu unterstützen. Den ersten Meilenstein in der Geschichte der Gesellschaft datierten die Verantwortlichen auf das Jahr 1973. Mit der damaligen Gründung der Richard-Wagner-Stiftung wurde der Zusammenschluss Mitglied des Stiftungsrates mit zwei von insgesamt 24 Stimmen.

Zweiter großer Einschnitt für die Freunde Bayreuths war der Schritt zum Mitgesellschafter der Festspiele GmbH, die nach dem Rücktritt von Wolfgang Wagner am 1. September 2008 gegründet wurde. Die Freunde halten darin 25 Prozent, die restlichen 75 Prozent entfallen zu jeweils gleichen Teilen auf die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Bayern und die Stadt Bayreuth. „Damit sind die Freunde eine der wenigen Mäzenatengesellschaften Deutschlands, die zugleich auch Miteigentümer der von ihr geförderten Einrichtung sind“, erläutert Vorsitzender Gloystein die ungewöhnliche Konstellation.

Neu ist auch die Gründung einer „Servicegesellschaft der Freunde von Bayreuth“ als rein wirtschaftlicher Zweckbetrieb. Ziel dieser Auslagerung ist es, führende Wirtschaftsunternehmen für ein finanzielles Engagement in Bayreuth zu begeistern. Angesichts der immer weiter aufklaffenden Schere zwischen staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten und steigenden Ausgaben nicht zuletzt durch die Tariferhöhungen des laufenden Jahres hätten sich die Realitäten im Kulturbetrieb gewaltig verändert, sagt Gloystein.

Während die Mittel der Gesellschaft in den Jahren nach der Gründung zunächst in die szenische Realisierung der Werke Richard Wagner geflossen waren, wurde der Mäzenatenverband im Lauf der Zeit zu einer festen Größe im Haushaltsplan der Festspiele. Seit Jahrzehnten sei es eine vorrangige Aufgabe gewesen, den historischen Baubestand des Bayreuther Festspielhauses und der angeschlossenen Gebäude zu sichern zu renovieren und zu erweitern, so Gloystein. Unter anderem wurden mit Mitteln des Zusammenschlusses der neue Chorsaal, eine neue Schlosserei, eine neue Unterbühnenmaschinerie, zusätzliche Probebühnen, die Sanierung von Dächern und eine neue Bestuhlung des Zuschauerraums finanziert. Dazu kommen Gelder für Gagen, Bühnenbilder und Kostüme. Die neueste Investition waren rund 200000 Euro für eine flexible Beleuchtungsanlage, mit der die heuer erstmals aufgeführte Kinderoper überhaupt möglich gemacht werden konnte.

Neben Gloystein gehören dem Vorstand der Freunde der frühere Opernsänger und jetzige Leiter des bundesweit agierenden Dienstleistungsunternehmen Vogt-Gruppe Ulrich Andreas Vogt als stellvertretender Vorsitzender, der frühere bayerische Finanzminister Georg von Waldenfels als Schatzmeister und der frühere Aufsichtsratsvorsitzende des Energiedienstleisters Techem Hans-Ludwig Grüschow als Beisitzer an.

Bild: Steht seit Mai 2009 an der Spitze der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth: der frühere zweite Bremer Bürgermeister und Wirtschaftssenator Peter Gloystein.

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25.08.2009

Ring-Regisseur 2013 bleibt weiter Geheimnis des Hügels / Katharina Wagner zog positive Bilanz über ihre erste Festspielsaison in Bayreuth – Neuer Lohengrin 2013 soll für „extrem viel Zündstoff“ sorgen

Bayreuth. Kurz vor Abschluss der Festspielsaison in Bayreuth hat die neue Leiterin Katharina Wagner, die zusammen mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier seit September 2008 an der Spitze der Festspiele steht, eine positive Bilanz über die erste Spielzeit gezogen. Alles sei erfreulich positiv verlaufen, die Festspiele seien von nennenswerten Ausfällen verschont geblieben und Neuerungen wie die erstmalige Aufführung einer Kinderoper seien gut angenommen worden. Für die Zukunft kündigte Katharina Wagner eine langfristige Zusammenarbeit mit dem britischen Label Opus Arte an. Außerdem soll das Brandenburgische Staatsorchester aus Frankfurt/Oder künftig fest für die Kinderoper engagiert werden. Den Namen des mit Spannung erwarteten Ring-Regisseurs für das Jahr 2013 wollte Katharina Wagner dagegen noch nicht nennen.

Urlaubsbedingt würden sich die Verhandlungen mit der entsprechenden Person als schwierig gestalten, sagte die Festspielleiterin. Noch seien die Verträge nicht unterzeichnet, deshalb wäre es unseriös, schon jetzt den Namen des Regisseurs zu nennen, der im Richard-Wagner-Jahr 2013 zum 200. Geburtstag des Komponisten den „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth auf die Bühne bringen wird.

Fest steht dagegen, dass der Regisseur Hans Neuenfels im kommenden Jahr den Lohengrin inszeniert. Katharina Wagner versprach eine „absolut spannende und auch kontroverse Inszenierung“, die für „extrem viel Zündstoff“ sorgen werde. „Ich freue mich, dass mit Hans Neuenfels eine Ikone des Regietheaters hier sein wird“, sagte Katharina Wagner, auch wenn sie Neuenfels nicht unbedingt in diese Schublade stecken möchte.

Ein Novum für Bayreuth ist auch die Zusammenarbeit mit dem britischen Label Opus Arte, einem hundertprozentigen Tochterunternehmens des Royal Opera House in London. Zusammen mit Opus Arte soll künftig pro Jahr eine Produktion aus Bayreuth auf CD, DVD, Blue Ray Disc sowie als Download im Internet angeboten werden. Noch für November 2009 ist eine CD-Veröffentlichung des kompletten „Rings“ unter dem Dirigat von Christian Thielemann geplant. Auch von der Verwertung per TV-Übertragung und der weltweiten Aufführung der Bayreuther Produktionen in ausgewählten Kinos sprach Opus-Arte-Geschäftsführer Roland Ott.

Als erste DVD-, beziehungsweise Blue-Ray-Disc und Internetproduktion soll die Oper „Tristan und Isolde“ in der Inszenierung Christoph Marthalers herausgebracht werden. Auch eine Neuauflage der „Meistersinger von Nürnberg“ in der Inszenierung Katharina Wagner für den internationalen Markt ist geplant. Katharina Wagner versprach noch mehr Schnittbilder und Nahaufnahmen sowie insbesondere auf Blue-Ray-Disk eine deutlich bessere Bild- und Tonqualität. „Die DVD-Veröffentlichung wird noch mal ein Ereignis werden“, war sich die Festspielchefin sicher, zumal Opus Arte mit dem Glynebourne-Festival, der Scala in Mailand oder dem Opernhaus Zürich die weltweit renommiertesten Festivals unter Vertrag hat.

Einen neuen Vertrag gibt es auch mit dem Brandenburgischen Staatsorchester, das für die Kinderaufführungen der Bayreuther Festspiele künftig fest engagiert ist. Für das kommende Jahr kündigte Katharina Wagner eine Adaption des „Tannhäuser“ an, Dirigent soll wie heuer auch Christoph Ulrich Meier sein. Für die Gestaltung der Kostüme könnten sich dabei auch heuer wieder Schulen auf der Website der Festspiele bewerben.

Noch sei allerdings nicht sicher, wo die Kinderoper im kommenden Jahr aufgeführt wird. Katharina Wagner hofft auf eine neu zu errichtende Probebühne, die bis zum kommenden Sommer entstehen soll und die vier bis fünf Millionen Euro kosten wird. Die Finanzierung sei bereits geklärt, wobei die Mäzenatenvereinigung der Gesellschaft der Freunde Bayreuths den weitaus größten Teil übernehmen wird. „Wir brauchen diese neue Probebühne dringend“, sagte Katharina Wagner, allerdings nicht nur wegen der Kinderoper, sondern auch wegen der immer komplexer werdenden Probesituation.

Am Rande der Pressekonferenz in Bayreuth kündigte Katharina Wagner auch eine leichte Erhöhung der Eintrittspreise an. Grund dafür seien allgemeine Kostensteigerungen und die Tariferhöhungen. Dennoch soll die teuerste Karte auch künftig bei unter 300 Euro liegen. Katharina Wagner äußerste dabei auf der einen Seite Verständnis für die gewerkschaftlich durchgesetzten Tariferhöhungen („Wir können die Leute nicht permanent mit Nullrunden abspeisen“). Auf der anderen Seite sollen aber auch die Tickets für die beiden geschlossenen Gewerkschaftsaufführungen nicht mehr zu verbilligten Preisen über den Tresen gehen.

Bild oben: Die neue Bayreuther Festspielleiterin Katharina Wagner freute sich über ihre künftigen Partner Roland Ott (links) vom britischen Label Opus Arte sowie Peter Sauerbaum, dem Intendanten des Brandenburgischen Staatsorchesters aus Frankfurt/Oder.

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13.08.2010

Brünnhilde und Sieglinde privat: / Wagnerianer treffen die Stars vom Hügel

Bayreuth. Die Stars vom Hügel privat erleben: Diese interessante Begegnung macht in diesem Jahr wieder die Markgrafenbuchhandlung in Bayreuth möglich. Fast täglich sind meist um die Mittagszeit Sänger, Dirigenten und Regisseure am Sternplatz zu Gast, um sich den Fragen ihrer Fans zu stellen, Autogramme zu geben und sich im privaten Ambiente fotografieren zu lassen.

Festspielbesucher und Autogrammsammler nehmen diese Gelegenheit gerne wahr, weiß Buchhändler Rolf J. Geilenkirchen, der auch den offiziellen Festspielkiosk auf dem Grünen Hügel betreibt. Egal ob „Parsifal“-Regisseur Stefan Herheim, „Tristan“ Robert Dean Smith, „Brünnhilde“ Linda Watson oder der weltberühmte Dirigent Christian Thielemann: In der Markgrafenbuchhandlung geben sich die Stars vom Hügel die Klinke in die Hand und erfüllen geduldig die Wünsche ihrer Fans.

Buchhändler Geilenkirchen lädt seit Jahren mit großem Erfolg, die Akteure vom Grünen Hügel zu Signierstunden in seinen Buchladen ein und die Festspielbesucher danken es ihm mit regen Interesse. „In der Regel stellen sich die Künstler gerne ihren Fans“, sagt Geilenkirchen. Allerdings offenbart auch hier manch großer Musiker Eigenheiten, wie etwa „Ring“-Dirigent Thielemann, der allergisch auf das Klicken von Fotoapparaten zu reagieren scheint. Seinen Schriftzug setzt aber auch Thielemann gerne in Programmhefte, auf CD-Cover oder Poesiealben. Weitere Signierstunden finden heuer auch wieder in der Buchhandlung Thalia am Marktplatz statt.

Bild: Programmbücher, CDs oder Poesiealben: Stardirigent Christian Thielemann unterschreibt alles, was ihm seine Fans unter die Nase halten.

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09.08.2009

Festspielerlebnis für jedermann - „Tristan“ live vom Grünen Hügel / 2. Siemens-Festspielnacht lockte viele tausend Besucher auf den Bayreuther Volksfestplatz

Bayreuth – „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner, noch dazu in der Inszenierung von Christoph Marthaler: wahrlich keine leichte Kost für ein sommerlich heiter gestimmtes Publikum, das den Eventcharakter sucht. Trotzdem: Am Sonntag kamen wieder rund 20000 Besucher auf den Volksfestplatz, mehr als zu jedem Heimspiel der traditionsreichen Spielvereinigung Bayreuth im benachbarten Hans-Walter-Wild-Stadion, um die Live-Übertragung vom Grünen Hügel bei bestem hochsommerlichem Wetter mitzuerleben.

Mit dem Ziel, Kulturbarrieren abzubauen und das Festspielerlebnis für jedermann möglich zu machen, wurde die nach dem Hauptsponsor benannte Siemens Festspielnacht 2008 erstmals als so genanntes Public Viewing realisiert und galt auf Anhieb als überregional beachtetes Massenereignis. Gleich acht Kameras wurden eigens für die Übertragung im Festspielhaus installiert. Auch vor Ort sparten die Verantwortlichen nicht an Technik: Eine 90 Quadratmeter große, einigermaßen tageslichttaugliche Leinwand mit perfekter, hoch auflösender Bild- und dreidimensionaler Tonqualität über 20 Kanäle wurde aufgebaut. Um eine maximale Ausfallsicherheit während der Live-Übertragung gewähren zu können, wurde zusätzliche über eine Internet-basierte Back-up-Strecke übertragen. Selbst ein Unwetter hätte der Übertragung also nichts anhaben können.

So könne man sich am besten auf unkomplizierte Art und Weise der schweren Kost Richard Wagners nähern, sagt Festspielleiterin Katharina Wagner auf dem Volksfestplatz kurz vor Beginn der Aufführung. Oper sei nichts elitäres, diktiert sie dutzenden von Journalisten, Hörfunk- und Fernsehreportern in Blocks und Mikrofone. Zumindest sei Oper nicht elitärer als Fußball, die einen mögen es eben, die anderen nicht, sagt die Urenkelin des Komponisten. In einem Nebensatz kündigt Katharina Wagner auch noch eine überaus bemerkenswerte Neuerung an: So soll es in Zukunft auch Direktübertragungen der Bayreuther Festspiele im Fernsehen geben.

Elitär ging es vor Ort tatsächlich nicht zu. In den hinteren Reihen wurde auch während der einzelnen Aufzüge munter geplaudert, während weiter vorne höchste Konzentration herrschte. Hinten waren viele sicher auch wegen der „Fressmeile“ gekommen, die, egal ob griechisch, italienisch oder bodenständig, keine Wünsche offen ließ. Vorne konnten die Opernkenner sogar ihre gelben Reclam-Heftchen stecken lassen, denn im Gegensatz zum Vorjahr wurde der komplette Text eingeblendet. Während auf den weiß gedeckten Biergarnituren zumindest während des ersten Aufzugs jederzeit noch Einzelplätze zu bekommen waren, war der Sandstrand im linken Bereich des Platzes schnell besetzt. Die meisten Besucher hatten sich allerdings mit Klappstühlen, Decken, Liegen und Kühltaschen ausgerüstet, gerade so als ob ein Gang ins Freibad anstünde.

Die Siemens Festspielnacht soll jedenfalls auch in den kommenden Jahren eine feste Einrichtung bleiben, verspricht Stephan Heimbach, Kommunikationschef der Siemens AG und Vorstandsvorsitzender der Siemens Stiftung. Die Zahl der Computernutzer, die sich die Aufführung für 14,90 Euro bequem zuhause am PC ansehen, bezifferte Heimbach auf mehrere tausend in über 40 Ländern der Erde, sogar aus Australien seien Anmeldungen zu verzeichnen gewesen.

Zu später Stunde konnten die Besucher des zweiten Public Viewings in Bayreuth dann auch noch auf Tuchfühlung mit den Protagonisten gehen. Unmittelbar nach dem Schlussapplaus auf dem Grünen Hügel erschien das komplette Ensemble unter anderem mit Dirigent Peter Schneider, Tristan Robert Dean Smith und Isolde Irene Theorin auf dem Volksfestplatz, um auch dort den Dank der vielen tausend Besucher entgegenzunehmen.

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04.08.2009

Festspielhaus im Vorgarten
„Wagnerle-Theater“ als eigenwillige Kunstaktion am Fuß des Grünen Hügels

Bayreuth. Vorhang auf für die 5. Spielzeit des „Wagnerle-Theaters“: Unter dem Motto „Parsifal oder Yes we can“ ist auch heuer wieder im Vorgarten der schmucken Villa Bürgerreuther Straße 29 am Fuße des Grünen Hügels eine liebevolle Installation zu sehen, die sich unter Insidern bereits zum Geheimtipp entwickelt hat. Initiatoren der Aktion sind der freischaffende Künstler Volker Wunderlich sowie Dietmar Rieß und Manuel Jenne von der Bayreuther Marketingagentur mit dem sinnigen Namen „die Agentur“.

Augenzwinkernd wird dem Besucher im Zwei-Minuten-Takt eine Szene aus dem 1. Aufzug des Bühnenweihfestspiels „Parsifal“ in einer eigenwilligen Interpretation gezeigt. Vor klassischer Kulisse und einem Schriftzug mit dem Obama-Zitat „Yes we can“ jagt ein bärtiger Parsifal stilecht mit Pfeil und Bogen, nein nicht den Schwan, sondern ein flügellahmes Badeentchen. Basis der interaktiven Installation ist ein Bildnis der Wagnerschwestern Eva und Katharina. In einem Seitenhieb gehen die Initiatoren auch auf  den Beinahe-Streik ein.

Die aufwändigen Bauten um die Bühne herum und die Figuren stammen von dem freischaffenden Künstler und Kirchenmalermeister Volker Wunderlich aus Goldkronach, die elektronische Steuerung und die Beleuchtung von Thomas Neumann.

Auf keinen Fall sei das „Wagnerle-Theater“ despektierlich gemeint, vielmehr soll versucht werden, den Passanten auf dem Weg zum Festspielhaus einen komprimierten und innovativen Zugang zum Thema Wagner zu bieten, erläutert Rieß augenzwinkernd. „Wir haben bislang nur positive Reaktionen erhalten“, sagt Manuel Jenne, ebenfalls Geschäftsführer und Mitinitiator des überdimensionalen Kasperle-Theaters zum Thema Wagner. Auch als Fotomotiv finde die Aktion großen Anklang. Nachfragen von Mitgliedern des Festspielorchesters nach eigens gedruckten Postkarten zeigten, dass sich die kleine Kunstaktion am Fuß des Hügels mittlerweile herumgesprochen hat.

Das „Wagnerle-Theater“ ist mit Bewegungsmelder und Lichtschranken ausgestattet und startet immer dann seine Vorstellungen, wenn Fußgänger den Gehweg Richtung Hügel passieren. Das „Wagnerle-Theater“ steht noch bis zum 28. August im Vorgarten der Bürgerreuther Straße 29. Lediglich nachts wird die komplett ausgeleuchtete Szenerie zur Pantomime, denn die Verantwortlichen stellen, Wagner hin oder her, die Verwandlungsmusik aus dem 1. Aufzug des Parsifal Musik mit Rücksicht auf die Anwohner kurzerhand ab.

Bild: Volker Wunderlich, Thomas Neumann, Dietmar Rieß und Manuel Jenne (von links) haben sich diese liebevolle „Parsifal“-Installation ausgedacht, die am Fuße des Grünen Hügels zu bewundern ist.

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27.07.2009 (erschienen)

„Lebt wohl und vergesst mich nicht im Tode!“
Steingewordene Erinnerungen: Grabstätten, die mit Richard Wagner, seinem Umfeld und seinem Werk verbunden sind

Musik und Tod: Kaum eine Kunst ist unendlicher als die Musik und doch spielt die Endlichkeit des Daseins gerade in der Musik eine derart große Rolle. Nicht nur im Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart, in der „Auferstehungssymphonie“ Gustav Mahlers oder in der „Unvollendeten“ Franz Schuberts liegen unergründbare Geheimnisse. Mit Orpheus schickte die griechische Sagenwelt ausgerechnet einen Sänger in die Unterwelt und nicht etwa einen Schauspieler, Bildhauer oder einen Maler. Ausgerechnet die Musik versucht dem Tod zu trotzen.

Vom „Wunderreich der Nacht“ ist im „Tristan“ die Rede. Ein Gesicht bekommt dieses „Wunderreich“ auf einem Friedhof sicher nicht. Dennoch sind die Friedhöfe diesem Wunderreich gewidmet. Hier ist vom Herkommen und vom Dableiben die Rede, von der letzten Ruhestätte für die Toten und von einer Erinnerung für die Lebenden. Komponisten, Musiker, Sänger haben diese Form des Andenkens eigentlich gar nicht nötig, denn ihr Schaffen überlebt in der Regel die Zeit, auf Bühnen, in Partituren und Tonaufnahmen bleibt ihre Kunst unsterblich. Dennoch steckt in jedem Gräberfeld auch ein Stück Geschichte. Der musikalische Teil dieser Geschichte soll im Folgenden aufgespürt werden. Unser Rundgang beginnt bei der letzten Ruhestätte Richard Wagners, soll bei der Familie und dem Umfeld fortgesetzt werden, ehe die Suche nach den großen Interpreten, Dirigenten und Sängern, beginnt. Natürlich muss eine derartige Auflistung immer unvollständig sein, nicht zuletzt unterliegen auch Friedhöfe einem ständigen Wandel. Zum einen werden gerade „berühmte Tote“ nicht selten umgebettet, zum anderen werden aber auch deren Grabstätten manchmal aufgelassen. Auch Stein gewordene Erinnerung ist manchmal vergänglich.

Grabstätten außerhalb von Friedhöfen sind äußerst selten. Nur ganz außergewöhnlichen Persönlichkeiten wird und wurde diese Ehre zuteil. Richard Wagner hatte sich den Platz für seine letzte Ruhestätte im Garten seiner Künstlervilla Wahnfried zu Lebzeiten selbst ausgesucht und die Gruft ausheben lassen. Eine sicherlich ungewöhnliche Entscheidung, die nicht mehr so recht mit unserem Verständnis von Sterben und Tod einhergeht, das sich im Wesentlichen hinter Klinikmauern abspielt und eher von Verdrängung bestimmt ist. Nach seinem Tod am 13. Februar 1883 in Venedig wurde Wagner nach Bayreuth überführt, sein Leichnam wurde fünf Tage später beigesetzt. Erst 47 Jahre danach öffnete man die Grabstätte noch einmal, um Richard die Asche seiner am 1. April 1930 verstorbenen Witwe Cosima zur Seite zu legen. Eine Inschrift war bis heute nicht notwendig Kurios sind in diesem Zusammenhang zwei weitere Grabstätten im direkten Umfeld: Steintafeln künden von „Wagners Russ“ und seinem treuen „Wächter und Freund Marke“, ein Zeugnis von Wagners wohl recht exzentrischer Liebe zu seinen Hunden.

Die Familie Wagners hat auf dem Bayreuther Stadtfriedhof an der Erlanger Straße ihre letzte Ruhe gefunden. Eher unauffällig befindet sich dort gleich im Eingangsbereich das Familiengrab, in dem Richard Wagners Sohn Siegfried (1869 – 1930), Schwiegertochter Winifred (1897 – 1980), Enkel Wieland (1917 – 1966) und dessen erste Frau Gertrud (1916 – 1998) ihre letzte Ruhe gefunden haben. Zuletzt wurde Gudrun Wagner, zweite Ehefrau von Enkel Wolfgang Wagner, nach ihrem plötzlichen Tod am 28.November 2007 hier beigesetzt.

Grabstätten aus dem Umfeld Richard Wagners sind im alten Teil des Bayreuther Stadtfriedhofes viele zu finden. Auffälligste dabei ist das charakteristische Mausoleum von Richards Schwiegervater Franz Liszt (1811 – 1886). Der Komponist, Pianist, Dirigent und Weltbürger war am 31. Juli 1886 kurz vor Mitternacht in dem roten Backsteinbau Wahnfriedstraße 9/Ecke Lisztstraße (Gedenktafel) verstorben. Der damals 75-Jährige hatte einige Tage zuvor noch eine „Parsifal“- und eine „Tristan“-Aufführung besucht, darauf sein Bett im Haus der Oberförsterfamilie Fröhlich nicht mehr verlassen. Sowohl sein Geburtsland Ungarn (der Geburtsort Raiding gehört erst seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu Österreich), als auch sein langjähriger Lebensmittelpunkt Weimar sowie der Franziskanerorden in Rom hatten Ansprüche auf die sterblichen Überreste angemeldet. Nicht zuletzt aber weil Liszt selbst an dem Ort begraben werden wollte, an dem er verstirbt, setzte Tochter Cosima letztlich Bayreuth als letzte Ruhestätte durch. Nach einer schweren Kriegsbeschädigung wurde das Mausoleum erst 1982 wieder aufgebaut. Liszts Aufenthaltsräume im Erdgeschoss des Sterbehauses gestaltete die Stadt Bayreuth 1993 zu einem kleinen aber sehenswerten Museum um.

Weitere bemerkenswerte Gräber aus dem Wagner-Umfeld auf dem Stadtfriedhof sind die des ersten Bayreuther Ring-Dirigenten Hans Richter (1843 – 1916), des Dirigenten und zweiten Sohns Blandine von Bülows, Gilbert Graf Gravina (1890 – 1972), des Kapellmeisters und Festspielchordirektors Julius Kniese (1848 – 1905) sowie das schlichte Grab der Kammersängerin und lyrisch-dramatischen Wagner-Sopranistin Maria Müller(-Reichenauer). Die geschätzte Interpretin (1878 – 1958), deren historische Aufnahmen noch immer auf CD erhältlich sind hatte ihren letzten Wohnsitz in der Adolf-von-Groß-Straße 12, unterhalb des Festspielhauses. Der Straßennamen weist auf einen engen Vertrauten der Familie Wagner hin, der allerdings nicht auf dem Stadtfriedhof, sondern auf dem kleinen Friedhof St. Georgen im gleichnamigen Stadtteil seine letzte Ruhestätte fand. Adolf von Groß (1845 – 1931) war nicht nur als Verwaltungsrat der Festspiele tätig, sondern hatte auch Cosima Wagner in sämtlichen Rechts- und Finanzfragen beraten und nach Wagners Tod sogar die Vormundschaft über seine Kinder übernommen.

Zurück zum Stadtfriedhof: Hier sind in unmittelbarer Nähe des Wagner-Familiengrabes auch die letzten Ruhestätten von Karl und Henriette Klindworth, den Adoptiveltern von Richards Schwiegertocher Winifred zu finden. Karl Klindworth (1830 – 1916) hatte sich nicht nur als Klavierpädagoge, Dirigent und  Komponist (Schüler von Franz Liszt) einen Namen gemacht, er gilt auch als Gründer eines Berliner Konservatoriums. Der Mann, der maßgeblich am Zustandekommen der ersten Bayreuther Festspiele beteiligt war, der damalige Bürgermeister Theodor Muncker (1823 – 1900) fand hier ebenfalls seine letzte Ruhestätte. Außerdem finden sich im alten Teil des Stadtfriedhofes die Grabstätten des Musikforschers Otto Strobel (1895 – 1953), dem langjährigen Archivar des Hauses Wahnfried, und der Gründerin der ersten Richard-Wagner-Gedenkstätte Helena Wallem (1873 – 1953). Nur am Rande erwähnt sei der Rassentheoretiker Houston Stewart Chamberlain, Ehemann von Cosima zweiter vorehelicher Tochter Eva. Dieses Grab liegt in etwa zwischen der Grabkapelle Liszts und der letzten Ruhestätte Hans Richters.

Grabstätten aus dem engeren familiären Umfeld Richard Wagners gibt es auch außerhalb Bayreuths. Auf dem alten Leipziger Johannisfriedhof, der ältesten kommunalen Begräbnisstätte der Stadt, fanden etwa Wagners Mutter Johanna Rosina Wagner (1778 – 1848) und seine früh verstorbene Schwester Johanna Rosalie Marbach (1803 – 1837), Schauspielerin am Leipziger Hoftheater, ihre letzte Ruhestätte. Minna Planer (1809 - 1866), Richards erste Frau ist in Dresden, auf dem Alten Annenfriedhof an der Chemnitzer Straße begraben worden. Weitgehend unbekannt dürfte dagegen sein, dass Isolde Beidler (1863 – 1919), geborene von Bülow, auf dem neuen Ortsfriedhof von Söcking bei Starnberg ihre letzte Ruhestätte fand.

Die Zahl der mit Bayreuth verbundenen Wagner-Dirigenten ist groß, ihre letzten Ruhestätten sind auf der ganzen Welt verstreut. Eine der nie in Bayreuth am Pult stand, aber als Dirigent der Uraufführungen des „Tristan“ und der „Meistersinger“ sowie als erster Ehemann von Cosima Wagner dennoch eine enge Verbindung zu Wagner hat, ist Hans von Bülow ((1830 – 1894). Der auch als Komponist und Pianist in Erscheinung getretene Musiker verstarb während eines Aufenthalts in Kairo. Weil Hamburg sein letzter Wohnsitz war, wurde er auf dem dortigen Friedhof Ohlsdorf, neben Wien und Chicago einem der größten Friedhöfe der Welt, beerdigt. Zu seiner Trauerfeier in der Hauptkirche St. Michaelis („Michel“) war sogar Gustav Mahler gekommen. Inmitten der riesigen Rhododendronsträuche des völlig unübersichtlichen Friedhofs ist sein Grab schwer zu finden. Doch die Mühe einer ausgiebigen Suche lohnt. Vor dem Grab wurde 1978 eine steinerne Platte in den Boden eingelassen, auf der „Hans von Bülow zu Ehren“ die Namen zahlreicher Pultstars verewigt sind, sie sehen ihn zu Recht als ersten Dirigenten nach heutigem Verständnis. Verewigt haben sich unter anderem Daniel Barenboim, Leonard Bernstein, Karl Böhm, Pierre Boulez, Colin Davis, Christoph von Dohnany, Heinrich Hollreiser, Eugen Jochum, Herbert von Karajan, Rafael Kubelik, Ferdinand Leitner, Lorin Maazel, Igor Marchevitch, Georg Solti, Wolfgang Sawallisch, Horst Stein und Otmar Suitner.

Unauslöschlich mit Bayreuth verbunden bleiben die Namen der beiden großen Wagner-Dirigenten des 20. Jahrhunderts Wilhelm Furtwängler (1886 – 1954) und Arturo Toscanini (1867 – 1957). Der eine fand seine letzte Ruhestätte auf dem Bergfriedhof von Heidelberg, der andere auf dem Cimitero Monumentale in Mailand.

Zurück ins Inland: Ganz im Gegensatz zu seiner Größe birgt der kleine Friedhof Bogenhausen im gleichnamigen Münchner Stadtteil eine extrem hohe Promidichte. Neben Erich Kästner, Liesl Karlstadt, Rainer Werner Fassbinder sind nahe des Bogenhausener Kirchplatzes auch die Grabstätten der großen Dirigenten Hans Knappertsbusch (1988 – 1965) und Rudolf Kempe (1910 – 1976) zu finden. Während Knappertsbusch vor allem mit seiner Parsifal-Interpretation (1951 bis 1964 mit Unterbrechungen) in die Bayreuther Rezeptionsgeschichte eingehen sollte, war es bei Kempe dessen musikalische Ring-Deutung der Jahre 1960 bis 1963. Der Meistersinger-Dirigent des Jahres 1964 Robert Heger (1886 – 1978) wurde auf dem Münchner Nordfriedhof an der Ungerer Straße begraben, Generalmusikdirektor Felix Mottl (1856 – 1911), der schon an den ersten Festspielen 1876 beteiligt war, im alten Teil des Waldfriedhofes an der Fürstenrieder Straße. Auf dem idyllischen Waldfriedhof der Gemeinde Grünwald, südlich von München fand der langjährige Münchner Generalmusikdirektor Joseph Keilberth (1908 – 1969) seine letzte Ruhestätte.

Lediglich in den Jahren 1951 und 1952 wirkte Herbert von Karajan (1908 - 1989) in Bayreuth, wenn gleich er später bei den Salzburger Osterfestspielen oder auch an der Wiener Staatsoper mit seinen Wagner-Interpretationen für Furore sorgte. Karajan wurde ganz in der Nähe seines letzten Wohnhauses auf dem kleinen Gemeindefriedhof von Anif bei Salzburg beerdigt. Vielen Bayreuthers persönlich noch in Erinnerung sein, dürfte der italienische Dirigent Giuseppe Sinopoli (1946 - 2001), der in Berlin unter tragischen Umständen während einer Aida-Aufführung zusammengebrochen war. Sinnopoli ist in Rom begraben und fand seine letzte Ruhestätte auf dem dortigen Campo Verano. Im slowenischen Ort Konjsica, 60 Kilometer östlich von Ljubljana, wurde Carlos Kleiber (gest. 2004) beigesetzt. Kleiber hatte 1974 bis 1976 im Festspielhaus den Tristan dirigiert, die Ortschaft Komjsica war die Heimat von Kleibers Ehefrau Stanka Bresova. Auf dem berühmten Friedhof von Farkasret in Budapest, auf dem auch der Komponist Bela Bartok seine letzte Ruhestätte fand, wurde Georg Solti (gest. 2004) begraben. Solti war in seinem einzigen Bayreuth-Jahr 1983 mit dem „Ring“-Dirigat erfolglos geblieben, hatte sich als bedeutender Wagner-Dirigent aber schon Jahrzehnte zuvor weltweit einen Namen erworben.

Ein Jahr vor seinem Tod hatte Rudolf Schock (1915 – 1986) Bayreuth seinen letzten Besuch abgestattet. Er sang noch einmal mit dem Festspielchor, besuchte einige Aufführungen und fand sich sogar zu einer Autogrammstunde bereit. Der aus dem Ruhrgebiet stammende und auf der ganzen Welt gefeierte Schock wurde 1959 in Bayreuth als Stolzing gefeiert, nachdem er bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Krieg im Chor mitwirkte. Seine letzte Ruhestätte fand der auch als TV-Star und Schauspieler einem breiten Publikum bekannt gewordene Schock an seinem letzten Wohnort in Düren. Ebenfalls an seinem letzten Wohnort, im oberbayerischen Krailling im Landkreis Starnberg ist die Grabstätte von Hermann Prey (1929 – 1998), dem unvergessenen Lied-Interpreten und Bayreuther Beckmesser der achtziger Jahre zu finden.

In Katzwang bei Nürnberg wurde Bent Norup (1936 – 2007) nach seinem plötzlichen Tod beigesetzt. Der aus Dänemark stammende Heldenbariton hatte unter anderem in Kopenhagen die Partie des Holländers, in Braunschweig den Wotan gesungen und später auch den Sachs, den Klingsor und den Telramund in sein Repertoire aufgenommen, ehe er 1983 als Gunther in der „Götterdämmerung“ und als Wanderer im „Siegfried“ zu Gast auf dem Hügel war. Nie in Bayreuth gesungen, aber dennoch als Wagner-Interpret Weltgeltung erlangt hat Leo Slezak (1873 – 1946), dessen Grabstätte auf dem Egerner Friedhof in Rottach-Egern am Tegernsee zu finden ist. Kammersänger Paul Bender (1875 - 1947) fand seine letzte Ruhestätte im alten Teil des Münchner Waldfriedhofs an der Fürstenrieder Straße. Er feierte einst als Landgraf, Hunding, Hagen und Gurnemanz Triumphe und war ab 1902 auch in Bayreuth zu erleben. Tenor Hans Hopf (1916 - 1993), bei den Festspielen zwischen 1951 und 1966 unter anderem als Stolzing, Siegfried, Tannhäuser und Parsifal wurde in Windach im Landkreis Landsberg am Lech begraben.

Zu den bedeutendsten Wagner-Interpretinnen, auch in Bayreuth, gehört Anna Bahr-Mildenburg (1872 – 1947), Gattin des Dichters Hermann Bahr. Das Grab der beiden ist auf dem Salzburger Kommunalfriedhof an der Siebenheimer Straße zu finden. Bahr-Mildenburg hatte nicht nur zwischen 1912 und 1922 im Salzburger Schloss Arenberg gelebt, sie gilt auch als Mitbegründerin der Salzburger Festspiele. Ebenfalls in Salzburg, auf dem exklusiven St.-Peter-Friedhof in der Innenstadt wurde Richard Mayr (1877 - 1935) beigesetzt. Mit seiner Verkörperung des „Ochs“ im „Rosenkavalier“ schrieb Mayr Operngeschichte, ab 1902 war er auch in Bayreuth unter anderem als Hagen zu erleben.

Gleich mehrere bedeutende Wagner-Interpreten haben auf dem berühmt berüchtigten Wiener Zentralfriedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden. Wer diese Grabstätten besuchen möchte, sollte neben einem Friedhofsplan vor allem eines mitbringen: viel Zeit. Der Friedhof gehört ähnlich wie der Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg zu den größten dieser Erde und ist extrem weitläufig angelegt. Hier an der Simmeringer Hauptstraße sind unter anderem Bayreuths erste Brünnhilde und erste Kundry Amalia Friedrich-Materna (1847 - 1918), der Bariton Erich Kunz (1909 – 1995), der dramatischer Heldentenor Max Lorenz (1901 – 1975), die Sopranistin Leonie Rysanek (1926 – 1998), der Bassbariton Paul Schöffler (1897 – 1977) und der Bariton Eberhard Wächter (1929 - 1992) beerdigt.

Keine 100 Kilometer von Bayreuth entfernt liegt das ehemalige Residenzstädtchen Coburg. Obwohl sich der reizvolle Ort mit eigenem Landestheater, dem prächtigen Schloss Ehrenburg und der mächtigen Veste aus musikalischer Sicht heute eher als Johann-Strauss-Stadt vermarktet (der Wiener Walzerkönig hatte aus politischen und religiösen Gründen in Coburg seine dritte Ehefrau Adele geheiratet), war Coburg im zu Ende gehenden 19 Jahrhunderts Sitz der weltweit gefragten Bühnenbildner Max (1836 bis 1819) und Gotthold Brückner (1844 – 1892). Die Brüder arbeiteten nicht nur für die Theater in Meiningen oder Wien, sondern auch für New York und St. Petersburg. Auch die Bayreuther Erstaufführungen beinahe aller Werke Richard Wagners wurden vom ehemaligen „Atelier für künstlerische Bühnengestaltung“, das sich ab 1873 in der Rodacher Straße befand, ausgestattet. Geboren wurden die Gebrüder Brückner in der Ketschengasse 14, das Haus steht nicht mehr, doch erinnert eine Gedenktafel an die prominenten Künstler. Ihre letzte Ruhestätte fanden sie auf dem Coburger Zentralfriedhof am Glockenberg.

Mit der neueren Festspielgeschichte ist dagegen der Name August Everding (1928 – 1999) verbunden. Der Regisseur des Holländern von 1969 und des Tristans von 1974, spätere Bayerische Staatsintendant und Präsident des Deutschen Bühnenvereins hat seine letzte Ruhestätte in Truchtlaching, Gemeinde Seeon-Seebruck, nahe des Chiemsees gefunden. Ebenfalls in der jüngeren Festspielgeschichte hatte die „Tristan“-Inszenierung Heiner Müllers in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für Furore gesorgt. Der berühmte ostdeutsche Dramatiker ist auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beerdigt worden. Eng mit München verknüpft ist schließlich der Bühnenbildner und szenische Leiter der Bayreuther Festspiele ab 1932 Emil Preetorius (1883 – 1973), der wie viele andere Bühnengrößen auch auf dem Bogenhausener Friedhof beerdigt wurde.

Kaum mehr Grabstätten gibt es übrigens von Richard Wagner historisch-literarischen Vorbildern. Hans Sachs (1494 – 1576), der führende Vertreter der Nürnberger Meistersingerzunft, wirkte zwar nachweislich in der Nürnberger Marthakirche sowie in der Katharinenkirche, die nur noch als Ruine erhalten ist. Der Hans Sachs, der auf dem historischen Johannisfriedhof begraben liegt, hat sich neuesten Forschungsergebnissen zufolge als Zuckermacher und nicht als Schuhmacher erwiesen. Dennoch galt dieses Grab lange Zeit als die angebliche Familienruhestätte von Hans Sachs. Ebenfalls in Nürnberg soll sich die Grabstätte von Heinrich von Ofterdingen, dem Minnesänger Tannhäuser befinden. Ob er allerdings wirklich in der Kirche St. Jakob (Jakobuskirche) begraben liegt, wird nach mehr als 700 Jahren vermutlich nicht mehr geklärt werden können

Als sicher gilt dagegen die Grabstätte Wolfram von Eschenbachs im mittelfränkischen Wolframs-Eschenbach. In der dortigen Kirche gibt es eine Gedenktafel, der zufolge Wolfram von Eschenbach hier begraben sein soll. Einigermaßen sicher ist auch die letzte Ruhestätte Walthers von der Vogelweide im so genannten Lusamgärtchens neben dem nördlichen Chor der Basilika Neumünster in Würzburg.

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25.07.2009

Kinderoper, Milchbauerndemo und angespannte Wagner-Schwestern
Wenig spektakuläre Promi-Auffahrt zur Festspielpremiere in Bayreuth

Bayreuth – Alles neu und doch alles wie immer: Die 98. Bayreuther Festspiele sind zugleich die Stunde Null in der Ära Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier. Vor der Premiere von „Tristan und Isolde“ in der fünf Jahre alten Inszenierung von Christoph Marthaler war davon wenig zu merken. Die angespannt wirkenden Wagner-Schwestern beschränkten sich, wie schon bei einem Presseempfang zuvor auf einen Kurzauftritt zwischen den Säulen des Königsbaus, den roten Teppich wollten sie nicht betreten. Ansonsten blieb es dem Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl und seiner Frau Hannelore vorbehalten, die zahlreichen Politiker aus Bayern, Deutschland und der Welt sowie einige wenige Stars und Sternchen aus Film und Fernsehen zu begrüßen.

Einig waren sich die Zaungäste, die teilweise schon seit Jahrzehnten am Absperrgitter stehen, dass die Auffahrt 2009 weniger spektakulärer war, als in den Jahren zuvor. So bekamen die Kamerateams und Fotografen, von denen sich rund ein Dutzend schon morgens vor 9 Uhr mit Leitern und Podesten eingerichtet hatten, zwar das gesamte Kabinett Seehofer, einige Bundesminister und Kanzlerin Angela Merkel im eleganten silbergrauen Kostüm mit bodenlangen weit fallenden Rock und violettem Handtäschchen zu sehen, „A-Promis“ wie Thomas Gottschalk, Bundespräsident Horst Köhler oder auch Fürstin Gloria von Thurn und Taxis blieben diesmal allerdings aus.

Den größten Applaus heimste bei durchwachsenem Wetter mit blitzendem Sonnenschein, dunklen Wolken und einigen wenigen Regentropfen Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit Ehefrau Stephanie ein, dicht gefolgt vom früheren bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein mit Gattin Marga. Beide gingen bereitwillig auf Tuchfühlung mit den Schaulustigen, schrieben fleißig Autogramm, schüttelten Hände und übten sich im Small Talk. Ebenso FDP-Chef Guido Westerwelle und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der knapp vor seinem Vorvorgänger Edmund Stoiber eingetroffen war. Von der Öffentlichkeit unbeachtet nahmen auch EU-Kommissarin Androulla Vassilou und der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias an der Premiere teil. Der Staatspräsident hatte sich noch am Morgen von Oberbürgermeister Hohl durch Richard Wagners ehemaliger Künstlervilla Wahnfried führen lassen, um danach in der Bayreuther Eremitage zu Mittag zu speisen.

Bereits zur Mittagszeit gab es mit der erstmaligen Aufführung einer Kinderoper in einer der benachbarten Probehallen eine erste Premiere. Hunderte Schülerinnen und Schüler zeigten sich nach rund einer Stunde begeistert von der eigens für sie zugeschnittenen Version des Fliegenden Holländer, der mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ebenso wie die großen Festspiele nebenan einen prominenten Gast aufweisen konnte. Wenig zu tun hatte die Polizei an diesem Nachmittag, abgesehen von einer kleinen Demonstration der Milchbauern, die von den Ordnungshütern allerdings auf Distanz gehalten wurden.

Zu den Stars und Sternchen aus Film und Fernsehen gehörten wie immer Hügeldiva Margot Werner die in gewohnter Manier ihre Show abzog, sowie Robert Atzorn („Unser Lehrer Dr. Specht“), der zusammen mit Lore Strack, der Witwe des Schauspielers Günther Strack gekommen war.

Bei der abendlichen Premierenfeier im markgräflichen Neuen Schloss wurde erstmals auch offene Kritik an der Tristan-Inszenierung laut. Als Ministerpräsident Seehof anhob, protokollgemäß die Verdienste des Regisseurs Christoph Marthaler zu würdigen, war das Murren nicht zu überhören. Die Feier ließen sich die mehreren hundert geladenen Gäste dennoch nicht vermiesen. Bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags standen Premierenbesucher, Gäste und Mitwirkende der Festspiele bei Bier und Frankenwein zusammen und diskutierten eifrig über das Gesehene. Applaus kam noch einmal auf, als die beiden Wagner-Schwestern zu später Stunde mit Dirigent Peter Schneider und einigen Mitwirkenden der Tristan-Aufführung die Bühne betraten und Blumen sowie Glückwünsche von Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Seehofer entgegen nehmen konnten. Die Bayreuther Festspiele wurden am Sonntag mit einer Aufführung der Meistersinger von Nürnberg in der Regie von Katharina Wagner fortgesetzt.

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Juli 2009

„Wagner ist richtig heavy“ / Argentinischer Künstler Mariano Rinaldi Goni sorgt mit seinem Kunstprojekt am Rande der Festspiele für Aufsehen

Bayreuth - „Walhalls-Tafel“, „Erda erwacht“, „Walküren als Powerfrauen“: Mit ungewöhnlichen Performances hat Mariano Rinaldi Goni, ein aufstrebender argentinischer Multimedia-Künstler mit klingendem Namen, in den zurückliegenden beiden Jahren für Aufsehen am Rande der Festspiele gesorgt. Ähnlich wie ein „artist in residence“, verbrachte der 37-Jährige die vergangenen Festspielsommer in Bayreuth. Unermüdlich widmete es sich seinem großformatigen Bildern, die der 37-Jährige bislang bereits in Wagners Künstlervilla Haus Wahnfried, im Bayreuther Rathaus und in der ansonsten unzugänglichen Orangerie des Hofgartens ausstellte. Dort sieht der aus Buenos Aires stammende Tausendsassa auch den idealen Ort für seine Aufführungen, in denen er seine eigene Bilderwelt zusammen mit Schauspielern und Sängern zu Leben erweckt.

In großem Format portraitiert Goni Götter, Walküren und andere „Ring“-Protagonisten in modernem, zeitgemäßen Gewand, seine Bilder sind zwischen Pop-Art und phantastischem Realismus angesiedelt und machen auch vor realen Anspielungen aus dem direkten Umfeld des Künstlers nicht halt. Besonders haben es ihm die Frauengestalten der überwiegend nordischen Mythologie angetan. Die mythischen Halbgöttinnen stellt er dabei als zeitgenössische Reinkarnation, schlank, jung, der aktuellen Mode in Figur und Körpergestaltung sowie mit Piercings oder Tätowierungen dar. In ihnen sieht der Künstler vor allem eines: „Powerfrauen“, die in unserer Gesellschaft ein modernes Rollenbild verkörpern.

Im vergangenen Jahr zeigte der Künstler in der lichtdurchfluteten Orangerie erstmals auch seine „Walhalls-Tafel“, eine Art Göttersatire, die vom Urtext der mythischen Stoffe ausgeht, mit dem Werk Richard Wagner verwoben und mit zeitgenössischer Comedy verquickt wird. Die Musik wurde zu der Collage eigens elektronisch bearbeitet, ist aber dennoch immer wieder als Komposition Wagners zu erkennen. In seinen Performances arbeitet der in Berlin lebende Argentinier mit den Mitteln des Slapsticks, nimmt Wagner gerne auch mal auf die Schippe und peppt sein Werk satirisch auf.

Goni ist ein unorthodoxer Kunstschaffender, dem es gelingt mit der Umsetzung dieser Ideen Erfolg zu haben. Nicht absprechen kann ihm der Betrachter die Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit Richard Wagner und seinem Werk. Obwohl er mit moderner Musik aufgewachsen sei, habe ihn schon früh die Musik Ludwig van Beethovens und Richard Wagners fasziniert, sagt Goni. „Besonders die Musik Wagners bezeichnet der unkonventionelle Künstler als „richtig heavy“. Daneben habe er sich immer wieder auch eingehend mit der griechischen und der germanischen Mythologie beschäftigt, so dass die künstlerische Auseinandersetzung mit dem „Ring des Nibelungen“ eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen sei.

Maßgeblich Initiiert wurden die Projekte Gonis durch den Bayreuther Politiker Hartmut Koschyk, der den künstlerischen Weg des argentinischen Malers bereits seit Jahren begleitet und ihn 2007 erstmals nach Bayreuth geholt hatte. Besonders am Herzen liegt es dem Künstler, keine unnötigen Schwellen aufzubauen. Deshalb finden sämtliche Aktionen bei freiem Eintritt statt, was wiederum ein ganzer Pool von Sponsoren möglich macht.

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17.06.2009

Katharina Wagner kündigte neue Wege in der Öffentlichkeitsarbeit an
Bund und Freistaat werden Förderung der Bayreuther Festspiele trotz Krise unverändert fortsetzen – Festspiele stellten sich ausgewähltem Publikum in der Bundeshauptstadt vor

Berlin - Der Bund und der Freistaat Bayern werden die Förderung der Bayreuther Festspiele auch in Zukunft unverändert fortsetzen. Das haben Kulturstaatsminister Bernd Neumann und der bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch bei einer Präsentation der Bayreuther Festspiele in Berlin zugesagt. „Es bleibt dabei, die Bayreuther Festspiele erhalten als einziges Musikfestival Deutschlands die dauerhafte Unterstützung des Bundes“, so Neumann. Heubisch versprach, dass in Bayern trotz weltweiter Finanz- und Wirtschaftskrise kein Cent an der Kunst gespart werde. Dies gelte insbesondere auch für die Bayreuther Festspiele. „Wir werden die Marke Bayreuth nicht vernachlässigen, im Gegenteil, wir werden sie in Zukunft forcieren“, sagte Heubisch.

Wie das geschehen soll, erläuterte die neue Festspielleiterin Katharina Wagner bei dem Empfang vor gut 500 geladenen Gästen in der Bayerischen Landesvertretung. Längst bekannt ist, dass es am Premierentag 25. Juli erstmals eine Version des Fliegenden Holländers für Kinder geben wird. „Die Kinder sollen mitmachen, nur so kommen sie auch in die Materie rein“, sagte Wagner. Bislang weitgehend unbekannt ist dagegen, dass die Festspiele erstmals auch inszenierungsbezogene Einführungsvorträge anbieten wollen. Gerade im Hinblick auf immer komplexere Deutungen ist dieser Schritt nach den Worten der Festspielleiterin unerlässlich.

Kritisch ging Katharina Wagner die bisherige Öffentlichkeitsarbeit ihres Vaters Wolfgang Wagner an. Bisher sei die Pressearbeit „durchaus etwas verworren“ gewesen, sagte sie und fügte wörtlich hinzu: „Da braucht man sich nicht wundern, was teilweise zurückkam“. Ihr Ziel sei es, diese Situation „aufzubrechen“, schließlich habe die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, was in Bayreuth passiert. Erster Schritt sei es gewesen, die Internetpräsenz der Festspiele den modernen Gegebenheiten anzupassen und beispielsweise Podcasts ins Netz zu stellen.

Die neue Festspielleiterin bestätigte auch den Bau einer neuen, der mittlerweile achten Probebühne auf dem Grünen Hügel. Ästhetisch entwickelten sich die Inszenierungen zu immer größeren Bühnenbildern hin, sagte Wagner. Aufgrund der kurzen und intensiven Probezeit müssten sämtliche Werke stets gleichzeitig geprobt werden, was ungeheueren Platz bedürfe. Außerdem hätten in der Vergangenheit immer wieder Teile der Kulissen im Freien gelagert werden müssen, was zahlreiche Probleme aufgeworfen habe.

Als weiteren Schwachpunkt des Hauses bezeichnete Wagner den baulichen Zustand des Festspielrestaurants, sie zeigte sich aber realistisch, dass für einen Neubau auf absehbare Zeit kein Geld zur Verfügung stehe. „Inzwischen ist das Restaurant mit seinen Originallampen aus den frühen 70er Jahren ja fast schon wieder Retro“, sagte Wagner und kündigte an, sich auf die Kernaufgabe, die Durchführung der Festspiele zu konzentrieren. Deshalb werde auch das Rahmenprogramm, wie etwa das Public Viewing, komplett von Sponsoren finanziert.

Als weiteren kontrovers diskutierten Punkt nannte sie eine geplante Umgestaltung von Richard Wagners einstiger Künstlervilla Wahnfried. Noch immer ist dort die Dauerausstellung zu sehen, die zur Eröffnung im Jahr 1976 eingerichtet wurde. Besucher, die öfter nach Bayreuth kommen, möchten wechselnde statt statische Ausstellungen sehen. Allerdings gebe es hier noch großen Klärungsbedarf.

An den bisherigen Plänen für die kommenden Jahre will Katharina Wagner festhalten. So soll es in diesem Jahr keine Neuinszenierung geben, 2010 steht ein neuer Lohengrin (Regie Hans Neuenfels) auf dem Spielplan, 2011 ein neuer Tannhäuser, 2012 ein neuer Holländer und im Wagner-Jahr 2013 zum 200. Geburtstag des Komponisten ein neuer Ring. Erst im Jahr 2015 wird Katharina Wagner wieder selbst Regie führen und den Tristan neu herausbringen.

Bild unten:
von links: Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch, Katharina Wagner, die bayerische Staatsministerin für Bundes- und Europangelegenheiten Emilia Müller und Bayreuths Oberbürgermeister Michael Hohl.

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15.08.2008

Licht und Schatten einer Weltkarriere
Mit einem ungewöhnlichen Buch im Gepäck besuchte Kammersänger Bernd Weikl im vergangenen Jahr die Bayreuther Festspiele

Bayreuth - Einen prächtigen Hochglanzbildband mit großformatigen Fotos aus seiner Ausnahmekarriere, das wollte Bernd Weikl (66) auf keinen Fall. Der Bariton, der 25 Jahre lang bei den Festspielen gesungen hatte, veröffentlichte seine ganz persönlichen Erinnerungen kurzerhand selbst in einem Internet-Verlag zum Verkaufspreis von 11,80 Euro. Das Taschenbuch sollte im Gegensatz zu seinem Inhalt ganz billig sein, berichtet der Kammersänger bei der Vorstellung im vergangenen Jahr am Rande der Festspiele.

Immer wieder hätten auch „junge Damen“ angefragt, ob sie im Rahmen einer Examensarbeit eine Biographie über ihn verfassen dürften, Doch Lobhudelei liegt ihm fremd. Nicht nur das Angenehme, auch die andere Seite gehöre zu einem Sängerleben. Oft sei es sehr schwer, jeden Abend den siegessicheren Mimen vor Publikum zu geben. Die Bühne stellt nach Auffassung Weikls für viele die Flucht aus der realen Welt dar. Seiner Ansicht nach handelt es sich dabei in der Mehrzahl um Menschen, die sich ihren Weg aus einer psychisch belasteten Kindheit suchen. „Licht & Schatten“ soll deshalb nicht nur dem Opernpublikum, sondern auch Kollegen ausdrücklich „als Beispiel und mögliche Hilfe“ dienen.

Weikl verarbeitet in seiner Autobiographie nicht nur seine Karriere selbstkritisch, im Mittelpunkt steht als eine Art zweite Handlung die „sehr komplizierte Mutter-Sohn-Beziehung“. Typographisch abgesetzt, in Kursiv-Schrift berichtet Weikl von seiner allgegenwärtigen Mutter „Millie“, die in Ungarn, später in Wien „bei fremden Leuten“ aufgewachsen sei und darunter körperlich wie psychisch sehr gelitten habe. Als Folge davon macht Weikl ein Geltungsstreben aus, das zu einer katastrophalen Mutter-Sohn-Beziehung geführt habe. Nicht nur seine Ehe sei von der Mutter torpediert worden, auch in seiner Karriere sei er ständig von der Mutter unter Druck gesetzt worden.

Doch damit nicht genug: Auch sein Vater habe unter einem lebenslangen Trauma gelitten. Anstatt Musiker zu werden, wie es sein Wunsch gewesen sei, musste Vater Weikl in Bodenmais im Bayerischen Wald als Holzarbeiter im Forst und in Sägewerken das Geld verdienen. Einfach sei dies in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht gewesen, zumal drei Brüder des Vaters im Zweiten Weltkrieg gefallen oder in Lagern umgekommen waren.

Hart geht der Bariton aber auch mit seiner eigenen Karriere ins Gericht. Für den Don Giovanni 1973 in Hamburg sei er viel zu jung gewesen. Danach habe er sich in den Troubadour „hineinreden lassen“, auch dies sei ein klarer Fehler gewesen. Unvorstellbar für heutige Verhältnisse klingen die Bedingungen, unter denen Weikl während seines ersten Engagements 1968 in Hannover tätig war. Für 850 Mark brutto im Monat habe er in einem Jahr 172 Vorstellungen gesungen, sämtliche Tenor-, Bass- und Baritonpartien, sogar im Schauspielfach sei er aufgetreten, etwa als Oberst in Kleist Amphytrion. „Das wäre heute undenkbar“, so Weikl. Schmunzelnd erinnert er sich an das Urteil des renommierten österreichischen Wiener Kritikers Karl Löbl, nach seinem Debüt in Richard Rodgers und Oscar Hammersteins Musical „Carousel“ 1972 an der Wiener Volksoper. „Weikl hat das Zeug und die Stimme für eine große Karriere in der Unterhaltungsbranche“, hieß es damals.

Im gleichen Jahr konnte der Bariton als Wolfram im Tannhäuser auch sein Debüt in Bayreuth feiern. Später wurde er hier als Amfortas, Holländer und vor allem als unvergesslicher Hans Sachs zur Institution. Von Bayreuth sei er nicht im Groll geschieden. 25 Jahre seien genug, deshalb habe er 1996 von sich aus aufgehört.

Schließlich berichtet der Weltstar auch ganz offen von seiner Ablehnung des gegenwärtigen Regiestils. Nicht das Regietheater selbst lehne er ab, sondern die Provokation in der Oper. Auch die überbordende visuelle Szene gehe nicht mit seiner Auffassung von Oper konform. „Bild und Technik stehen heute im Vordergrund, das ist nicht mehr meine Welt“, sagt der streitbare Sänger und weil er das sagt ist er längst zur persona non grata erklärt worden. „Ich bin unerwünscht, weil ich das kritisiere.“ Seine Auftritte habe er deshalb auf konzertante Aufführungen reduziert. Auch Regie will er im kommenden Jahr erstmals führen und eine ganz neue Aufgabe als künstlerischer Direktor einer internationalen Stiftung übernehmen, die Kinder frühzeitig an die Musik heranführen soll

Bernd Weikl „Licht & Schatten – Meine Weltkarriere als Opernsänger“, Verlag Pro Business, Paperback, 248 Seiten, 11,80 Euro, ISBN 978-3-939430-85-8

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